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Coronavirus: Infektionen und Unterbezahlung: Wie Klinikpfleger unter Corona leiden

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Infektionen und Unterbezahlung: Wie Klinikpfleger unter Corona leiden

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    Die Zahl der vom Robert-Koch-Institut gezählten Corona-Infektionen bei Beschäftigten im Gesundheitsbereich ist in den vergangenen zwei Wochen um 54 Prozent gestiegen.
    Die Zahl der vom Robert-Koch-Institut gezählten Corona-Infektionen bei Beschäftigten im Gesundheitsbereich ist in den vergangenen zwei Wochen um 54 Prozent gestiegen. Foto: Marcel Kusch, dpa

    Für die Pflegekräfte und Ärzte ist es Schwerstarbeit, die Corona-Patienten auf den hochgesicherten Covid-19-Stationen zu versorgen: „Wenn man den gelb-durchsichtigen Schutzkittel aus Plastik überzieht, schwitzt man schon nach zehn Minuten wie in der Sauna“, sagt eine Pflegefachkraft. „Nach vier Stunden ist man da komplett durchgeschwitzt.“

    Die körperliche Belastung machen weniger die FFP-2-Masken, Plastikvisiere oder der atmungsaktive Kopfschutz, sondern die Folie der Spezialanzüge aus: „Die normalen grünen Schutzkittel sind angenehm zu tragen, aber der hermetisch abgeschlossene Infektionsschutzanzug darüber erschwert die Arbeit extrem.“

    Fast 10.000 Berufstätige im deutschen Gesundheitswesen haben sich mit dem Coronavirus infiziert

    Wie wichtig aber der Schutz der Pflegekräfte und Ärzte ist, zeigen aktuelle Zahlen des Robert-Koch-Instituts, die in der Öffentlichkeit bisher wenig Beachtung finden: 10.101 Berufstätige im deutschen Gesundheitswesen haben sich mit dem Coronavirus infiziert. Über 400 sind davon so schwer erkrankt, dass sie derzeit selbst als Patienten im Krankenhaus behandelt werden müssen, 16 Covid-Infizierte im Gesundheitssystem sind inzwischen gestorben.

    Es handelt sich dabei um Mindestzahlen, denn nur elf der 16 Bundesländer erfassen und melden die Zahlen. Und genaue Daten, ob es sich dabei um Ärzte, Pfleger oder andere Mitarbeiter handelt, haben weder die Landesgesundheitsämter noch das Robert-Koch-Institut. Bekannt ist etwa der Fall eines 68-jährigen Hausarztes aus Baden-Baden, der sich mutmaßlich bei einem Patienten angesteckt hatte.

    In Italien, Großbritannien und Frankreich starben insgesamt mehrere hundert Ärzte und Pfleger am Coronavirus, vor allem aus Kliniken. Auch in Deutschland ist die Zahl der vom Robert-Koch-Institut gezählten Infektionen im Gesundheitsbereich in den vergangenen zwei Wochen um 33 Prozent gestiegen. Die Zahl der Todesfälle hat sich seit Mitte April verdoppelt. Ein Indiz, dass unter den 9885 Infizierten viele Krankenpfleger sein dürften, ist, dass der Anteil der Frauen mit 72 Prozent besonders hoch ist. Das Durchschnittsalter ist 41 Jahre.

    Opposition fordert mehr Schutz

    Inzwischen fordert die Opposition mehr Schutz, nicht nur durch Ausrüstung für das Krankenhauspersonal. Die stellvertretende Fraktionschefin der Linken, Susanne Ferschl, fordert eine Verkürzung der Arbeitszeit für das Pflegepersonal und beruft sich dabei auf erstaunliche Erfahrungen, die Mediziner beim Ausbruch der Pandemie in Wuhan gesammelt haben.

    Wie der Bayreuther Medizinprofessor und langjährige Ethikrat Eckhard Nagel erklärt, sanken in Wuhan sowohl die Infektionsraten bei Ärzten und Pflegern als auch die Sterberaten bei den Corona-Patienten, als die Schichten auf sechs Stunden verkürzt wurden „Die Arbeit in Spezialoveralls, Schutzmasken mit Handschuhen und Überschuhen ist enorm anstrengend“, sagt Nagel, der viele Jahre Chefarzt der Transplantationsmedizin am Augsburger Klinikum war.

