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Immunität aufgehoben: Erdogan will Kurden in der Türkei das Mandat im Parlament entziehen

Immunität aufgehoben

Erdogan will Kurden in der Türkei das Mandat im Parlament entziehen

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    Emotionen im Parlament der Türkei: Die Immunität von Abgeordneten wurde aufgehoben.
    Emotionen im Parlament der Türkei: Die Immunität von Abgeordneten wurde aufgehoben. Foto: Stinger (dpa)

    Seit Monaten toben in der Türkei heftige Kämpfe zwischen den Sicherheitskräften und den kurdischen PKK-Rebellen, es gibt Anschläge und Überfälle – „doch das war noch nichts im Vergleich zu dem, was jetzt kommen könnte“, sagte am Freitag der Staatsrechtler und Kurdenpolitiker Mithat Sancar.

    Weil das türkische Parlament mit großer Mehrheit die Immunität von Abgeordneten aufgehoben hat, wird der Kurdenkonflikt noch einmal eskalieren, erwarten Sancar und andere. „Wir werden wieder Dinge wie in den 90er Jahren sehen, vielleicht noch schlimmere“, sagt Sancar. Damals hatte der Kurdenkonflikt mit außergerichtlichen Hinrichtungen, der Zerstörung mehrerer tausend kurdischer Dörfer und blutigen Anschlägen der PKK seinen bisherigen Höhepunkt erreicht.

    Immunität aufgehoben: Erdogan will Kurden Mandat entziehen

    Mit Genugtuung reagierte dagegen Präsident Recep Tayyip Erdogan auf die Abstimmung im Parlament, die auf Initiative seiner Regierungspartei AKP angesetzt worden war. Erdogan sprach von einem historischen Tag. „Meine Nation will keine straffälligen Abgeordneten im Parlament sehen“, sagte er. Erdogan meinte damit jene mehrere Dutzend Fraktionskollegen von Sancar in der HDP, die sich jetzt darauf einrichten müssen, vor Gericht gestellt zu werden. In den meisten Fällen wird ihnen die Unterstützung einer terroristischen Vereinigung vorgeworfen, weil sie die Ziele der PKK propagiert haben sollen. „Stellt sie vor

    Die Verfassungsänderung soll die Strafverfolgung von insgesamt 138 Abgeordneten aller Parteien ermöglichen. Allerdings ist keine Fraktion so betroffen wie die pro-kurdische HDP: 50 ihrer 59 Mitglieder sollen vor Gericht gestellt werden. Bei einer letztinstanzlichen Verurteilung würden sie ihr Mandat verlieren. „In der Türkei gibt es keine unabhängige Justiz“, sagte HDP-Chef Selahattin Demirtas. „Es gibt nichts, was Erdogan und die Justiz daran hindern könnte, uns ins Gefängnis zu werfen.“ Dass die in weiten Teilen regierungshörige Justiz gegen die ebenfalls betroffenen 27 AKP-Abgeordneten vorgeht, erwartet indes niemand.

    Kurden könnten in der Türkei Mandat verlieren

    In der Abstimmung wurde die AKP von der Nationalistenpartei MHP unterstützt. Aber auch mindestens 20 Abgeordnete der links-säkularistischen Oppositionspartei CHP müssen in geheimer Abstimmung für den AKP-Vorschlag votiert haben. Dieses Verhalten löste wütende Kritik im Lager der Regierungsgegner aus. Der HDP-Politiker Idris Baluken warf der CHP vor, mit dem Votum vom Freitag auch die Präsidialpläne Erdogans unterstützt zu haben. In einem ersten Schritt will die HDP nun Verfassungsklage gegen den nach ihrer Ansicht rechtswidrigen Parlamentsbeschluss einlegen, braucht dafür aber die Unterschrift von mindestens 100 Abgeordneten. Derzeit ist unklar, ob genügend Politiker ihre kurdischen Kollegen unterstützen.

    Auch international wurde die Entscheidung des türkischen Parlaments heftig kritisiert. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) will mit Erdogan am Montag in Istanbul über die Flüchtlingskrise und die Folgen der Immunitätsaufhebung sprechen. Regierungssprecher Steffen Seibert sagte am Freitag: „Grundsätzlich erfüllt uns die zunehmende innenpolitische Polarisierung in der Türkei mit Sorge.“ (mit dpa, afp)

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