Die Bilder beeindrucken: Zehntausende legen das Regierungsviertel in Hongkong lahm und verhindern eine Parlamentsdebatte über das umstrittene Auslieferungsgesetz. Dieses Gesetz soll ermöglichen, echte oder vermeintliche Straftäter auf Verlangen der Volksrepublik China auszuliefern. Dort lässt die autoritäre Führung ihre Kritiker auch gerne mal willkürlich einsperren.
So große Proteste gab es in Hongkong lange nicht mehr
Seit der Übergabe Hongkongs an die Volksrepublik vor 22 Jahren haben in der Siebenmillionen-Metropole nicht mehr so viele Menschen demonstriert wie in diesen Tagen. Und anders als bei den großen Regenschirmprotesten von 2014, als schon mal Hunderttausende für echte freie Wahlen in Hongkong demonstrierten, sind es in diesen Tagen in der Mehrheit nicht nur Schüler, Studenten und Lehrkräfte, die auf die Straßen strömen. Anwälte mobilisieren ebenso wie Geschäftstreibende, Gewerkschaften, Beamte und Wirtschaftsverbände. Das sind bemerkenswerte politische Signale der Zivilgesellschaft. Sie beweisen, dass der demokratische Geist in der Bevölkerung ungebrochen ist.
Trotzdem dürfte der Protest keine Chance auf Erfolg haben. Schlimmer noch: Hongkongs Demokratie insgesamt steht vor dem Aus. Dabei war das Versprechen einmal ein völlig anderes. „Ein Land, zwei Systeme“ hatte die chinesische Führung den Bürgern Hongkongs versprochen, als Großbritannien 1997 seine ehemalige Kronkolonie an China zurückgab. Für 50 Jahre sollten die Hongkonger die gleichen Rechte behalten dürfen, die sie unter britischer Administration gewohnt waren. Dazu gehören auch Wahlen, freie Meinungsäußerung, Versammlungsfreiheit und eine unabhängige Justiz. All das ist auf dem chinesischen Festland sehr viel eingeschränkter oder gar nicht vorhanden.
Damals schien sich Peking daran halten zu wollen. Die chinesische Führung zeigte Interesse, nicht zuletzt auch von westlich beeinflussten Demokratien lernen zu wollen. Groß war die Hoffnung, das kleine Hongkong könnte die Volksrepublik positiv beeinflussen.
China geht hart gegen Kritiker vor
Das Gegenteil ist nun der Fall. Die autoritäre KP-Führung in Peking sitzt fester im Sattel denn je. Sie geht rabiat gegen Kritiker vor, sie setzt wieder auf maoistische Ideologien, kontrolliert und zensiert die sozialen Medien – und tritt auch außenpolitisch immer aggressiver auf, etwa wenn es um den Territorialstreit im Südchinesischen Meer geht. Unverhohlen kündigt Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping auch die „Rückkehr“ der vorgelagerten demokratisch regierten Inselrepublik Taiwan an. Eine Einmischung in die Innenpolitik von Hongkong ist aus Pekinger Sicht inzwischen eine Selbstverständlichkeit.
Die Wirtschaft der Finanzmetropole ist schon lange abhängig vom Festland. Doch inzwischen ist auch die Abhängigkeit vieler anderer Länder, insbesondere aber der Deutschen, von China groß. Kaum ein Land der westlichen Staatengemeinschaft hält es mehr für nötig, Kritik an Menschenrechtsverletzungen in China zu üben. Für die USA unter Donald Trump hat das Thema gar keine Bedeutung. Bei den Deutschen überwiegen die Wirtschaftsinteressen; hat Deutschland in den letzten Jahren doch kräftig an Chinas Aufstieg verdient. Die Bundesregierung setzt sich allenfalls noch für einzelne Dissidenten ein. Frankreich ist vor allem an den kaufkräftigen chinesischen Touristen interessiert. Großbritannien, eigentlich Garant für die Einhaltung des völkerrechtlichen Vertrags von 1997, ist nur noch mit sich selbst beschäftigt. Eine Million protestierender Menschen auf Hongkongs Straßen stellen daher für die Machthaber in Peking allenfalls eine Irritation dar.
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