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Interview: Bosbach: „Merkel kann auch mit CDU-Chef Merz Kanzlerin bleiben“

Interview

Bosbach: „Merkel kann auch mit CDU-Chef Merz Kanzlerin bleiben“

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    Wolfgang Bosbach gilt als Merkel-Kritiker. Dennoch hat er großen Respekt vor ihren Verdiensten.
    Wolfgang Bosbach gilt als Merkel-Kritiker. Dennoch hat er großen Respekt vor ihren Verdiensten. Foto: Rolf Vennenbernd, dpa

    Herr Bosbach, wer soll neuer CDU-Chef werden?

    Bosbach: Alle drei Kandidaten habe zweifellos die Eigenschaften, die man braucht, um die CDU erfolgreich zu führen. Aber ich traue es Friedrich Merz am ehesten zu, zwei wichtige Aufgaben zu erfüllen. Erstens: Wähler für die Union zurückzugewinnen, die sich abgewandt haben. Zweitens: Der CDU neue Zuversicht und neuen Optimismus zu vermitteln.

    Stimmen Sie zu, dass Merz für die CDU steht, wie sie vor Angela Merkel einmal war?

    Bosbach: Er steht für eine CDU der Mitte und für eine Partei, in der alle drei Wurzeln der Union in gleicher Weise gepflegt werden: die christlich-soziale, die liberale, aber eben auch die wertkonservative.

    Diese konservative Wurzel scheint Ihnen unter Merkel zu kurz gekommen zu sein…

    Bosbach: Also ich kenne niemanden, der ernsthaft behauptet, dass die Union in den letzten Jahren zu weit nach rechts gerückt wäre.

    Friedrich Merz und Jens Spahn wollen das konservative Profil der CDU wieder schärfen. Was bedeutet das?

    Bosbach: Die schönste Definition findet man im Brief des Apostels Paulus an die Thessalonicher: „Prüfet alles und behaltet das Beste.“ Konservativ zu sein, bedeutet nicht, gesellschaftlichen Wandel zu leugnen oder Fortschritt infrage zu stellen. Es bedeutet, dass das Neue nicht unbedingt besser sein muss als das Bewährte, nur weil es neu ist. Es ist gerade die Aufgabe der Volksparteien, unterschiedliche Meinungen zu bündeln.

    Sollte die Merkel-Vertraute Annegret Kramp-Karrenbauer bei der Wahl zum Parteivorsitz scheitern, ist sie dann auch als Generalsekretärin gescheitert?

    Bosbach: Nein, ganz eindeutig nicht. Ich kann mir sogar vorstellen, dass ein Parteivorsitzender Friedrich Merz ein Interesse daran haben könnte, Annegret Kramp-Karrenbauer im Amt der Generalsekretärin zu halten. Allein schon, um deutlich zu machen, dass wir beides brauchen: sowohl Kontinuität als auch neue politische Ziele.

    Kann Angela Merkel wirklich, wie geplant, bis zum Ende der Legislaturperiode Kanzlerin bleiben, wenn ihr Widersacher Friedrich Merz CDU-Vorsitzender wird?

    Bosbach: Ja, das kann sie. Beide Beteiligten wissen doch, dass die Union nur dann wieder in die Erfolgsspur zurückkehrt, wenn sie vertrauensvoll zusammenarbeiten. Sollten sie gegeneinander in Stellung gehen, würden am Ende beide verlieren – und die Union auch. Sie sind aufeinander angewiesen. Auch weil niemand ein Interesse daran haben kann, dass die Große Koalition vorzeitig scheitert.

    Was bleibt von der CDU-Vorsitzenden Angela Merkel?

    Bosbach: Man muss das Persönliche und das Politische trennen. Angela Merkel hat die CDU in einer ausgesprochen schwierigen Phase übernommen. Es gab nicht wenige, die uns den Weg in die politische Bedeutungslosigkeit prophezeit haben. Aber Angela Merkel hat die Partei zu alter Stärke zurückgeführt. Dafür, dass sie den Mut hatte, diese Verantwortung zu übernehmen, wird ihr die CDU sehr dankbar sein.

    Und das Persönliche?

    Bosbach: Ich habe Angela Merkel als ausgesprochen fleißig, unprätentiös und bodenständig kennengelernt.

    Trotzdem waren Sie oft nicht einverstanden mit Merkels Mitte-Kurs?

    Bosbach: Widerspruch! Es geht nicht um Rechts oder Links, sondern darum, dass die Union dort verankert ist, wo sie immer erfolgreich war. Und das ist die politische Mitte. Wir haben doch Wählerinnen und Wähler verloren, weil wir das politische Koordinatensystem verschoben haben. Die Hoffnung, durch die Übernahme von politischen Positionen anderer Parteien übernehmen wir auch deren Wähler, hat sich nicht erfüllt.

    Wenn ein 62-jähriger Friedrich Merz CDU-Chef werden kann – dann könnte doch auch ein 66-jähriger Wolfgang Bosbach noch mal über ein Comeback nachdenken, oder?

    Bosbach: (lacht) Eine schöne Frage! Nein, nein. Ich habe meine Pflicht getan. Und wer übrigens meint, dass Friedrich Merz mit seinen 62 Jahren zu alt wäre, um einen Neustart glaubwürdig zu vertreten, dem kann ich nur sagen: Ich kenne Friedrich Merz seit über 20 Jahren aus enger politischer Zusammenarbeit – der Mann hat mehr Temperament als mancher 30-Jährige.

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