Es will einfach nicht laufen. Zweieinhalb Monate vor der Landtagswahl sieht sich die sonst so angriffslustige CSU zunehmend in einer ungewohnten Rolle: in der Defensive. Nun versucht die Partei, mit einer für sie eher unkonventionellen Aktion, die Stimmung zu drehen. Eine Internet-Kampagne soll die Solidarität nach innen und außen stärken. Unter dem Hashtag #ichbinCSU erklären Mitglieder und Funktionäre auf Facebook ihre Treue zur Partei.
Eine weiß-blaue Bauchbinde mit diesem Bekenntnis ziert die Profile jener, die der Partei emotional den Rücken stärken wollen. Seehofer-Sprecher Jürgen Fischer hat sie in sein Profilbild integriert, Staatsministerin Michaela Kaniber hat sie und tausende andere auch. Auf ihrem Facebook-Auftritt hat die CSU eine Collage aus mehr als 50 Fotos gesammelt und mit einem "löwenstark" gelobt. Es ist der Versuch eines Befreiungsschlages – und kann doch nach hinten losgehen.
Denn Aufmerksamkeit zieht vor allem die Verballhornung der Aktion auf sich. Auf Twitter machen sich Nutzer lustig über das doch eigentlich so empathische CSU-Bekenntnis. Der Ärger, den die CSU an der Basis und auf der Straße erlebt, setzt sich also im Netz fort.
Und das ist nach Meinung von Experten wenig überraschend. "Die Kampagne wirkt sehr bemüht und sehr verzweifelt", erklärt der Social-Media-Experte Felix Beilharz. Der Hashtag #teamCSU hätte womöglich noch funktioniert. Anders sehe es bei einem Schlagwort aus, das viele mit dem Terror von Paris verbinden: #jesuischarlie (Ich bin Charlie) wurde 2015 weltweit genutzt, um der Trauer um die getöteten Satiriker der Zeitschrift Charlie Hebdo ein Symbol zu geben. Ausgerechnet an diesen Hashtag lehnt sich die CSU an. "#ichbinCSU wird dadurch als geschmacklos oder zumindest als unbedacht empfunden", sagt Beilharz.
Dabei bieten die sozialen Medien den Parteien eigentlich eine gute Plattform, um sich selbst zu präsentieren. Die AfD etwa hat längst erkannt, dass das Netz für ihre Anhängerschaft das perfekte Medium ist, um ungefiltert möglichst plakative Botschaften zu senden. Zwar lernen auch die traditionellen Parteien inzwischen den Umgang mit sozialen Medien, doch Aktionen wie die der CSU zeigen, dass der Lernprozess noch längst nicht abgeschlossen ist. Beilharz drückt es diplomatisch aus: "Da ist noch Luft nach oben." So können Kampagnen wie #ichbinCSU hochriskant werden, denn die Nutzer durchschauen das Vorgehen meist schnell.
"Nervosität passt so gar nicht zum Markenkern der CSU", sagt Michael Paul, Marketing- und Kommunikationsforscher am Lehrstuhl für Value Based Marketing an der Uni Augsburg. "Die Partei war immer so ein Fels in der Brandung und das ist es, was irritiert." Normalerweise würde man in einer Krise versuchen, Ruhe walten zu lassen. Der Universitätsprofessor ist sich sicher: "Die Marke CSU hat ernsthafte Kratzer bekommen."
Kritik an der Kampagne #ichbinCSU
In der Markenforschung kennt man das Phänomen unter dem Namen Janus-Effekt: Durch Zuspitzung kann eine Marke Unterstützer an sich binden – aber zugleich auch "brand hater" erzeugen, also Menschen, die die Marke stark ablehnen, ja geradezu hassen. Wie das aussehen kann, sieht die CSU auf Twitter: "#IchbinCSU – denn ich lege die Bundesregierung aus rassistischen Gründen wochenlang lahm, freue mich über zerstörte Schicksale geflüchteter Menschen und zerstöre gerne die EU. Als harmlosen Vorgeschmack habe ich mir vor Jahren die völlig sinnbefreite Ausländermaut ausgedacht", schreibt ein User mit Nutzernamen Kartoffelsalat. Nutzer Andreas Schrank kommentiert: "#ichbinCSU – weil mir christliche Werte wie Nächstenliebe, Fürsorge, wichtig sind, ebenso der wertkonservative Schutz der Natur und die Unterstützung von Familien… Moment … dann bin ich ja gar nicht CSU… sowas aber auch."
Hat die Partei also ihr eigentlich so ausgeprägtes Gefühl für den Wähler verloren? Zumindest vorübergehend. "Es wird für die CSU sehr schwer werden, bis zum Wahltag von ihrem querulatorischen Ruf wegzukommen", erklärt der Politikwissenschaftler Werner Weidenfeld. "In ihrer Hektik packt die Partei an der falschen Kante an." Sein Rat, um den Zustimmungsverfall aufzuhalten: Statt mit oberflächlichen Aktionen solle die CSU besser ein Zukunfts- und Gesellschaftsmodell entwerfen, das die Bindung ihrer Wählerschaft wieder festigen könnte. Davon sei man in der Parteizentrale in München weit entfernt: Im Moment gelte die CSU in Teilen der Bevölkerung als Konflikt- und Querulantenpartei. "Die CSU erlebt derzeit eine Art Deutungsdefizit", sagt Weidenfeld. Er warnt: "Hektische Aktionsversuche wie nun auf Facebook werden stets nur eine entsprechende Gegenreaktion auslösen." Zwar müsse auch eine Traditionspartei in den digitalen Dialog mit ihren Wählern treten – doch das gelinge eben nicht mit "Oberflächendiskussionen".
CSU sieht "fantastischen Erfolg" in Partei-Kampagne
In der CSU selbst ärgert man sich über Kritik an der Kampagne und fühlt sich durch die eigenen Mitglieder bestärkt. 5600 Mal wurde das #ichbinCSU-Banner bereits von der CSU-Seite heruntergeladen, man geht davon aus, dass sogar weit mehr User den Hashtag nutzen, weil er auch auf Facebook geteilt werde. "Das ist für uns ein fantastischer Erfolg, gerade weil diese Aktion von der Basis kommt", sagt CSU-Sprecher Jürgen Fischer. Denn erfunden wurde die Kampagne keineswegs von geschulten Strategen, sondern sei von der Anhängerschaft angestoßen worden. Die habe ein Bedürfnis, ein Gegengewicht zur kritischen Diskussion zu bilden. Auch die Analogie zu #jesuischarlie stört Fischer nicht. "Ich vermag das Problem nicht zu erkennen."
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