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Interview: Experte erwartet historischen Durchbruch auf Trump-Kim-Gipfel

Interview

Experte erwartet historischen Durchbruch auf Trump-Kim-Gipfel

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    Nordkoreas Staatschef Kim Jong Un neben einem Sprengkopf: Nach Ansicht von Experten hat Pjöngjang nach dem ersten Treffen mit Trump nicht wesentlich abgerüstet.
    Nordkoreas Staatschef Kim Jong Un neben einem Sprengkopf: Nach Ansicht von Experten hat Pjöngjang nach dem ersten Treffen mit Trump nicht wesentlich abgerüstet. Foto: KCNA via KNS, dpa (Archiv)

    Herr Nowak, Sie waren als eine Art Geheimdiplomat außerhalb der staatlichen Strukturen immer wieder zu Gesprächen mit hochrangigen Regierungsvertretern in Nordkorea. Was erwarten Sie vom Gipfel in Vietnam?

    Wolfgang Nowak: Meine Erwartung ist, dass US-Präsident Donald Trump den Kriegszustand der USA mit Nordkorea, der ja noch immer anhält, für beendet erklärt. Und dass Kim Jong Un dann seinerseits konkreten Abrüstungsschritten zustimmt. Möglicherweise werden formelle diplomatische Beziehungen aufgenommen und Botschaften in Washington und Pjöngjang eröffnet.

    Welche Konsequenzen hätte das?

    Nowak: Damit, dass die USA alle ihre Truppen aus der Region abziehen oder dass umgekehrt Nordkorea alle seine Atomwaffen sofort vernichtet, ist nicht zu rechnen. Die amerikanische Politik des Alles oder Nichts ist nicht durchsetzbar. Aber es könnte ein sehr wichtiger Prozess in Gang kommen, der Schritt für Schritt dazu führt, dass Vertrauen aufgebaut wird. Die koreanische Halbinsel ist über die vergangenen 60 Jahre zu einem riesigen Endlager an Misstrauen geworden.

    Warum sollte ausgerechnet Trump, der ja nicht als Freund diplomatischer Feinheiten gilt, diesen Weg gehen?

    Nowak: Der US-Präsident, der ja ein ganz gewiefter Taktiker ist, sieht die einmalige Chance, nach 60 Jahren Frieden mit Nordkorea zu schließen. Das haben seine Vorgänger Bush, Clinton und Obama nicht geschafft. Weil er bisher politisch praktisch nichts erreicht hat, glaubt Trump, damit den ganz großen Wurf landen zu können, der ihm seine Wiederwahl sichert. Und natürlich spekuliert er auf den Friedensnobelpreis.

    Und was treibt seinen Verhandlungspartner Kim Jong Un an. Liegt die Macht in Nordkorea überhaupt wirklich in seinen Händen?

    Nowak: Kim genießt als Teil einer hoch verehrten Familie größten Respekt. Er hat eine Stellung wie früher der Tenno, der Kaiser von Japan. Der erst 35-jährige Kim wird umgeben von einem Staatskomitee, das mit sehr erfahrenen Politikern besetzt ist. Und die Führung hat kein Interesse daran, Krieg zu führen oder weiter isoliert zu bleiben. Mit einem Friedensvertrag könnte eine Abkehr von der bisherigen Politik auch nach innen erklärt werden. Nordkorea will seine wirtschaftliche Situation verbessern.

    Welchen Eindruck haben Sie bei Ihren Besuchen vom Alltag in Nordkorea bekommen?

    Nowak: Es ist ein kleines Land, das stolz darauf ist, sich trotz mächtiger Feinde, seine Unabhängigkeit bewahrt zu haben. Wir haben den Fehler gemacht, Nordkorea zu dämonisieren, seine Führung als verrückt darzustellen. Doch sie handelt rational. In unseren Medien dominieren trostlose Armutsfotos oder Bilder von bedrohlichen Aufmärschen des Militärs. Die Realität ist anders. Wirtschaftlich hat sich viel getan, es gibt Restaurants, Bierstuben, Supermärkte. Private Händler verkaufen ihre Waren an Straßenständen, Bauern dürfen einen Teil ihrer Ernte selbst verkaufen.

    Wie passt das zu den Berichten, dass die nordkoreanische Regierung die UN gewarnt hat, dass im Land eine Hungersnot droht.

    Nowak: Nordkorea ist ohne Zweifel ein sehr armes Land. Doch eine Armut wie in den Slums von Afrika, Indien oder auch Brasilien gibt es dort nicht. Das Problem ist, dass nur ein geringer Teil der Fläche Nordkoreas landwirtschaftlich nutzbar ist, durch Dürre oder Überschwemmungen kommt es schnell zu Engpässen in der Lebensmittelversorgung. Wegen des Embargos können die aber nicht durch Exporte ausgeglichen werden und Landmaschinen können nicht eingeführt werden.

    Nordkorea gilt als restriktivstes totalitäres System der Welt. Gegner der Führung werden in Straflager gesperrt oder öffentlich hingerichtet. Wie schätzen Sie die Menschenrechtssituation ein?

    Nowak: Die Frage der Menschenrechte ist sehr sensibel, wir diskutieren das auch, aber nicht mit dem Megafon. Wir sollten uns als Deutsche davor hüten, in Sachen Menschenrechte doppelte Standards anzulegen. Im Umgang mit China oder den arabischen Ländern, Ländern in denen wir starke wirtschaftliche Interessen haben, spielen Menschenrechte für uns kaum eine Rolle. Das gilt übrigens auch für Vietnam, das deshalb alles andere als der ideale Gipfelort ist.

    Aus welchen?

    Nowak: Vietnam hat sich für einen Kapitalismus in seiner wildesten Form entschieden und sich gleichzeitig von seinem früheren Partner China abgewandt. Dass das Treffen in Hanoi stattfindet, könnte in Peking als Signal missverstanden werden, dass die USA auch Nordkorea nahelegen, sich von China abzuwenden. Doch das wäre Wahnsinn, 88 Prozent des nordkoreanischen Handelns findet mit China statt.

    Hat Peking, das als eine Art Schutzmacht Nordkoreas gilt, überhaupt ein Interesse daran, dass es zu Frieden und Abrüstung auf der koreanischen Halbinsel kommt?

    Nowak: Peking möchte nicht, dass Nordkorea auf Dauer Atommacht bleibt. Denn das nordkoreanische Waffenarsenal ist ja das Argument für die starke Präsenz amerikanischer Truppen in Asien. China fürchtet auch, dass Japan und Südkorea unter Berufung auf Nordkorea selbst aufrüsten.

    Welche Perspektiven sehen Sie für eine Wiedervereinigung von Nord- und Südkorea?

    Nowak: Korea muss einen eigenen Modus der Wiedervereinigung finden Den Weg der DDR wird Nordkorea nicht gehen. Mit einem schnellen Anschluss des Nordens an den Süden ist nicht zu rechnen. Ich sehe eher eine schrittweise Annäherung, gemeinsame Institutionen, Bahnverbindungen oder Wirtschaftsprojekte könnten da den Anfang machen.

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