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Interview: Chef katholischer Laien verweigert sich der AfD

Interview

Chef katholischer Laien verweigert sich der AfD

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    Ein Mann klarer Worte: ZdK-Präsident Thomas Sternberg.
    Ein Mann klarer Worte: ZdK-Präsident Thomas Sternberg. Foto: Caroline Seidel/Archiv (dpa)

    Herr Sternberg, sollte man mit Rechtspopulisten etwa des Pegida-Bündnisses oder der AfD sprechen oder sie eher ausgrenzen?

    Thomas Sternberg: Man muss unbedingt auch mit Menschen, die eine radikal andere Meinung haben als man selbst, sprechen. Man muss aber nicht die Sammelbewegungen, die sich dieser Menschen bedienen, bekannt machen und adeln, indem man sie zum Gespräch einlädt und ihnen eine Bühne bietet.

    Sie haben die AfD vom Deutschen Katholikentag, der Ende Mai in Leipzig stattfindet, ausgeladen. Die AfD habe sich „aus dem demokratischen Grundkonsens verabschiedet“, sagten Sie.

    Sternberg: Schon unter meinem Vorgänger als Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, Alois Glück, ist dieser Beschluss gefasst worden. Ich habe ihn bestätigt.

    AfD-Chefin Frauke Petry hat Sie dafür scharf kritisiert.

    Sternberg: Frauke Petry und die anderen führenden Persönlichkeiten dieses Protestbündnisses interessieren mich nicht besonders.

    Wie fanden Sie eigentlich die Entscheidung des Augsburger Oberbürgermeisters Kurt Gribl? Der versuchte, erfolglos, einen Auftritt Petrys im Rathaus per Hausverbot zu verhindern.

    Sternberg: Man kann bei einer derartigen Sache so oder so entscheiden. Man muss auf jeden Fall sehen: Ein Mann wie zum Beispiel der thüringische AfD-Landesvorsitzende Björn Höcke wäre heute nicht bekannt, hätte er nicht im Oktober in der Talkshow von Günther Jauch auftreten dürfen. Auch von einer Beatrix von Storch würde niemand sprechen, wäre sie nicht kürzlich bei Anne Will gewesen.

    Die AfD könnte bei den anstehenden Landtagswahlen teils mit zweistelligen Ergebnissen in die Parlamente einziehen. Sehen Sie das mit Sorge?

    Sternberg: Ich sehe das sogar mit großer Sorge. Anfang der 90er Jahre kamen allerdings bereits die Republikaner mit einem zweistelligen Wahlergebnis in den Landtag Baden-Württembergs. Ungewöhnlich ist so etwas also nicht. Wir haben ja eine Große Koalition im Bund, und

    Sie waren gerade in Leipzig, wo der Pegida-Ableger Legida Stimmung gegen Flüchtlinge macht. Hat Sachsen ein besonderes Problem mit Fremdenhass und Rechtsradikalismus?

    Sternberg: Alle meine Gesprächspartner aus Leipzig versichern mir, dass die Legida ein Häufchen aus wenigen Menschen ist. Der Ruf, den Sachsen zurzeit hat, ist nicht ganz berechtigt.

    In Sachsen ist aber auch die NPD relativ stark. Sollte sie verboten werden?

    Sternberg: Ich bin der Meinung: Menschenverachtende Parteien, die noch dazu den Nationalsozialismus verherrlichen, müssen verboten werden. Ein Verbot der NPD wird aber das Problem nicht aus der Welt schaffen – und das Problem ist, dass rechtsradikale Äußerungen in Kreisen hoffähig werden, von denen ich das nie gedacht hätte.

    Woran denken Sie da?

    Sternberg: Etwa an sogenannte normale Bürger, die gegen die vermeintliche „Lügenpresse“ wettern, oder ihre Sätze mit der Wendung einleiten: „Das muss man doch mal sagen dürfen.“ Wir als Christen müssen in dieser Situation klarmachen: Bestimmte Dinge tut man nicht. Man verurteilt zum Beispiel Flüchtlinge nicht als eine „Masse“.

    Angesichts der sich verschärfenden Flüchtlingskrise fordert SPD-Chef und Vize-Kanzler Sigmar Gabriel „ein neues Solidaritätsprojekt für unsere eigene Bevölkerung“.

    Sternberg: Es gibt doch keine Schlechterstellung der einheimischen Bevölkerung: Kein Cent an Sozialleistungen wird abgebaut durch die Flüchtlinge. Und natürlich wird man darauf achten, dass etwa bezahlbarer Wohnraum nicht durch Flüchtlinge verloren geht. Jetzt, kurz vor den Landtagswahlen in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt, der Bevölkerung Geld zu versprechen, damit sich diese mit der Flüchtlingspolitik zufriedengibt, das ist schon ziemlich durchsichtig.

    Sie sprechen hier auch als CDU-Landtagsabgeordneter aus Nordrhein-Westfalen. Ihre Parteifreundin, Kanzlerin Angela Merkel, wird als Gast auf dem Katholikentag erwartet. Was halten Sie von ihrer Politik der offenen Grenzen?

    Sternberg: Die Kanzlerin auf ihren Satz „Wir schaffen das“ zu reduzieren, halte ich für die gröbste Verfälschung des vergangenen halben Jahres – wenn man einmal sieht, was sich in dieser Zeit in der Flüchtlingspolitik alles verändert hat. Die Kanzlerin ist die Letzte, die die wirklich große Dimension des Flüchtlingsthemas bestreiten würde. Sie hat niemals gesagt: „Kommt mal alle rein.“

    Sie wird massiv kritisiert. Wie lange wird sie ihren Kurs fortsetzen können?

    Sternberg: Ich bewundere die klare Linie und Haltung der Kanzlerin. Sie hängt ihr Fähnchen nicht in den Wind. Ich glaube, das wird in Deutschland noch honoriert werden.

    Heute ist der EU-Türkei-Gipfel in Brüssel. Hängt von ihm Merkels Kanzlerschaft ab?

    Sternberg: Das sehe ich nicht so. Ihre Kanzlerschaft ist im Moment überhaupt nicht in Gefahr.

    Steht Europa auf der Kippe, weil sich die EU-Staaten nicht auf ein gemeinsames Vorgehen in der Flüchtlingskrise einigen können?

    Sternberg: Das ist mir zu theatralisch ausgedrückt. Wir haben eine sehr, sehr schwierige Situation, ja. Deshalb verlangt es jeden Einsatz, die europäischen Errungenschaften wie den Schengen-Raum zu bewahren.

    Thomas Sternberg ist seit etwas mehr als hundert Tagen Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), dem höchsten Gremium des Laien-Katholizismus. Der 63-Jährige lebt in Münster und ist Vater von fünf Kindern.

    Das Interview führte Daniel Wirsching.

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