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Interview: FDP-Vize Kubicki kann sich Robert Habeck als Kanzler vorstellen

Interview

FDP-Vize Kubicki kann sich Robert Habeck als Kanzler vorstellen

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    Der FDP-Politiker Wolfgang Kubicki ist seit 2017 Bundestagsvizepräsident.
    Der FDP-Politiker Wolfgang Kubicki ist seit 2017 Bundestagsvizepräsident. Foto: Patrick Pleul, dpa

    Herr Kubicki, alle reden über Umweltschutz. Vor allem junge Leute treibt die Angst vor dem Klimawandel um. Und die Antwort Ihres Parteichefs Christian Lindner heißt: Die Kinder sollen gefälligst nicht Schule schwänzen und Politik den Profis überlassen. Ist das Ihr Ernst?

    Wolfgang Kubicki: Dass wir über diese Frage diskutieren, bedeutet, dass die Kommunikation noch verbesserungswürdig ist. Das wissen wir selbst und das weiß auch Christian Lindner. Wenn unsere politischen Mitbewerber das nun als Denunziationspotenzial benutzen, müssen wir das aushalten.

    Was will die FDP gegen den Klimawandel tun?

    Kubicki: Wenn Sie Innovation und technischen Fortschritt wollen, dann müssen Sie Anreize geben und nicht mit Verboten agieren. Es ist nicht die Aufgabe des Staates, vorzugeben, welche Technologie eine Zukunft hat und welche nicht. Wir haben vernünftige Konzepte, nur angesichts des Alarmismus und des Rigorismus, die gerade vorherrschen, können wir bei „Fridays for Future“ oder in sozialen Netzwerken damit nicht punkten. Alle – auch die Medien – schauen nur auf die Extrempositionen. Differenzierte Antworten will gerade niemand hören.

    Der CDU-Kollege Friedrich Merz unterstellt den Grünen „Umweltpopulismus“. Mögen Sie dieses Wort?

    Kubicki: Ich finde, man sollte mit dem Begriff Populismus vorsichtiger umgehen. Das Klimaproblem ist nun mal vorhanden. Und dass den Grünen bei dessen Bewältigung eine hohe Kompetenz zugesprochen wird, ist Fakt. Ich gönne ihnen den Höhenflug. Für uns ist das kein Grund für Neid. Es muss Ansporn sein, besser zu werden.

    Christian Lindner warnt schon mal, dass Grünen-Chef Robert Habeck den Deutschen das Steak wegnehmen will. Das klingt schon aber ein bisschen beleidigt, oder?

    Kubicki: Ach was, da kennen Sie ihn schlecht. Er hat lediglich davor gewarnt, so zu tun, als gebe es nur einen richtigen Weg, auf den dann alle gezwungen werden müssen. So etwas geht in einem Rechtsstaat nicht. Wir wollen, dass die Leute selbst entscheiden können, ob sie ein Steak essen oder Salat. Oder beides.

    Haben Sie nun Angst um Ihr Steak?

    Kubicki: Nein, ich habe Robert Habeck als sehr pragmatischen Menschen kennengelernt. Er setzt klare politische Positionen, ist aber anschließend auch bereit, über Kompromisse zu reden. Er kann sich ja meinetwegen ein fleischloses Land wünschen. Aber ich wünsche mir eben, dass ich weiterhin mein Steak essen kann. Und Robert Habeck ist keiner, der per Gesetz bestimmen will, dass Menschen nur noch in einer bestimmten Art und Weise zu leben haben.

    Können Sie sich Habeck als ersten grünen Kanzler vorstellen?

    Kubicki: Ich bin Anwalt, ich kann mir vieles vorstellen.

    Klingt, als würden Sie wahnsinnig gerne mit ihm in der nächsten Bundesregierung zusammenarbeiten?

    Kubicki: Ich hätte schon nach der letzten Bundestagswahl wahnsinnig gerne mit ihm zusammengearbeitet. Es lag ja auch nicht an den Grünen, dass Jamaika gescheitert ist, sondern an der Union.

    Oder an der FDP – jedenfalls hat Ihnen der Ausstieg aus den Koalitionsverhandlungen nicht geholfen, während die Grünen nun durch die Decke gehen. Neuwahlen wären jetzt nicht so ideal für Sie, oder?

    Kubicki: Es wird aber ohne Neuwahlen keine neue Regierung geben. Die Grünen wären ja blöd, wenn sie bei ihren aktuellen Umfragewerten in eine Koalition auf Basis des letzten Wahlergebnisses einsteigen würden. Die Chancen auf einen neuen Anlauf für Jamaika ohne Neuwahlen gehen deshalb gegen null. Mir macht das nichts aus. Wahlkampf ist bekanntlich eine Leidenschaft von mir.

    Selbst der CSU-Kollege Alexander Dobrindt, der Jamaika am heftigsten torpediert hat, fände ein solches Bündnis gar nicht mehr so schlimm...

    Kubicki: Was soll der arme Mann auch machen, wenn er feststellt, dass es keine Alternative gibt, die seiner Partei zur Macht verhilft?

    Na ja, wenn man die aktuellen Umfragen anschaut, brauchen Union und Grüne die FDP vielleicht gar nicht mehr für eine Mehrheit.

