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Hintergrund: Wer gewinnt den Kandidatenpoker bei den Grünen?

Hintergrund

Wer gewinnt den Kandidatenpoker bei den Grünen?

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    Parteitag der Grünen: Ein Ballon der die Erdkugel darstellen soll  mit der Aufschrift "Es gibt keinen Planet B."
    Parteitag der Grünen: Ein Ballon der die Erdkugel darstellen soll mit der Aufschrift "Es gibt keinen Planet B." Foto: Sebastian Willnow, dpa

    Für Grüne, die Karriere machen wollen, ist die Wahl vor der Wahl die größte Hürde. Die Partei, die immer etwas anders sein will als andere, betrachtet ihre Vorsitzenden nicht als natürliche Spitzenkandidaten – sie lässt ihre 60000 Mitglieder in einer Urwahl entscheiden, wer sie in den Bundestagswahlkampf führt. Beim Parteitag am Wochenende in Halle waren die Ambitionen des grünen Spitzenpersonals offiziell zwar noch kein Thema. Getratscht und spekuliert allerdings wurde am Wochenende kräftig. Gesucht werden: ein Mann und eine Frau, die jeweils einen der beiden Flügel repräsentieren. In Frage kommen dafür, Stand heute:

    Cem Özdemir

    Dass er Spitzenkandidat werden will, gilt als sicher. Fragen, wann er das auch offiziell erkläre, weicht der 49-Jährige jedoch aus. Alles zu seiner Zeit, sagt er dann, und dass keiner seinen Ehrgeiz unterschätzen solle. Gemessen an den Ergebnissen seiner Konkurrenten sind die knapp 77 Prozent, mit denen er im Amt bestätigt wurde, ein solides Fundament, auf dem er eine Kandidatur aufbauen kann. Den Linken in seiner Partei allerdings mutet Özdemir einiges zu, wenn er einen Einsatz der Bundeswehr im Kampf gegen den islamistischen Terror für möglich hält und das Bild der Grünen von der Religion korrigiert, in die er als anatolischer Schwabe hineingeboren wurde. Er könne es nicht mehr hören, tobte Özdemir, wenn es nach Anschlägen wie in Paris heiße, dies alles habe mit dem Islam nichts zu tun.

    Simone Peter

    Die Nachfolgerin von Partei-Ikone Claudia Roth tut sich nach wie vor schwer. Özdemir ist präsenter, er setzt die Themen, er ist der bessere Redner – und wenn die 49-Jährige wie zum Auftakt des Parteitages einen für ihre Verhältnisse geradezu fulminanten Auftritt hinlegt, tritt eine Stunde später ihr Mitvorsitzender ans Pult und toppt diese Rede noch. Eigentlich müsste auch die frühere Umweltministerin aus dem Saarland ihren Hut in den Ring werfen, nachdem der linke Flügel zwar große Bataillone an der grünen Basis stehen hat, aber nur wenig aussichtsreiche Aspiranten für die Spitzenkandidatur. Im Flurfunk der Partei gehen jedoch die meisten Grünen davon aus, dass Simone Peter nicht antritt. Die mageren 68 Prozent, mit denen sie wiedergewählt wurde, sind vielleicht noch kein Misstrauensbeweis, auf jeden Fall aber ein Ausdruck anhaltender Unzufriedenheit.

    Anton Hofreiter

    Der Fraktionsvorsitzende hat bereits angekündigt, dass er es wissen will. Ein Linker wie sein Vorgänger Jürgen Trittin, der auch für ein rot-rot-grünes Bündnis zu haben wäre und mit den Jahren ein feines Netz an Kontakten in die beiden anderen Lager gesponnen hat. In Halle war der 45-Jährige, wenn man so will, der Mann fürs Grobe, der die CSU als „feige und schräg“ attackiert und für den Fall einer grünen Regierungsbeteiligung eine harte Auseinandersetzung mit den Autokonzernen verspricht. Aber ist der promovierte Biologe mit seiner rustikalen, wenig telegenen Art der richtige Mann für einen Wahlkampf, in dem es nicht zuletzt auf mediale Präsenz ankommt? In einem Brief an die Partei begründet er seine Bewerbung so: „Ich will meinen Einsatz für eine bessere Welt auch im

    Katrin Göring-Eckardt

    Sie war schon Spitzenkandidatin – neben Trittin. Damals setzte sich die Fraktionschefin unerwartet klar gegen Claudia Roth und die frühere Agrarministerin Renate Künast durch. Von der Parteilinken lange Zeit für ihre Rolle als Mit-Architektin der rot-grünen Sozialreformen geschmäht, hat sie sich mit der Zeit geschickt aus der Ecke der Pragmatiker nach links bewegt. Wo ein Oberrealo wie Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann vor einer Überforderung durch hunderttausende von Flüchtlingen warnt, hält die 49-Jährige heute im schönsten Merkel-Sound dagegen: „Wir schaffen das.“ Tritt Parteichefin Peter nicht an, ist sie als Spitzenkandidatin gesetzt.

    Robert Habeck

    Der große Unbekannte. Schon Anfang des Jahres hat der Umweltminister aus Schleswig-Holstein angekündigt, sich um die Spitzenkandidatur zu bewerben. Der promovierte Philosoph, Vater von vier Kindern und von Beruf Schriftsteller, ist kein grüner Karrierist, sondern ein Seiteneinsteiger, der nur einen Nachteil hat: Man kennt ihn kaum. Über sich selbst sagt der 46-Jährige, er denke nicht in den üblichen Flügelkategorien, von den meisten seiner Parteifreunde aber wird er eher dem Realo-Lager zugeordnet. Sein Auftritt in Halle, wo er den Asylkompromiss von Bund und Ländern mit weiteren sicheren Herkunftsstaaten verteidigte, bestätigte diesen Eindruck: Er sehe sich deshalb nicht als Verräter der grünen Ideologie, wehrte sich Habeck. Wenn diese Haltung aber zu einer linken Politik gehöre, „dann hab ich da keinen Bock drauf“. Mit 65,3 Prozent erhielt er bei den Wahlen zum sogenannten Parteirat, dem Machtzentrum der Partei, allerdings ein deutlich schlechteres Ergebnis als sein Konkurrent Hofreiter mit 72,2 Prozent.

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