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Interview: FDP-Chef Christian Lindner: "Ich sehe die Union nicht in der Mitte"

Interview

FDP-Chef Christian Lindner: "Ich sehe die Union nicht in der Mitte"

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    FDP-Chef Christian Lindner: „ Ich sehe die Union nicht in der Mitte.“
    FDP-Chef Christian Lindner: „ Ich sehe die Union nicht in der Mitte.“ Foto: Michael Kappeler

    Was halten Sie von dem Vorstoß der Verteidigungsministerin, in Syrien eine Schutzzone einzurichten?

    Christian Lindner: Von Deutschland wird seit langem eine stärkere Rolle erwartet. Wir haben in der letzten Woche den Vorschlag unterbreitet, einen Nato-Sondergipfel einzuberufen. Das Ziel muss sein, die Region zu stabilisieren, um menschliches Leid und neue Fluchtbewegungen zu verhindern. Dazu braucht es ein Mandat der Vereinten Nationen, also auch eine Einbindung der USA und Russlands. Dass Frau Kramp-Karrenbauer einen solchen Vorstoß unternimmt, ist in der Sache richtig. Rätselhaft ist allerdings das Verfahren, denn offenbar sind unsere internationalen Verbündeten, der Koalitionspartner SPD, die Schwesterpartei CSU und der Außenminister nicht eingebunden gewesen. Wir hoffen, dass sich diese Vorgehensweise nicht nachteilig auf das Ergebnis auswirkt.

    Wann haben Sie von der Idee der Ministerin erfahren?

    Lindner: Am Montagabend.

    Noch vor dem Außenminister?

    Lindner: Das weiß ich nicht. Ich halte es bei einem so gewichtigen Vorstoß aber für guten Stil, dass die Regierung die Opposition informiert. Schließlich ist nicht auszuschließen, dass es später um Bundeswehrmandate geht.

    Wäre das ein Thema für eine Aktuelle Stunde im Bundestag?

    Lindner: Syrien war letzte Woche Thema und die neuen Entwicklungen muss man erst abwarten. Wir halten es aufgrund aktueller Ereignisse für nötig, ein Zeichen für Meinungsfreiheit zu setzen Es gibt Morddrohungen gegen Politiker. Bei unserem Spitzenkandidaten in Thüringen wird wegen seiner klaren rechtsstaatlichen Position in der Migrationspolitik die Hauswand beschmiert. Mir selbst ist übrigens ein Auftritt an der Universität Hamburg versagt worden, obwohl ich schon dutzende Male an Hochschulen überall in Deutschland aufgetreten bin.

    Mit welcher Begründung hat die Hamburger Universität Ihren Auftritt abgesagt?

    Lindner: Allgemeine Richtlinien. Die scheinen sehr speziell zu sein. Denn selbst im CSU-regierten Bayern habe ich solche Termine absolviert. An Auftritten linker Politiker nahm man in Hamburg übrigens keinen Anstoß. Das ist eine Verengung der Meinungsvielfalt.

    Hat das was mit dem Fall Lucke zu tun?

    Lindner: Nein, die Veranstaltung unserer Liberalen Hochschulgruppe war schon früher beantragt. Aber es ist die gleiche Uni. Ich sehe da einen Zusammenhang mit der Tätigkeit der grünen Wissenschaftssenatorin Katharina Fegebank. Sie muss sich klar zur Wissenschafts- und Meinungsfreiheit bekennen.

    Die Wahl in Thüringen steht bevor. Die FDP muss um den Sprung über die Fünf-Prozent-Hürde zittern.

    Lindner: Im Vergleich zu vor fünf Jahren stehen wir viel besser da, denn Umfragen sehen uns im Landtag. Wir kämpfen jetzt. In Thüringen schätzen viele Menschen unsere vernunftgeleitete Klimapolitik. Viele haben den Eindruck, dass der Wohlstand nur noch verteilt wird und sich keine Partei außer der FDP mehr darum kümmert, wie wir die Wirtschaft starkhalten können. Nicht zuletzt haben wir einen taktischen Vorteil: Die Mehrheitsverhältnisse sind so, dass nur mit der FDP im Landtag die linke Regierung beendet werden kann. Ein paar Stimmen mehr für die CDU sind egal, Stimmen für die FDP können die Verhältnisse komplett umdrehen.