    Studie: Sechs-Stunden-Schichten in der Corona-Behandlung am besten

    Nagel pflegt seit Jahren enge Verbindungen nach China und ist seit 2018 einer der beiden Präsidenten des chinesisch-deutschen Freundschaftskrankenhauses in Wuhan. „Als man wegen der anstrengenden Arbeit die Schichten auf sechs Stunden verkürzte, hat man einen doppelten Effekt festgestellt: Bei den Patienten sank die Sterblichkeitsrate, weil man sie besser behandeln kann, und als Zweites haben sich deutlich weniger Klinikmitarbeiter mit Covid-19 in der Arbeit angesteckt“, berichtet er. Inzwischen sei durch Studien festgehalten, dass Sechs-Stunden-Schichten in der Corona-Behandlung am besten seien.

    „Das ist ein interessantes Ergebnis“, betont Nagel. „Aus dieser Erfahrung mit den Arbeitszeiten sollten wir auch für die Zukunft in der Versorgung von Schwerstkranken, etwa bei Transplantationen, Schlaganfällen und Herzinfarkten, lernen“, sagt der Chef des Bayreuther Universitäts-Instituts für Medizinmanagement.

    „Ob kürzere Schichten in der Normalversorgung auch einen Vorteil hinsichtlich der Gesundheitsgefährdung am Arbeitsplatz und für das Wohl der Patienten haben, sollte man untersuchen“, fordert Nagel. Allerdings könnte der Pflege- und auch Ärztemangel einen Strich durch die Rechnung machen.

    Linken-Politikerin Ferschl: "Kürzere Arbeitszeiten im Gesundheitswesen retten Leben"

    Linken-Politikerin Ferschl dringt dagegen auf rasche Konsequenzen: „Kürzere Arbeitszeiten im Gesundheitswesen retten Leben und schützen die Gesundheit von Beschäftigten und Patienten“, fordert sie – also zuerst eine sofortige Rücknahme der Corona-Arbeitszeitverordnung, die sogar Arbeitstage bis zu zwölf Stunden Arbeitstage zulässt.

    Es gebe im Pflegebereich bis zu „400.000 Beschäftigte, die ihren Job hierzulande aufgrund der katastrophalen Arbeits- und Entlohnungssituation aufgegeben haben“, betont Ferschl. Und: „Aufwertung der Pflegeberufe heißt konkret: Sechs-Stunden-Schichten, allgemein verbindliche Tariflöhne und ein Gesundheitswesen in öffentlicher Hand“, sagt die Linken-Bundestagsabgeordnete aus Kaufbeuren.

    Tatsächlich ist der Unmut unter den deutschen Krankenschwestern und Krankenpflegern riesig: „Wenn wir das Wort Alltagshelden hören, kriegen wir alle einen dicken Hals“, sagt eine Intensiv-Pflegekraft am Augsburger Uniklinikum. „Bei unserem Gehalt muss man jeden Cent umdrehen, damit man bis zum Monatsende über die Runden kommt.“

    "Im ganzen Haus herrscht bei uns eine miese Stimmung"

    Die Krankenpflegebeschäftigten fühlen sich von der Gesellschaft im Wert ihrer Arbeit nicht anerkannt: „Kaum jemand weiß, dass wir für Samstagsarbeit 60 Cent und am Sonntag nicht mal zehn Euro Zuschlag bekommen – nicht für die Stunde, sondern für den ganzen Tag“, erzählt die Pflegekraft. Da lacht uns jeder in der Metallindustrie aus.“ Selbst der jüngst von der Staatsregierung versprochene Pflegebonus von 500 Euro komme in Wirklichkeit beim Pflegepersonal des Uniklinikums bislang nicht an.

    Als Pflegemitarbeiter die entsprechende Arbeitgeberbescheinigung auf der Internetseite des bayerischen Gesundheitsministeriums herunterluden und zum Abstempeln an die Personalabteilung schickten, hätten sie die mit Vermerk zurückbekommen, dass eine Bearbeitung nicht möglich sei, da die Kriterien für den Bonus nicht gesichert seien, berichten Betroffene unserer Redaktion. „Man verweigert uns die Unterschriften, weil man eine einheitliche Regelung haben möchte.“ Manche wüssten gar nicht, dass sie den Bonus selber beantragen müssen.

    „Wir haben alle die Befürchtung, dass das Ganze bis zum 31. Mai im Sande verläuft und das Geld verloren ist“, sagt die Intensiv-Pflegekraft. „Im ganzen Haus herrscht bei uns eine miese Stimmung. 500 Euro haben oder nicht haben ist für Pflegekräfte eine Riesensumme.“

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