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Interview: EU-Abgeordneter Brok über Personalpolitik: "Ein schwerer Vertrauensverlust"

Interview

EU-Abgeordneter Brok über Personalpolitik: "Ein schwerer Vertrauensverlust"

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    Elmar Brok beschreibt die EU-Personalpolitik als Chaos.
    Elmar Brok beschreibt die EU-Personalpolitik als Chaos. Foto: Kay Nietfeld, dpa

    Herr Brok, was war das, was da zwischen Sonntag- und Dienstagabend in Brüssel passiert ist?

    Elmar Brok: Chaos. Der französische Staatspräsident Macron und der spanische Premierminister Sánchez haben versucht, das Spitzenkandidatenmodell kaputt zu machen. Und das ist ihnen gelungen. Der ungarische Regierungschef Viktor Orbán hat dabei fleißig mitgeholfen. Das Europäische Parlament bereitete den Boden, weil es nicht möglich war, eine einheitliche Position zu finden und eine Mehrheit für einen der Spitzenkandidaten zu bilden.

    Welche Rolle spielte die Kanzlerin?

    Brok: Die Kanzlerin hat sich eingesetzt, ist über ihren Schatten gesprungen und versuchte sogar noch, mit der Unterstützung für den Sozialdemokraten Frans Timmermans den Spitzenkandidaten-Prozess zu retten. Das funktionierte aber nicht.

    Hat Merkel den eigenen Spitzenkandidaten Weber genug unterstützt?

    Brok: Ich glaube ja. Ich sehe jedenfalls kein Indiz dafür, dass das nicht der Fall war.

    Trotzdem scheinen auch CDU und CSU geschockt. Was bleibt da an Flurschaden?

    Brok: Natürlich ist das Vorgehen für das Verhältnis von CDU und CSU nicht einfach. Aber ich hoffe, dass unsere bayerische Schwesterpartei einsieht, dass das nicht anders möglich war. Die Schuld liegt eindeutig bei den Sozialdemokraten und Liberalen. Die haben so sehr gemauert, dass sich die Blockade am Ende gegen den Spitzenkandidaten der stärksten Partei ausgewirkt und zum vorläufigen Scheitern des Modells geführt haben. Dass es dann auch bei den Christdemokraten zu Gegenreaktionen kam, die sich gegen den sozialdemokratischen Spitzenkandidaten richtete, muss man verstehen.

    Was hinterlässt das beim Wähler für einen Eindruck?

    Brok: Der Wähler fühlt sich betrogen. Wenn ich hier in meiner Region unterwegs bin, werde ich ständig gefragt, was das denn war. Das ist ein schwerer Vertrauensverlust, den die EU nicht gebrauchen kann.

    Ist Ursula von der Leyen als Kommissionspräsidentin eine gute Wahl?

    Brok: Sie erfüllt viele Bedingungen. Frau von der Leyen ist eine erfahrene Ministerin und überzeugte Europäerin. Ihr Vater Ernst Albrecht war schon dabei, als 1957 die Römischen Verträge unterzeichnet wurden.

    Wird das EU-Parlament von der Leyen am Ende wirklich wählen?

    Brok: Da wage ich keine Prognose. Aber wenn sie am 16. Juli scheitern sollte, haben die Staats- und Regierungschefs sich das selbst zuzuschreiben. Es war völlig unnötig, sich zeitlich so unter Druck zu setzen. Die amtierende Kommission ist noch bis Anfang November im Amt. Man hätte dem Parlament also mehr Zeit geben können, sich zu konstituieren, Mehrheiten zu finden und dem Rat dann entgegenzukommen. Nun fühlen sich die Abgeordneten gedrängt und gejagt.

    In welchem Zustand befindet sich die EU nach diesem Gipfel?

    Brok: Das ist ein Tiefpunkt. Das Spitzenkandidaten-Modell ist keine lästige Pflicht, sondern ein demokratischer Akt. Wir wollten, dass immer die Bürger über Wahlen mitentscheiden, wer die EU als Kommissionspräsidentin politisch führt. Deswegen halte ich das, was jetzt passiert ist, für einen Rückschlag.

    Elmar Brok, CDU, gehörte von 1980 bis 2019 dem Europäischen Parlament an und war dienstältester Abgeordneter.

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