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Interview: EU-Klimakommissar: Steuern sind wichtig im Kampf gegen Klimawandel

Interview

EU-Klimakommissar: Steuern sind wichtig im Kampf gegen Klimawandel

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    Die Erde ist krank – mit dieser Botschaft gehen Woche für Woche Jugendliche auf die Straße, um auf den Klimawandel aufmerksam zu machen.
    Die Erde ist krank – mit dieser Botschaft gehen Woche für Woche Jugendliche auf die Straße, um auf den Klimawandel aufmerksam zu machen. Foto: Bodo Schackow, dpa

    Miguel Arias Cañete (69) gehört der Europäischen Kommission seit 2014 an. Der spanische Christdemokrat ist für Klimaschutz und Energie zuständig. Seine Ernennung vor fünf Jahren war höchst umstritten: Als Minister in der spanischen Regierung soll Cañete ab 2011 den Ausbau erneuerbarer Energien ausgebremst und das Fracking bevorzugt haben.

    Welche Ziele hat die EU für den Klimawandel im Jahr 2050? Sollten bis dahin alle Mitgliedstaaten klimaneutral leben und produzieren und einen CO2-freien Verkehr haben?

    Miguel Arias Cañete: Im vergangenen November hat die Europäische Kommission ihren Vorschlag für eine strategische, langfristige Vision für eine florierende, moderne, wettbewerbsfähige und klimaneutrale Wirtschaft bis 2050 unter dem Titel „A Clean Planet for all“ vorgelegt. Dieses Strategiepapier stellt eine Vision vor, wie Europa den Weg zur Klimaneutralität ebnen kann, indem es in realistische, technologische Lösungen investiert, die Bürger befähigt und die Maßnahmen in Schlüsselbereichen wie Industriepolitik, Finanzen oder Forschung aufeinander abstimmt – und gleichzeitig soziale Gerechtigkeit für einen gerechten Übergang gewährleistet.

    Was soll die Strategie leisten?

    Cañete: Die langfristige Strategie zielt nicht darauf ab, detaillierte Ziele zu setzen, sondern eine Vision zu entwerfen und Orientierung zu geben, diese zu planen und zu inspirieren sowie Interessengruppen, Forschern, Unternehmern und Bürgern gleichermaßen die Möglichkeit zu geben, neue und innovative Industrien, Unternehmen und Arbeitsplätze zu entwickeln. Eine Vision für eine moderne, saubere und prosperierende Wirtschaft. Das soll eine Art Reiseroute für die EU sein, damit wir die Ziele des Pariser Abkommens erreichen.

    Was halten Sie von dem Vorschlag Frankreichs und anderer Länder, bis 2050 Klimaneutralität zu erreichen?

    Cañete: Das beim EU-Gipfel in Sibiu vorgelegte Papier bestätigt viele der von der Kommission bereits im vergangenen Jahr vorgelegten Initiativen. Bevor wir jedoch neue Ziele festlegen, müssen wir einen klaren Plan ausarbeiten, der sich auf Sofortmaßnahmen konzentriert.

    Deutschland will einen anderen Weg gehen und sich vor allem auf das Erreichen der Ziele für 2030 konzentrieren. Verstehen Sie, warum

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    Cañete: Es geht hier nicht um unterschiedliche Wege. Tatsache ist, dass der EU-Gesetzgeber Regelungen verabschiedet hat, die EU-Ziele zur Reduzierung von Emissionen, die Erzeugung sauberer Energie und die Verbesserung der Energieeffizienz bis 2030 festlegen. Diese Ziele, die keine Obergrenzen sind, erfordern dringende und entschlossene Maßnahmen. Wir müssen sofort handeln. Die EU koordiniert die Bemühungen zur Bekämpfung des Klimawandels und muss dies auch weiterhin tun, damit Europa vereint und nicht getrennt vorankommt. Es kann verschiedene Wege geben, um zum Ziel zu gelangen, aber das Ziel ist für alle klar. Und die führenden Länder sollten erkennen, dass Frankreich und Deutschland nichts allein bewegen können, aber in Europa bewegt sich nichts ohne Frankreich und Deutschland.

    Welche sind die wesentlichen nächsten Schritte?

    Cañete: Auch hier geht es darum, jetzt mit dem entschlossenen Handeln zur Erreichung der Ziele für 2030 zu beginnen. Je früher die Mitgliedstaaten anfangen, entschlossene Maßnahmen zur Umsetzung der auf EU-Ebene vereinbarten Rechtsvorschriften zu ergreifen, desto besser. Dies wird die EU auf einen unumkehrbaren Weg bringen, der auf Klimaneutralität abzielt. Dies erfordert eine tief greifende Modernisierung der europäischen Wirtschaft, und dies wird nur möglich sein, wenn jeder Einzelne seinen Teil dazu beiträgt. Dieser Prozess soll sicherstellen, dass der Übergang sozial gerecht ist und die Wettbewerbsfähigkeit der EU-Wirtschaft und -Industrie auf den Weltmärkten stärkt, hochwertige Arbeitsplätze und nachhaltiges Wachstum in Europa sichert und gleichzeitig dazu beiträgt, andere Umweltprobleme wie Luftqualität oder Verlust der biologischen Vielfalt anzugehen. Der Weg zu einer klimaneutralen Wirtschaft würde gemeinsame Maßnahmen in sieben strategischen Bereichen erfordern: Energieeffizienz, Einsatz erneuerbarer Energien, saubere, sichere und vernetzte Mobilität sowie wettbewerbsfähige Industrie und Kreislaufwirtschaft. Zusätzlich sind Infrastruktur und Verbundnetze, Bioökonomie und natürlich die Reduktion des Kohlenstoffs wichtig. Ebenso wie die CO2-Abscheidung und -Speicherung, um die verbleibenden Emissionen zu reduzieren. Das Verfolgen all dieser Prioritäten würde dazu beitragen, unsere Vision Wirklichkeit werden zu lassen.

    In Deutschland wird über die CO2-Steuer als Instrument für einen Umstieg in eine klimaneutrale Zukunft gestritten. Wollen Sie eine CO2-Steuer für die Mitgliedstaaten?

    Cañete: Die Europäische Union will bei der Modernisierung der Wirtschaft durch die Reduzierung der CO2-Emissionen eine Vorreiterrolle übernehmen. Der Klimawandel ist eine klare und aktuelle Bedrohung, der begegnet werden muss. Die Steuerpolitik ist ein wichtiges Instrument, um zum Erreichen der Energie- und Klimaziele der Union beizutragen und dafür zu sorgen, dass das Energiebesteuerungssystem der Union angemessene Anreize für die Verringerung der Treibhausgasemissionen und die Energieeffizienz bietet. Im November 2018 hat die Europäische Kommission ihre langfristige Strategie für eine klimaneutrale Wirtschaft bis 2050 vorgestellt. Im April dieses Jahres haben wir das Europäische Parlament und den Rat aufgefordert, darüber nachzudenken, wie die Energiebesteuerung besser zu den energie- und klimapolitischen Zielen der EU beitragen könnte. Denn wir wollen Fortschritte in diesen Bereichen. Die derzeitigen Vorschriften für die Energiebesteuerung auf EU-Ebene sind seit 2003 in Kraft und veraltet, sie stehen im Widerspruch zu den Zielen der Union in den Bereichen saubere Energie, Umwelt und Klimawandel, da das Verursacherprinzip der Verträge nicht vollständig umgesetzt wird. Die Kommission prüft derzeit die Energiesteuerrichtlinie, um festzustellen, ob eine mögliche Aktualisierung und Anpassung an die neuen Herausforderungen erforderlich ist.

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