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Interview: „Eine neue Offenheit“

Interview

„Eine neue Offenheit“

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    „Ich bin immer noch ganz baff.“ Grünen-Chefin Claudia Roth.
    „Ich bin immer noch ganz baff.“ Grünen-Chefin Claudia Roth. Foto: Foto: dpa

    Augsburg Die Bundesvorsitzende der Grünen, Claudia Roth (

    Frau Roth, Sie müssen sich nach dem Wahlsonntag blendend fühlen.

    Roth: Ich bin immer noch ganz baff. Und jetzt erreichen uns auch noch die hervorragenden Zahlen der Kommunalwahlen in Hessen. Aber als Schwäbin freue ich mich selbstverständlich ganz besonders, dass wir ausgerechnet im brummenden Industrieland Baden-Württemberg gewonnen haben.

    War die Atomkatastrophe in Japan wahlentscheidend?

    Roth: Die Atomdebatte ist dadurch wieder wichtiger geworden. Zudem kam der unglaubwürdige Scheinausstieg auf Zeit der Bundesregierung in der Atompolitik. Beides gekoppelt hat deutlich gemacht, wer in der Energiepolitik wirklich Kompetenz hat. Doch es war nicht alleine die Diskussion über die Zukunft der Atomkraft.

    Was denn dann?

    Roth: Ich war viel in ländlichen Regionen unterwegs. Stellen Sie sich vor, da haben Milchbauern Wahlkampfveranstaltungen für uns organisiert. Und die Säle waren voll. Das wäre früher undenkbar gewesen. Immer mehr bringt man auch christliche Werte mit den Grünen in Verbindung, den Erhalt der Schöpfung. Und wir haben am meisten von den Nichtwählern profitiert. Wir haben in Baden-Württemberg immerhin neun Direktmandate gewonnen. Das hat die SPD in 30 Jahren nicht geschafft.

    Mit Winfried Kretschmann hatten die Grünen einen eher konservativen, bodenständigen Spitzenkandidaten. War das ein Erfolgsgeheimnis?

    Roth: Winfried Kretschmann sitzt im Zentralrat der Katholiken, er ist integer, anständig und gesellschaftspolitisch offen. Und er hat ganz viel baden-württembergische Identität. Das hat gepasst.

    Nun wird Kretschmann Ministerpräsident. Regieren jedoch andere wie Cem Özdemir oder Boris Palmer?

    Roth: Unsinn. Wer Kretschmann kennt, weiß, dass er niemanden braucht, der für ihn regiert. Außerdem lässt sich jemand wie Kretschmann nicht die Butter vom Brot nehmen. Er hat aber klargemacht, dass er kooperativ und im Team seiner Minister regieren wird. Dafür haben die Grünen in Baden-Württemberg genügend gute Leute, die ministrabel sind. Viel schwieriger wird sein, dass die Verwaltung nach 58 Jahren CDU-geprägt ist. Da wurde ein gewaltiger Apparat aufgebaut. Wichtig wird sein, diese Verwaltung beim notwendigen Politikwechsel mitzunehmen.

    Sie wollen einen Politikwechsel. Aber das Land zählt doch zu den erfolgreichsten in der Republik.

    Roth: Und die Menschen hatten dennoch genug von einem Politikstil, der arrogant über die Köpfe der Menschen hinweg regiert. Außerdem: Baden-Württemberg ist gegenwärtig erfolgreich. Aber es hinkt bei den Zukunftstechnologien oder erneuerbaren Energien gewaltig hinterher. Im Bildungsbereich muss auf den demografischen Wandel reagiert werden. Wir wollen nicht nur die Kirche, sondern auch die Schule im Dorf lassen. Und Baden-Württemberg ist auch ein Einwanderungsland. Da brauchen wir eine neue Offenheit.

    Wird Stuttgart 21 zum Streitpunkt in der grün-roten Koalition?

    Roth: Die Grünen tun alles, um das Milliardengrab zu verhindern. Jetzt wird es zunächst einmal den Stresstest für das Bahnprojekt geben. Dann müssen Zahlen auf den Tisch. Hält die Bahn dann immer noch an ihren Plänen fest, könnte es zur Volksabstimmung kommen.

    Sie sehen inzwischen keine Basis mehr für eine schwarz-grüne Koalition.

    Roth: Angela Merkel hat doch gerade erst von einem Hirngespinst gesprochen und uns zum Hauptgegner ernannt. Wir sind nicht im ideologischen Schützengraben, es geht uns um die Inhalte. Mit von Beust hat die Koalition in Hamburg gut geklappt, mit Ahlhaus ging es nicht. Und mit Mappus wäre es schon gar nicht gegangen.

    Rechnen Sie sich für die Grünen auch Chancen in Bayern aus?

    Roth: Was in Baden-Württemberg möglich war, kann auch in Bayern möglich sein. Wir werden uns so aufstellen, dass wir einen Machtanspruch formulieren können. Auch in Bayern gibt es eine bunte Gesellschaft. Der liebe Gott hat dieses wunderbare Land nicht für die CSU gemacht. Interview: Jörg Sigmund

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