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Hintergrund: Wie industrienah darf Politik sein?

Hintergrund

Wie industrienah darf Politik sein?

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    CSU-Verkehrsminister Alexander Dobrindt in einem VW Golf auf der Automesse: zahllose Akten komplett geschwärzt.
    CSU-Verkehrsminister Alexander Dobrindt in einem VW Golf auf der Automesse: zahllose Akten komplett geschwärzt. Foto: Hendrik Schmidt, dpa

    Die Abgeordneten zeigen Muskeln und nehmen die Bundesregierung in die Mangel. Gleich drei amtierende Bundesminister mussten am Donnerstag vor dem Untersuchungsausschuss des Bundestags zur VW-Abgasaffäre als Zeugen aussagen und sich den kritischen Fragen der Parlamentarier stellen – neben SPD-Umweltministerin Barbara Hendricks auch SPD-Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel und CDU-Kanzleramtsminister Peter Altmaier, die früher ebenfalls Umweltminister waren. Doch damit nicht genug. Im kommenden Jahr soll neben CSU-Verkehrsminister Alexander Dobrindt auch Bundeskanzlerin Angela Merkel befragt werden.

    Im Zentrum steht dabei die Frage, ob die Bundesregierung schon frühzeitig von den Manipulationen an der Software bei den gesetzlich vorgeschriebenen Abgasuntersuchungen wusste und bewusst ihre schützende Hand über die deutsche Autoindustrie hielt, von der in Deutschland direkt und indirekt Millionen Arbeitsplätze abhängen. Nach Angaben des stellvertretenden Vorsitzenden des Untersuchungsausschusses, des Grünen Oliver Krischer, verdichten sich die Hinweise, „dass das Kanzleramt und Bundeskanzlerin Merkel mit dem Thema Stickoxide schon weit früher beschäftigt waren als 2015“.

    Das würde bedeuten, dass die Regierungschefin schon vor Bekanntwerden des Skandals wusste, dass die Autokonzerne mit einer illegalen Manipulationssoftware den Ausstoß von Stickoxiden im Testbetrieb deutlich senken und somit auch die Käufer täuschen würden.

    Grüne und Linke sehen mehr als genug Indizien

    Sowohl Gabriel als auch Hendricks und Altmaier wiesen am Donnerstag diesen Vorwurf zurück, von einer Schonung der Autoindustrie durch die Politik könne keine Rede sein. Von den Manipulationen bei VW habe er erstmals über Pressemitteilungen in Zusammenhang mit dem Bekanntwerden des Skandals im September 2015 erfahren, sagte Gabriel vor dem Ausschuss. Unmittelbar danach habe er in Gesprächen mit dem VW-Konzern eine Klärung der Vorwürfe angemahnt und sich für eine schnelle Einführung neuer Testverfahren auf EU-Ebene eingesetzt.

    Vor allem die Oppositionsparteien im Bundestag wollen den Untersuchungsausschuss nutzen, um auf die engen Verbindungen zwischen der Automobilindustrie und der Bundesregierung hinzuweisen und der Frage nachzugehen, wie industriefreundlich die Politik ist.

    Indizien für diesen Befund gibt es aus Sicht von Grünen und Linken mehr als genug: So ist der frühere CDU-Politiker Matthias Wissmann, der von 1993 bis 1998 unter Helmut Kohl Verkehrsminister war, seit 2007 Präsident des Verbandes der Automobilindustrie, der Chef-Lobbyist der Daimler AG, Eckart von Klaeden, war von 2009 bis 2013 Staatsminister im Kanzleramt unter Angela Merkel.

    Und das war für die Industrie kein Nachteil: So hatte sich schon in der Vergangenheit Kanzlerin Merkel ganz im Sinne der deutschen Automobilindustrie in Brüssel dafür starkgemacht, dass die geplanten strengen Vorgaben für den Ausstoß von Kohlendioxid deutlich entschärft wurden.

    Geschwärzte Akten

    Nach einem Bericht des Magazins Stern setzte sich Wirtschaftsminister Gabriel auch noch nach Bekanntwerden des Abgasskandals in Brüssel für die deutschen Hersteller mit überhöhten Abgaswerten ein, unter anderem profitierten die deutschen Marken VW, BMW, Ford und Opel von der Unterstützung durch den Wirtschaftsminister. Wie Dokumente belegen würden, machten dabei nicht nur der Verband der Automobilindustrie, sondern auch die IG Metall und die Konzernbetriebsräte Druck, indem sie vor dem Verlust von Arbeitsplätzen in den deutschen Werken warnten. Nach einem Telefonat von Kanzlerin Merkel mit EU-Kommissionspräsident Juncker, so die Darstellung des Stern, sei der Weg für einen Kompromiss im Interesse der deutschen Kfz-Industrie frei gewesen.

    Gleichzeitig werfen Grüne und Linke CSU-Verkehrsminister Dobrindt vor, die Arbeit des Untersuchungsausschusses gezielt zu behindern. Rund 800 Akten hat der Ausschuss bislang vom Ministerium bekommen, doch rund 400 sind als „vertraulich“ eingestuft, das heißt, die Abgeordneten dürfen sie nur in der Geheimschutzstelle des Bundestags einsehen – und zahllose Akten sind komplett geschwärzt.

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