    Kubicki: Dann hätten wir aber einen grünen Bundeskanzler und die Schwarzen als Beiboot. Das würde die Union zerreißen.

    Also, wann platzt die Koalition?

    Kubicki: Gar nicht. Erstens, weil Angela Merkel bis 2021 Kanzlerin bleiben will. Sie fühlt sich wohl in ihrer neuen Rolle, überall auf der Welt gefeiert zu werden. Sie ist entspannt, macht Scherze, ich habe sie noch nie so gelöst erlebt. Und zweitens hält die Koalition, weil weder Union noch SPD ein Interesse daran haben, bei Neuwahlen massakriert zu werden.

    CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer scheint jetzt schon als Kanzlerkandidatin verbrannt zu sein. Tut Ihnen die Kollegin leid?

    Kubicki: Ja, sie tut mir leid, weil es heute immer weniger um die inhaltliche Auseinandersetzung geht als um die Wirkung von Personen. Wir leben in einer aufgeheizten Zeit, in der Menschen sehr schnell sehr weit nach oben katapultiert werden und dann auch wieder sehr schnell fallen. Diese Angst geht ja gerade auch bei den Grünen um. Wenn es aber nur noch um Personaldiskussionen geht, werden die Menschen an der Demokratie verzweifeln.

    Andrea Nahles hat als SPD-Chefin schon aufgegeben. Da standen sogar Mobbingvorwürfe im Raum. Wird Politik immer brutaler?

    Kubicki: Das öffentliche und mediale Umfeld wird jedenfalls immer rigoroser. Andererseits: Politiker wissen ja vorher, welcher Situation sie sich aussetzen. Und Andrea Nahles ist auf ihrem Weg nach oben auch nicht immer sanft mit ihren Konkurrenten umgegangen. Sie steht jetzt als Opfer da. In Wahrheit ist aber die SPD das Opfer schlechter Führung.

    Ihr Freund Jürgen Möllemann stand unter großem öffentlichen Druck, als er sich 2003 in den Tod stürzte. Sie haben uns einmal erzählt, dass das auch Ihren Umgang mit Konkurrenten verändert hat. Wie äußert sich das?

    Kubicki: Ich habe heute für Schwächen von Führungspersonen wesentlich mehr Verständnis als früher. Und ich weiß, dass nach jedem Hoch ein Tief kommt und umgekehrt. Deshalb rate ich allen Politikern zu mehr Ruhe und Gelassenheit im Umgang miteinander. Zu mehr Coolness.

    Apropos Coolness. Wie fanden Sie die Reaktion der CDU auf den Youtuber Rezo, der in einem Internetvideo zur Zerstörung der Partei aufruft?

    Kubicki: Jedenfalls war es keine professionelle Reaktion. Ich hätte als Antwort auch ein Video gedreht.

    Was hätten Sie ihm geantwortet?

    Kubicki: Hey Rezo! Dass du überhaupt senden kannst, verdankst du der Generation, die du gerade angreifst. Ohne uns gäbe es kein Internet, ohne uns gäbe es kein Youtube. Und im Übrigen ist die letzten 30 Jahre schon viel gemacht worden in Sachen Umweltschutz. Du kannst heute im Rhein und in der Elbe wieder baden, es gibt keinen sauren Regen und kein Waldsterben mehr. Ja, wir haben Probleme. Aber wir schüren damit keine Angst, sondern versuchen sie zu bewältigen – vielleicht ein bisschen langsam, aber manchmal ist Demokratie eben langsam. Und wenn du das nicht willst, dann müsstest du dir einen starken Führer suchen, der alles alleine entscheiden kann – auch gegen den Widerstand der Bevölkerung. Das kannst du nicht wirklich wollen. Also abrüsten!

    Verbale Abrüstung fordern Sie auch im Umgang mit Russland. Warum sind Sie für den Abbau der Sanktionen gegen Moskau?

    Kubicki: Irgendeiner muss den ersten Schritt machen, um wieder zu einer normalen Verständigung zu kommen. Unsere Aufgabe besteht nicht darin, politische Spannungen zu erhöhen, sondern sie abzubauen. 2001 hat Wladimir Putin im Bundestag eine Rede auf Deutsch gehalten und ist gefeiert worden. Irgendwas muss seitdem falsch gelaufen sein.

    Russland hat die Krim annektiert...

    Kubicki: Ja, und das war zweifelsfrei rechtswidrig. Unser Job ist es trotzdem, eine vertrauensvolle Grundlage zu schaffen, die es dann auch ermöglicht, über Konfliktthemen wie die Situation im Osten der Ukraine oder eben auf der Krim zu reden.

    Auf der anderen Seite sieht es nicht besser aus. Die Beziehungen zu den USA sind desaströs. Sehen Sie einen Ausweg?

    Kubicki: Auch hier gilt: Nichts ist schlimmer als Sprachlosigkeit. Donald Trump hat sich nicht an die Macht geputscht, er ist ein frei gewählter Präsident. Also müssen wir lernen, mit ihm umzugehen, selbst wenn er sich allen rationalen Kriterien entzieht. Trump nimmt Deutschland nicht ernst und er versucht, Europa zu spalten. Umso mehr müssen wir in Europa zusammenhalten, damit wir dem amerikanischen Präsidenten auf Augenhöhe begegnen können.

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