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Internetzensur während Olympia: Menschenrechtler fordern Rücktritt von IOC-Chef Rogge

Internetzensur während Olympia

Menschenrechtler fordern Rücktritt von IOC-Chef Rogge

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    Die Kritik an IOC-Präsident Rogge wächst.
    Die Kritik an IOC-Präsident Rogge wächst.

    Peking (dpa) - Im Ringen um unzensierten Internet-Zugang während der Olympischen Spiele haben die obersten Hüter des Weltsports eine Niederlage kassiert.

    Ohnmächtig musste der Präsident des Internationalen Olympischen Komitees (IOC), Jacques Rogge, von seinem Versprechen eines "freien" Internet-Zugangs in Peking abrücken. Stattdessen bekommen die 25.000 Journalisten nur "größtmöglichen" Zugang - soweit ihn China zulässt. Rogge räumte indirekt eine gewisse Naivität im Umgang mit

    Nach der begrenzten Lockerung der Zensur, die jetzt Webseiten einiger Menschenrechtsgruppen freigibt, will das IOC auf die Aufhebung weiterer Sperren dringen. "Wir müssen die Situation verbessern", sagte Rogge der Deutschen Presse-Agentur dpa.

    Journalisten, Funktionäre und Politiker üben scharfe Kritik am "Wortbruch" des IOC und der Pekinger Olympia-Organisatoren.

    Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) spricht sich sogar für den Rücktritt des IOC-Präsidenten - wegen seines "katastrophalen Krisenmanagements und widersprüchlicher Informationspolitik".

    Außerdem fordern Gegner der Zensur, weitere Sperren aufzuheben. "Wir hoffen, dass es weitere Fortschritte gibt", sagte Thomas Bach, Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB), der dpa. "Nachkarten bringt nichts. Beide Seiten arbeiten lösungsorientiert und wollen gute Spiele organisieren", sagte der IOC-Vizepräsident. Es gehe darum, Meinungsverschiedenheiten auszuräumen. IOC-Pressekommissions-Chef Kevan Gosper erwartet nur eine teilweise Öffnung. Auf chinesischer Seite gebe es ein "beträchtliches Trauma" mit einigen Webseiten.

    Das Vorgehen der Olympia-Gastgeber löste Kopfschütteln aus. "Ich verstehe nicht, warum die chinesische Regierung mit der Begrenzung des Internet-Zugangs erneut weltweite Skepsis geweckt hat", sagte Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) dem Nachrichtenmagazin "Der Spiegel". In einem Telefonat mit Chinas Außenminister Yang Jiechi hat Steinmeier "dieses Unverständnis deutlich vorgetragen". Der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" (F.A.S.) sagte Steinmeier, im Interesse der Berichterstatter und der Sportler erwarte er vom IOC, "auf die Einhaltung der chinesischen Zusagen zu achten".

    Auf seiner ersten Pressekonferenz in Peking lehnte es Rogge ab, sich für eine Irreführung der Medien zu entschuldigen, wie es Gosper getan hatte, der nach eigenen Angaben von der Zensur überrascht worden war. "Ich entschuldige mich nicht für etwas, wofür wir nicht verantwortlich sind", sagte Rogge. "Die Chinesen betreiben das Internet." Er räumte aber ein, dass das IOC möglicherweise etwas naiv gewesen sei. "Wir sind Idealisten", sagte Rogge. "Idealismus ist etwas, das mit Naivität verbunden ist."

    Führende deutsche Zeitungen und Fernsehsender kritisierten die Zensur und andere Beschränkungen bei der Arbeit. ZDF-Chefredakteur Nikolaus Brender sagte der F.A.S., die Organisatoren hätten die Zusage nicht eingehalten, den ausländischen Journalisten die Arbeitsmöglichkeiten zu geben, die sie in anderen Ländern mit Pressefreiheit auch haben. Der Vorsitzende des Herausgebergremiums der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung", Berthold Kohler, nannte es nicht hinnehmbar, dass Peking die Berichterstattung auch während der Spiele zu kontrollieren und zu beschränken versuche.

    Obwohl das IOC und insbesondere Rogge immer ein "unzensiertes" Internet versprochen hatten, will der IOC-Präsident aber schon 2001 bei der Vergabe der Spiele an Peking nur "größtmöglichen Zugang" gefordert haben. "Sie haben gesagt, dass sie es tun werden", sagte Rogge. Die Frage, was ein akzeptabler, "größtmöglicher" Internet- Zugang sei, ließ Rogge unbeantwortet. Auch der Koordinierungschef des IOC für die Spiele, Hein Verbruggen, räumte ein, China habe nie "vollständig freien", sondern nur "ausreichenden" Zugang garantiert.

    Vermutungen von Gosper, dass es eine geheime Übereinkunft über den Internet-Zugang gegeben habe, wies Rogge entschieden zurück. "Es hat absolut keinen Deal gegeben, keine Vereinbarung mit den Chinesen." Nach Bekanntwerden der Sperren habe sich das IOC vielmehr sofort mit BOCOG zusammengesetzt. Rogge zeigte sich zufrieden, dass daraufhin Portale wie etwa des britischen Senders BBC, das Online-Lexikon Wikipedia oder Seiten von Nicht- Regierungsorganisationen freigeschaltet worden sind.

    Während auch Amnesty International erreichbar war, ist die Seite der US-Menschenrechtsgruppe Human Rights in China (HRiC) weiter blockiert. Der US-Sender Radio Free Asia (RFA) konnte erreicht werden, nicht aber die Katholische Nachrichtenagentur Asianews, die sich mit Chinas Untergrund-Kirche befasst. Die Seiten der exiltibetischen Regierung sowie tibetischer Aktionsgruppen im Ausland, die über das Vorgehen chinesischer Sicherheitskräfte in Tibet informieren, waren ebenfalls weiter blockiert.

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