Augsburg Nein, es fehlt nicht an drastischen Warnungen über den Klimawandel, und doch gehen die Verhandlungen auf dem 17. UN-Klimagipfel, der heute endet, nur in Trippelschritten voran. Die Staaten taktieren und verzögern. Damit verhalten sie sich im südafrikanischen Durban kaum anders als zuvor in Bali, Kopenhagen oder Cancún. Warum nur ist es so schwer, das Klima zu schützen?
Das Kernproblem ist Forschern gut bekannt. Es besteht darin, dass das Klima ein Gut ist, das allen Menschen gehört – und damit praktisch keinem. Der Atmosphäre geht es damit wie Fischbeständen, sauberen Flüssen oder dem Regenwald. Die Ressourcen sind schnell ausgebeutet, aber schwer zu schützen. Der amerikanische Ökologe Garrett Hardin hat dieses Problem im Jahr 1968 in seinem Essay „The Tragedy of the Commons“ („Die Tragik der Allmende“) beschrieben.
„Man stelle sich eine Weide vor, die allen offensteht...“, schreibt Hardin. Grün, fett, mit Gras und Kräutern bewachsen. Es gibt diese Gemeinschaftswiesen – oder Allmenden – noch heute, beispielsweise in der Schweiz. Die Wiese nutzen alle Bauern im Umfeld zusammen. Sie treiben ihre Tiere darauf und lassen sie weiden. Das kann über Jahrhunderte gut funktionieren, sagt Hardin, da Kriege und Krankheiten die Zahl der Tiere und die der Menschen kleinhalten – bis eines Tages das System aus dem Gleichgewicht gerät.
Denn ein Landwirt – ein sehr kluger und rationaler Mensch – kann eines Tages versucht sein, ein zusätzliches Rind auf die Weide zu treiben; damit steigt sein Gewinn. Das Rind frisst zwar mehr Gras und beansprucht die Weide stärker, aber dies ist bei einem Tier zu vernachlässigen. Das Problem ist, dass es nicht dabei bleibt: Was hält den Bauern davon ab, nicht nur ein, sondern auch ein zweites Rind auf die Weide zu treiben? Und ein drittes? Die anderen Bauern werden nicht zuschauen, sondern es ebenso halten. Das Ergebnis ist desaströs: Irgendwann ist die Wiese überweidet. Das Gras wächst nicht mehr. „Die Freiheit der Allmende bringt allen Ruin“, schreibt Hardin. Trittbrettfahren nennt man dieses eigennützige Verhalten, das auf Kosten der Gemeinschaft geht.
Sicher wäre es gut, jeder Bauer würde sich Schranken auferlegen und weniger Rinder auf die Weide treiben. Wer aber sichert ihm zu, dass die anderen ebenso denken? Vor allem, wenn die Gemeindewiese schwer einsehbar ist? Angesichts dieser Unsicherheit ist es für den Landwirt rational, auf keinen Fall als Erster die Zahl der Tiere zu senken.
Das Klima ähnelt dieser Weide, die allen gehört: Die Atmosphäre schluckt die Emissionen aus Kaminen und Auspuffen. Bis zu einem gewissen Grad geht das gut. Je mehr Kraftwerke, Fabriken und Autos aber CO2 ausstoßen, desto stärker wird die Lufthülle beansprucht – bis das Klima aus den Fugen gerät.
Sicher, ein Staat hat die Möglichkeit, freiwillig das Klima zu schützen. Wer garantiert ihm dann aber, dass die anderen Staaten es ebenso tun? Und nicht statt dessen den erfolgreichen Klimaschutz einer Staatengruppe nutzen, um selbst noch mehr CO2 auszustoßen? Wegen dieser Unsicherheit ist es für jedes Land rational, sich mit Zugeständnissen zurückzuhalten. Genau das ist bisher in Durban zu beobachten.
Ist die Lage aussichtslos? Nicht unbedingt. Die US-Politikwissenschaftlerin Elinor Ostrom hat herausgefunden, dass sich Gemeindewiesen durchaus nachhaltig bewirtschaften lassen: durch Regeln, entstehendes Vertrauen, aber auch Überwachung und Strafen. 2009 erhielt Elinor Ostrom dafür als erste Frau den Nobelpreis für Wirtschaft. Entscheidungen sind schwierig, aber nicht ausgeschlossen.
Es besteht noch Hoffnung für das Klima. Michael Kerler