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Hintergrund: Wer rettet Frankreich vor Marine Le Pen?

Hintergrund

Wer rettet Frankreich vor Marine Le Pen?

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    Am Donnerstagabend trafen Alain Juppé (links) und Nicolas Sarkozy (rechts) in einer Fernsehdebatte aller republikanischen Bewerber um die Präsidentschaftskandidatur aufeinander.
    Am Donnerstagabend trafen Alain Juppé (links) und Nicolas Sarkozy (rechts) in einer Fernsehdebatte aller republikanischen Bewerber um die Präsidentschaftskandidatur aufeinander. Foto: Martin Bureau, afp

    Und wenn sie wirklich gewinnt? Die bange Frage geistert seit Monaten durch alle Gespräche darüber, wer wohl die französische Präsidentschaftswahl im Frühjahr 2017 für sich entscheidet. Ja, wohin würde Frankreich steuern mit einer rechtsextremen Präsidentin Marine Le Pen, die vor allem Immigration und Terrorbekämpfung thematisiert, aber kaum Vorschläge zur Reformierung des Landes bringt?

    Sie selbst gibt sich siegesgewiss und bürgernah. Ihr Vater Jean-Marie Le Pen, mit dem die Chefin des von ihm gegründeten Front National (FN) inzwischen gebrochen hat, äußert hingegen Zweifel: „Sie macht einen Fehler, indem sie mehr in der politischen Mitte erscheinen will, als sie es wirklich ist.“

    Le Pen verpackt harte Thesen in weiche Worte

    Dem 88-Jährigen passt die Strategie der „Entteufelung“ nicht, mit der seine Tochter die Partei neuen Wählerschichten öffnet. Die ausländer- und muslimfeindlichen Thesen verpackt sie in weichere Worte, radikal rechtes Auftreten und Nazi-Symbole werden verboten, während der ideologische Kern bleibt.

    Die Stärke der 48-Jährigen ist unbestritten. Das setzt die anderen unter Druck, hindert aber jene, die an der Macht sind oder waren, trotzdem nicht daran, erneut anzutreten. Noch hat sich Präsident François Hollande nicht erklärt. Aber viel deutet darauf hin, dass er, der unbeliebteste Präsident der Fünften Republik, weiterhin daran glaubt, seine Wähler zurückgewinnen zu können. „Ich bin bereit“, zitiert ihn das Magazin Le Nouvel Observateur.

    Hollande ist auch im eigenen Lager umstritten

    Da Hollande auch im eigenen Lager sehr umstritten ist, gilt er nicht als natürlicher Kandidat der Sozialisten und muss sich im Januar einer Vorwahl stellen. Sein früherer Wirtschaftsminister Emmanuel Macron will sich daran nicht beteiligen. Noch hat er seine Absichten nicht erklärt, doch mit der Gründung seiner eigenen politischen Strömung „En marche!“ („In Bewegung!“), dem Austritt aus dem Kabinett und einer unverhohlenen Kritik an seinem früheren Mentor Hollande scheint dies eine Frage der Zeit zu sein. Der 38-Jährige kommt in den Medien gut an, könnte auf seinen Bonus als unverbrauchter Politik-Neuling setzen und auf die Sehnsucht vieler Franzosen nach einem Retter in der Not.

    Unterstützung bekommt er von Daniel Cohn-Bendit. Macron könne einen „Albtraum“ verhindern, sagt der frühere deutsch-französische EU-Parlamentarier: ein Duell Sarkozy – Le Pen im zweiten Wahlgang. Es würde eine hohe Enthaltung nach sich ziehen – und sehr wahrscheinlich den Triumph Nicolas Sarkozys. Darauf arbeitet der Ex-Präsident jedenfalls hin, der seine Wahlniederlage 2012 gegen Hollande nie verdaut hat und trotz seines Versprechens, der Politik den Rücken zu kehren, schnell zurückgekehrt ist. „Frankreich braucht mich und meine Energie“, sagte er. Dabei hat er in seiner Partei zu viele Gegner, um ein unumstrittener Präsidentschaftskandidat zu werden.

    Erbarmungslose Konkurrenz unter den Republikanern

    Stattdessen organisieren auch die konservativen Republikaner im November Vorwahlen, die das Ergebnis der Präsidentschaftswahl vorwegnehmen könnten. Denn wenn Le Pen zwar in die Stichwahl, aber nicht weiter kommt und die Sozialisten bereits aus dem Rennen sind, wird der republikanische Kandidat der nächste Staatschef sein. Danach sieht es zumindest heute aus. Umso erbarmungsloser ist die Konkurrenz unter den Republikanern. Sieben Bewerber treten gegeneinander an, darunter Sarkozys früherer Regierungschef François Fillon sowie seine Ex-Minister Bruno Le Maire und Nathalie Kosciusko-Morizet.

    Allerdings zeichnet sich ein Duell zwischen Sarkozy und Ex-Premierminister Alain Juppé ab, der in den Umfragen klar vorne liegt und den Vorsprung zuletzt sogar noch ausbauen konnte. Mit seiner moderaten Haltung erhält der 71-Jährige Sympathien über das bürgerlich-rechte Lager hinaus.

    Sarkozy schlägt scharfe Richtung ein

    Sarkozy wiederum ist als energiegeladener Wahlkämpfer bekannt und gefürchtet, schlägt aber eine derart scharfe Richtung ein, dass selbst Jean-Marie Le Pen sagt, der Ex-Präsident „jean-marienisiere“ sich – eine Wortschöpfung, die Sarkozys Rechtswende illustriert. Wirtschaftlich unterscheiden sich die Programme kaum: Alle Republikaner kündigen Steuersenkungen an, eine Liberalisierung des Arbeitsmarktes, aber nicht unbedingt einen strikten Defizit-Abbau.

    Allerdings werden Inhalte wohl nicht den Ausschlag geben, sondern das Image der Kandidaten. Die Entscheidung dürfte zwischen Alain Juppé, der für Kontinuität steht, und Sarkozy fallen, dessen schriller werdende Töne nicht nur Assoziationen mit Jean-Marie Le Pen wecken: Sie lassen auch eine „Trumpisierung“ des französischen Wahlkampfes erwarten.

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