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Kommentar: Horst Seehofer wird noch gebraucht

Kommentar

Horst Seehofer wird noch gebraucht

Rudi Wais
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    Horst Seehofer hat in Berlin gut verhandelt.
    Horst Seehofer hat in Berlin gut verhandelt. Foto: Andreas Gebert, dpa (Archiv)

    In der Welt der Demoskopie ist Horst Seehofer schon ein Auslaufmodell – mäßig bis schlecht die Popularitätswerte, noch geringer das Zutrauen in seine Fähigkeiten als Innenminister. Das politische Berlin aber erlebt gerade einen ungewöhnlich agilen CSU-Vorsitzenden. Dass seine Partei plötzlich vier Mitglieder am Kabinettstisch sitzen hat anstatt der erwarteten drei, ist nicht nur die ungewöhnlichste Volte auf dem Weg zu einer Neuauflage der Großen Koalition. Der kleine Coup zeigt auch, dass Seehofer noch kein König ohne Land ist, sondern durchaus noch etwas durchzusetzen vermag: Anstatt den Allgäuer Gerd Müller dem Frauen- und Jugend-Proporz zu opfern und dafür die Unterfränkin Dorothee Bär zu befördern, schafft er kurzerhand Platz für beide.

    Nun allerdings, da der Parteichef Seehofer alle Posten und Pöstchen klug verteilt hat, muss auch der Minister Seehofer liefern. Eine konsequente Steuerung und Begrenzung der Zuwanderung auszuhandeln, ist das eine – sie später durch die parlamentarischen Instanzen zu bringen das andere. Die SPD interpretiert die Härtefallregelung beim Familiennachzug deutlich großzügiger, die Kanzlerin lässt die Dinge wie so oft im Ungefähren, gleichzeitig aber rückt die Landtagswahl in Bayern immer näher, die nicht nur für den neuen Ministerpräsidenten Markus Söder eine Schicksalswahl ist, sondern auch für Horst Seehofer selbst.

    Bis dahin muss sein Gesetzespaket stehen, wenn es sich für die CSU auszahlen soll. Andernfalls wird die Versuchung bei Söder groß sein, Wahlkampf gegen das vermeintlich untätige Berlin zu führen – also auch gegen den eigenen Parteichef.

    Seehofer fühlt sich von der Landtags-CSU demontiert

    So zufrieden in der CSU im Moment alle sind, weil im Koalitionspoker mit Ausnahme des glücklosen Agrarministers Christian Schmidt niemand zu kurz gekommen ist, so fragil ist der Burgfriede zwischen München und Berlin noch. Seehofer fühlt sich von der Landtags-CSU demontiert und macht aus seiner Verbitterung darüber keinen Hehl mehr – auf der anderen Seite aber können sie in München auch jetzt noch nicht ohne ihn.

    Söders Versuche, sich als nahbarer neuer Landesvater zu profilieren, haben zweifelsohne ihre atmosphärische Wirkung. Nach der quälend langen Hängepartie zur Bildung einer neuen Bundesregierung aber dürften viele Wähler die CSU nun vor allem daran messen, was sie politisch tatsächlich durchsetzt.

    Seehofer hat das erkannt, drückt entsprechend aufs Tempo, kann sich seiner Sache aber keineswegs sicher sein. Mit einer verwässerten Regelung beim Familiennachzug, zum Beispiel, können Angela Merkel und Andrea Nahles gut leben, der CSU dagegen würde sie bei der Landtagswahl vermutlich als Zeichen von Schwäche ausgelegt.

    Seehofer muss sich als Innenminister profilieren

    In den Umfragen steht die Partei zwar wieder etwas besser da, insgesamt aber ist die politische Stimmung noch zu fragil, um das schon als Trend zu deuten. Umso wichtiger werden die nächsten Monate für die CSU: Gelingt es Seehofer, sich in Wort und Tat als Innenminister zu profilieren, der konsequent auf Sicherheit und Ordnung achtet? Sind Dorothee Bär und Andreas Scheuer neben ihm und dem erfahrenen Entwicklungsminister Müller tatsächlich eine Bereicherung für die neue Regierung?

    Obwohl die Christsozialen bei der Bundestagswahl kräftig Federn gelassen haben, stehen sie in der neuen Koalition formal besser da als in der alten: Sie haben das langweilige Landwirtschaftsressort gegen ein Superministerium für Inneres, Bauen und Heimat getauscht und im großen Finale noch eine Staatsministerin für Digitales herausgeschlagen. Nun gilt für Seehofer, was Günther Jauch einst in einem Werbespot für Beton behauptete: Es kommt drauf an, was man draus macht.

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