    Dann müssten Sie gegebenenfalls mit der SPD koalieren?

    Lindner: Ein Fortschritt wäre in jedem Fall, wenn nicht die sozialistische Linkspartei das Land führt, deren Ministerpräsident in der DDR keinen Unrechtsstaat sieht. Dass es die Linkspartei ernst meint mit ihrem Sozialismus, sieht man ja hier in Berlin mit dem Mietendeckel.

    Was ist schlecht am Mietendeckel?

    Lindner: Er ist eine Form der Enteignung. Er zerstört Rechtssicherheit und die Garantie des privaten Eigentums. Die Wohnungsnot löst man nur mit neuen Wohnungen, also mehr Bauland, schnelleren Genehmigungen und einer sinkenden Grundsteuer. Ich bin sicher, dass der Mietendeckel eine Verfassungsklage nicht übersteht.

    Wollen Sie dagegen klagen?

    Lindner: Unsere FDP-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus. Im Deutschen Bundestag schlage ich der CDU/CSU-Fraktion vor, mit uns gemeinsam nach Karlsruhe zu gehen. Der Kritik in Worten müssen jetzt Taten folgen. Das ist auch eine Frage der Glaubwürdigkeit der Marktwirtschaftspartei CDU.

    Sie liegen aber mit der Union im Clinch: Am Freitag wird auch auf Antrag Ihrer Partei der Maut-Untersuchungsausschuss vom Bundestag eingesetzt. Was erwarten Sie sich davon: Den Rücktritt von CSU-Verkehrsminister Scheuer?

    Lindner: Wir waren bei der CSU-Rachemaut immer skeptisch, aber hier wurden möglicherweise fahrlässig Millionen Euro Steuerzahlergeld verschleudert. Wenn sich das bestätigt, wäre Herr Scheuer nicht zu halten.

    Wäre die Vergabe der Forschungsfabrik für Batteriezellen an Münster und die Rolle der CDU-Ministerin Karliczek nicht eher einen Untersuchungsausschuss wert?

    Lindner: Mit dem Instrument gehe ich nicht zu inflationär um. Das müssen wir uns ansehen. Aus der reinen Sache heraus spricht gegen den Standort Nordrhein-Westfalen nicht so viel. Unser FDP-Wirtschaftsminister hat dort viele Impulse für Zukunftsmobilität gesetzt.

    Die Große Koalition ringt gerade um ihre Halbzeitbilanz: Gibt es bald Neuwahlen?

    Linder: Ich rechne nicht damit.

    Also hält die GroKo?

    Lindner: Ich glaube nicht, dass die SPD die Regierung verlässt. Die CDU gibt der SPD doch alles, so wie sie ja auch den Grünen nachläuft. Aber selbst für den Fall des Koalitionsbruchs rechne ich nicht mit sofortigen Neuwahlen, sondern eher mit einer Minderheitsregierung über das nächste Jahr und einem Wahltermin etwa Anfang 2021.

    Wo steht dann die FDP?

    Lindner: In der Mitte. Bei Klima und Migration erwarten die Menschen Vernunft. Steuerentlastungen sind überfällig. Statt Milliarden für Umverteilung muss die Bildung besser werden.

    In der Mitte steht auch die CDU. Könnte die FDP aus einer Minderheitsregierung politisch Profit schlagen, wenn sich die SPD aus der Regierung verabschiedet? Bei möglichen Neuwahlen sehen die Umfragewerte für die FDP ja gerade nicht so toll aus.

    Lindner: Ich sehe die Union nicht in der Mitte. Sie eilt eher den Grünen nach. Zwei Jahre vor der letzten Bundestagswahl, also etwa wie jetzt, standen wir bei fünf Prozent, dann wurden es fast elf. Für uns ist es nicht einfach, zwischen den lauten Eckpositionen von AfD und Grünen mit unseren Argumenten in den Debatten durchzudringen. Aber das macht die Aufgabe eigentlich umso wichtiger.

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