Seit zweieinhalb Jahren ist die linksradikale Internet-Plattform "Linksunten.Indymedia" verboten. An diesem Mittwoch (ab 10.00 Uhr) verhandelt das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig darüber, ob das Vereinsverbot durch das Bundesinnenministerium Bestand haben wird (Az.: BVerwG 6 A 1.19 bis BVerwG 6 A 5.19). Ob ein Urteil im Laufe des Tages fällt, war noch unklar. Eine Demonstration gegen das Verbot war am Samstag in Leipzig eskaliert. Vermummte warfen Steine auf die Polizei und bedrohten auch Reporter. Am Mittwoch ist wieder eine Kundgebung vor dem Gericht angekündigt.
Das Verfahren: Das oberste deutsche Verwaltungsgericht muss überprüfen, ob das Vereinsverbot durch das Bundesinnenministerium rechtens ist. Das Ministerium hatte das Verbot im August 2017 nach Krawallen am Rande des G20-Gipfels in Hamburg erlassen. "Linksunten.Indymedia" sei die bedeutendste Plattform für gewaltbereite Linksextremisten in Deutschland gewesen, hieß zur Begründung. Dort seien vielfach Gewaltaufrufe veröffentlicht worden. Die mutmaßlichen Betreiber des Portals haben geklagt.
Der Verein: "Linksunten.Indymedia" war kein e.V. - also kein Verein im üblichen Sinne. Das Bundesministerium stufte das Betreiberteam aus Freiburg aber als Vereinigung im Sinne des Vereinsgesetzes ein. Demnach gelten als Vereine auch alle Vereinigungen von Personen, die sich zu einem gemeinsamen Zweck freiwillig zusammengeschlossen haben.
Das Verbot: Vereine können dann verboten werden, wenn ihre Zwecke oder Tätigkeiten den Strafgesetzen zuwider laufen oder wenn sie sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richten. Zuständig sind für die Verbote die Länderbehörden oder, bei bundesweit tätigen Vereinen, das Bundesinnenministerium.
Die Argumente der Kläger: Angela Furmaniak vertritt drei der Kläger. Hauptziel sei, das Vereinsverbot anzufechten, sagt die Anwältin. Sie wertet die Internetplattform als Telemedium und Bürgerjournalismus. Dafür müsse der Rundfunkstaatsvertrag gelten - nicht das Vereinsrecht. Dann müssten die jeweiligen Aufsichtsbehörden in den Ländern im Fall von Rechtsverstößen einzelne Angebote untersagen oder sie sperren - nicht das Nachrichtenportal als Ganzes dürfe ohne Weiteres verboten werden. "Mit dem Verbot wird das Grundrecht der Presse- und Meinungsfreiheit tangiert", sagt Furmaniak.
Knackpunkte vor Gericht: Zunächst muss der Senat klären, ob die fünf Freiburger überhaupt klagebefugt sind. Das ist nämlich nur die Vereinigung selbst - die Kläger bestreiten aber, Teil eines Vereins oder einer Vereinigung zu sein. Grund dafür sind parallel laufende Strafverfahren gegen die Kläger. Würden sich die mutmaßlichen Vereinsmitglieder als solche bekennen, bestünde laut Anwältin Furmaniak die Gefahr, deswegen strafrechtlich verfolgt zu werden. Erkennt das Gericht die Klagebefugnis an, muss es entscheiden, ob das Vereinsverbot rechtens war.
Pro und Contra Verbot: Das Verbot ist nicht unumstritten. Kritiker wie die Organisation Reporter ohne Grenzen werten es als Angriff auf die Pressefreiheit, weil die Seite - trotz extremistischer Gewaltaufrufe - auch ein journalistisches Online-Portal gewesen sei. Dass das Ministerium durch die "juristische Hintertür" des Vereinsrechts die komplette Plattform mit allen legalen Inhalten verboten habe, sei völlig unverhältnismäßig gewesen, erklärt Sprecher Christoph Dreyer. Dagegen sagt die Gewerkschaft der Polizei (GdP), "Linksunten.Indymedia" sei in Teilen "eine Online-Litfaßsäule für pure Hassbotschaften und abscheuliche Drohungen gegen polizeiliche Einsatzkräfte". Abschaltung und Verbot 2017 seien richtig gewesen.
Indymedia und Linksunten: "Indymedia.org" ist nach wie vor im Internet aktiv. "Linksunten.Indymedia" hatte sich 2009 abgespalten. Weil das neue Portal ursprünglich für den Südwesten Deutschlands gedacht war, nannte es sich mit Bezug auf eine Karte "Linksunten". Vor wenigen Tagen tauchte ein Archiv der verbotenen Plattform wieder im Netz auf. (dpa)
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