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Interview: Experte: Trump hat Kränkung durch Merkel nicht vergessen

Interview

Experte: Trump hat Kränkung durch Merkel nicht vergessen

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    Donald Trump sieht Merkel nach Einschätzung von Jack Janes als Rivalin.
    Donald Trump sieht Merkel nach Einschätzung von Jack Janes als Rivalin. Foto: Kay Nietfeld, dpa (Archiv)

    US-Präsident Donald Trump und Kanzlerin Angela Merkel nahmen beide nicht an der Münchner Sicherheitskonferenz teil. Ist das ein Symbol dafür, wie kompliziert die Beziehung zwischen Berlin und Washington gerade ist?

    Jack Janes: Barack Obama hatte eine sehr enge Beziehung zu Kanzlerin Merkel, er hat sie als wirklich enge Vertraute und Verbündete gesehen. Fest steht: Das ist unter Trump ganz anders. Der Präsident denkt in Machtkategorien, auch Status ist ihm immens wichtig – also sieht Trump Merkel angesichts ihrer langen internationalen Erfahrung eher als Rivalin. Außerdem neigt er dazu, nachtragend zu sein und keine Kränkung zu vergessen. Trump hat bestimmt nicht vergessen, dass Merkel ihm nach seiner Wahl zwar gratuliert hat – aber zugleich auf ein Wertefundament verwiesen hat, das auch mit einer neuen amerikanischen Regierung nicht verhandelbar sei. Schon bei Merkels Besuch in Washington waren die Konflikte ja spürbar, etwa in dem Streit um den deutschen Handelsüberschuss oder angeblich ausstehende Zahlungen der Deutschen an die Nato.

    Gehen die Amerikaner denn davon aus, dass Merkel im Amt bleibt?

    Janes: Im Moment schon – auch weil sie sich eine personelle Alternative im Kanzleramt derzeit gar nicht vorstellen können. Sie kennen schlicht kaum jemanden in Berlin außer Merkel. Ich halte es aber für gut möglich, dass sich der Fokus der Trump-Regierung stärker nach Paris richtet. Mit dem jungen französischen Präsidenten Emmanuel Macron hat Trump eine einigermaßen funktionierende Arbeitsbeziehung aufgebaut und ihn ja auch schon besucht. Viele in Washington sehen Macron als einen möglichen Nachfolger Merkels in der Rolle als Europas Wortführer.

    Ist irgendein Anzeichen zu erkennen, dass sich die Außenpolitik der Trump-Regierung nach rund einem Jahr normalisiert? In München war zumindest keine aggressive America-First-Rhetorik zu vernehmen.

    Janes: Das lag auch daran, dass die Amerikaner sich kaum zu Wort gemeldet haben. Aber Sie dürfen eins nicht vergessen: Diese ganze America-First-Rhetorik ist vor allem für Trumps Kernwähler gedacht. Ganz normal, oder zumindest so wie wir es aus der Ära vor Trump kennen, wird die Außenpolitik dieser Regierung nie werden – sie wird „transactional“ sein, wie wir Amerikaner sagen, sprich: von Gegenleistungen abhängen. Wenn Trump und seine Leute das Gefühl haben, ein gutes Geschäft mit den Europäern machen zu können, werden sie das auch tun. Sie werden sicher auch einige der üblichen Vereinbarungen, etwa die US-Militärpräsenz in Europa, fortsetzen – aber in anderen Punkten werden sie weiter deutlich andere Akzente setzen. Man darf nicht vergessen: Trump nimmt Europa nicht sonderlich ernst, er hält etwa die EU für einen schwer verständlichen Zusammenschluss von Staaten ohne klare Strategie. Trump denkt stets in Machtkategorien und da hat ihn Europa bislang nicht sonderlich beeindruckt.

    Bei der Sicherheitskonferenz kreisten viele Wortbeiträge um die angebliche Gefahr aus dem Iran und der Sorge vor einer iranischen Atomwaffe. Ziehen Trump und die Europäer hier an einem Strang?

    Janes: Leider überhaupt nicht. Ich glaube, dass die Irankrise der schwierigste Test für die künftigen Beziehungen zwischen der Europäischen Union und den USA werden könnte. Was die Amerikaner in München gesagt haben, weicht eklatant von der Verhandlungslösung ab, für die die Europäer in den vergangenen Jahren so sehr gekämpft haben. Meinen die Amerikaner das ernst und kündigen die bisherige Vereinbarung auf, gibt es zwei Optionen für Europa: Entweder es tritt Washington entschieden entgegen, was nicht einfach ist. Oder es bietet Alternativen zum bisherigen Iran-Deal an – aber dazu habe ich von den Europäern noch nicht viel gehört.

    Das erste Trump-Jahr war ein einziges Abenteuer, auch für Diplomaten. Wie wird aus Ihrer Sicht das zweite Jahr?

    Janes: Für Diplomaten wird es frustrierend bleiben. Schon allein, weil unter Trump die US-Regierung völlig unberechenbar geworden ist. Und eins können wir sicher sagen: Trump bleibt Trump – er wird sich anders als viele seiner Vorgänger im Amt kaum ändern. Deswegen müssen die Europäer sich stärker auf andere Institutionen konzentrieren, die ebenfalls über viel Macht verfügen und von Trumps Unberechenbarkeit nicht so angesteckt sind: das Außenministerium, der Kongress, auch die Bundesstaaten. Und ehrlich gesagt liegt in dem Chaos auch eine Chance für die Europäer: Sie können zeigen, dass sie zusammenstehen. Wenn Trump als Feindbild zu mehr Einigkeit unter den Europäern führt, ist das ein positiver Effekt seiner Amtszeit.

    Zur Person: Jack Janes gehört zu den renommiertesten Transatlantik-Experten. Der Präsident des American Institute for Contemporary German Studies (AICGS) in Washington berät seit Jahrzehnten alle führenden Entscheidungsträger auf beiden Seiten des Atlantiks. Der Politikwissenschaftler hat auch lange Jahre in Deutschland gewirkt, etwa als Direktor des Europabüros des German Marshall Fund in Bonn.

    Neuigkeiten zu Donald Trump lesen Sie auch hier in unserem News-Blog.

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