Dürre, Waldbrandgefahr, Kreislaufprobleme: Der Sommer in Deutschland zeigt seit Wochen Schattenseiten - und in Zukunft müssen wir uns auf noch viel mehr Hitzetage und tropische Nächte einstellen. Davon sind Klimaexperten überzeugt.
"Es wird weiterhin schöne und schlechte Sommer geben, aber die extremen Sommer werden häufiger auftreten", sagt Daniela Jacob, Direktorin am Climate Service Center in Hamburg. Das Institut ist eine Einrichtung des Helmholtz-Zentrums Geesthacht in Schleswig-Holstein. Zukünftige Klimaszenarien zeigen laut Jacob: Ob beim Städtebau oder in der Landwirtschaft - überall brauche es Anpassung an das Extremwetter. "Wir müssen heute handeln", betont die Professorin.
Bereits zur Mitte des Jahrhunderts wird es nach Worten von Jacob in Deutschland mehr Hitze- und Dürreperioden sowie Starkregen und heftigere Stürme geben. "Aber zum Ende des Jahrhunderts wird es sich noch viel deutlicher zeigen, ob wir Klimaschutz betrieben haben oder nicht", erklärt sie. Das Klima reagiere sehr langsam. "Heute eingeleitete globale Klimaschutzmaßnahmen greifen erst ab Mitte des Jahrhunderts." Veränderungen bis 2050 seien nur noch wenig zu beeinflussen.
Für die Zeit 2050 bis 2100 aber sind laut Jacob noch gravierende Unterschiede bei der Erwärmung möglich - abhängig vom Klimaschutz. Das zeige sehr anschaulich die Zahl der Hitzetage, die die Temperaturen auf mehr als 30 Grad steigen lassen: Zum Ende dieses Jahrhunderts sind es den Modellen zufolge im Schnitt in Deutschland lediglich drei Hitzetage mehr als im Vergleichszeitraum 100 Jahre zuvor, wenn das Ziel des Pariser Klimaabkommens - die Erderwärmung auf unter zwei Grad zu begrenzen - wirklich geschafft wird.
Wenn aber wie bisher Treibhausgase in die Atmosphäre entlassen werden, das sogenannte Weiter-wie-bisher-Szenario, dann sind es schon zwölf Hitzetage mehr. Die Jahresmittel-Temperatur würde dabei um etwa 3,7 Grad steigen.
"Das bedeutet, extreme Sommer wie 2003 oder wie wahrscheinlich auch dieser können dann ein mittlerer Sommer werden", sagt Peter Hoffmann, Meteorologe vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung. Es werde eine Verschiebung geben: "Das zukünftige Berlin wird nach unseren Berechnungen 2050 das gegenwärtige Freiburg sein." Die Temperaturen in Freiburg wiederum könnten dann mediterran werden. Was oberflächlich betrachtet vielleicht nett klingt, bringt viele Probleme mit sich. "Je wärmer es zukünftig im Sommer wird, umso mehr müssen wir auch kühlen. Dabei verbrauchen wir mehr Energie, das wird richtig teuer werden", sagt etwa der Sprecher des Deutschen Wetterdienstes, Gerhard Lux, in Offenbach.
Auch Ernteausfälle, Fischsterben, niedrige Wasserstände in den Flüssen und schlechter Schlaf gehören zu den Folgen von Hitze und Trockenheit - die ja auch jetzt schon spürbar sind. "Alle haben außerdem nur 30 Tage Urlaub, wenn nicht sogar weniger", sagt Hoffmann. "Man muss auch bei solchen Extrembedingungen seine tägliche Arbeit leisten, das hat natürlich auch Auswirkungen auf die Produktivität."
Die Klimaveränderungen zeigen sich nach Angaben von Jacob auch im Winter: Sie werden milder und feuchter, die Zahl der Frosttage geht zurück. "18 Tage weniger, wenn wir Klimaschutz betreiben und wenn wir so weitermachen wie bisher, sind es über 55 Tage weniger", erklärt Jacob. "Wir brauchen den Frost aber für die Vegetation." Das Climate Service Center berät Politiker und Unternehmen zur Anpassung an den Klimawandel. Es untersucht Änderungen des Klimas auf Basis regionaler Simulationen der vom Bund finanzierten Initiative namens ReKliEs-De.
Was muss heute konkret getan werden, um sich auf diese Änderungen einzustellen? "In einem gewissen Rahmen können wir uns in Deutschland anpassen, aber es wird wehtun", meint Lux. In den Großstädten gibt es laut Jacob einen Konflikt: Verdichtung spare zwar Energie, sei aber ein Problem für die wichtige Anpassung an die Hitzeperioden. "Dafür müsste man Lüftungskorridore schaffen und viel Grün in die Städte bringen", sagt die Wissenschaftlerin.
Der Einsatz von Materialien sollte überdacht werden. "Ich weiß, dass es einige Regionen in Europa gibt, die wieder an die Lehmbauweise denken, weil das einfach Feuchtigkeit und Kühle speichert", erklärt Jacob. Beim Hausbau solle man in den kommenden Jahren weniger auf Glasfassaden setzen. "Klimaanlagen überall einzubauen, ist keine Alternative, weil sie zu viel Energie verbrauchen." Das ganze Kanalsystem in den Städten müsse auf mehr Starkregen angepasst werden. In der Landwirtschaft laufe derzeit die Diskussion über hitze- und trockenstressresistente Sorten.
Aufhalten lässt sich die Klimaveränderung nach Expertenangaben nicht mehr, nur noch mit Schutzmaßnahmen eindämmen. "Wir können das Rad nicht mehr zurückdrehen", sagt Lux. "Aber wir können verhindern, dass es bis Ende des Jahrhunderts noch schlimmer wird." (dpa)