Die Werbekampagne mit dem Konterfei von Olaf Scholz läuft bereits. Dabei hat seine Partei, die SPD, den Bundesfinanzminister noch nicht einmal zum Kanzlerkandidaten bestimmt. Vorerst ist es nur die Bekleidungskette C&A, die Scholz, offenbar ungefragt, zu Reklamezwecken heranzieht. Um die durch die Corona-Krise massiv getrübte Kauflaune der Deutschen wieder zu steigern, hatte Scholz eine Mehrwertsteuersenkung verkündet, der Textilhändler gibt eigene Rabatte obendrauf, so die Botschaft an den Kleiderständern.
Dass die SPD schon bald auf riesigen Plakaten für Scholz als Bundeskanzler werben wird, gilt in seiner Partei inzwischen als praktisch sicher. Noch aber steht der 62-Jährige vor einer ganz entscheidenden Hürde – einer Hürde, an der er schon einmal gescheitert ist. Gemäß den Statuten der SPD hat die Parteispitze das Recht, den Kanzlerkandidaten zu nominieren.
Scholz wäre bereits 2017 gerne angetreten
Bereits bei der letzten Bundestagswahl wäre der damalige Hamburger Bürgermeister wohl gern angetreten. Doch Sigmar Gabriel, seinerzeit SPD-Chef, gab in einer einsamen Entscheidung, die bis heute viele nicht verstehen, dem weithin unbekannten Europapolitiker Martin Schulz den Vorzug. Der führte die SPD 2017 dann zum schlechtesten Ergebnis aller Zeiten bei einer Bundestagswahl, mageren 20,5 Prozent. In der Folge stürzte die älteste Partei Deutschlands in eine Sinn- und Existenzkrise und vollzog einen Linksruck.
Der gipfelte in der Wahl von Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans zur Doppelspitze. Das Duo hatte einen ausgeprägten Anti-Scholz-Wahlkampf geführt: Der Finanzminister stehe für einen verfehlten Kurs der Mitte, für die Politik der „schwarzen Null“, die verhasste Große Koalition mit der Union – und irgendwie auch für die Sozialreformen von Gerhard Schröder, dem letzten SPD-Kanzler. Damit war das linke Gespann erfolgreich.
Scholz, der zusammen mit der Brandenburgerin Klara Geywitz selbst kandidiert hatte, war von der eigenen Partei gedemütigt. Eine Zeit lang sah es so aus, als würde er die Lust an der Politik verlieren. Doch dann konzentrierte er sich wieder voll auf seine Ämter als Bundesfinanzminister und Vizekanzler, ganz so, als sei nichts gewesen. Mit der Corona-Krise begann sich das Blatt zu wenden. Scholz packte rhetorisch die „Bazooka“ aus und ballerte mit vielen Milliarden Euro gegen die Folgen der Pandemie an. Er schnürte ein Konjunkturpaket, das mächtig „Wumms“ entfalten soll, und profilierte sich als zupackender Krisenmanager. In Umfragen zählt der gebürtige Osnabrücker regelmäßig zu den beliebtesten deutschen Politikern überhaupt – weit vor allen anderen SPD-Genossen.
SPD-Duo "Eskabo" immer öfters uneins
Dagegen ist die anfängliche Begeisterung für das neue Spitzenduo selbst im linken Spektrum deutlich geschrumpft. Denn die Partei dümpelt in Umfragen bei unter 16 Prozent. Noch immer agieren Esken und Walter-Borjans weitgehend losgelöst von Bundestagsfraktion und den SPD-Ministern im Kabinett. In den Gesprächen in der Großen Koalition über das Corona-Konjunkturpaket setzte sich die SPD-Spitze mit ihrer Ablehnung staatlicher Kaufanreize auch für Autos mit Verbrennungsmotor durch.
Was einen traditionellen Verbündeten auf die Palme brachte: Die IG Metall schäumte vor Wut. Und obwohl vom Spitzenduo intern als „Eskabo“ die Rede ist – der Begriff ist eine Kombination des Namens Esken und der Abkürzung „Nowabo“ für Norbert Walter-Borjans – bilden beide offenbar alles andere als eine Einheit. Eskens Alleingänge, oft über Twitter, treiben Walter-Borjans regelmäßig zur Verzweiflung, heißt es. Dass Esken jüngst den deutschen Sicherheitskräften praktisch pauschal „latenten Rassismus“ unterstellte, stieß vielen Sozialdemokraten sauer auf.
Die erklärte Anti-Scholz-Parteispitze muss nun einen gesichtswahrenden Weg finden, ausgerechnet Scholz doch zum Kanzlerkandidaten zu küren. Und zwar zügig, eine späte Nominierung wie im Falle Schulz will man nicht mehr riskieren. Parteistrategen drängen darauf, dass die Entscheidung am besten schon Ende August fallen soll.
Der Druck auf „Eskabo“ wächst dabei von allen Seiten. Selbst im linken Lager wird Scholz nun auffallend oft gelobt, hat er doch die „schwarze Null“ längst beerdigt. Gegen die Corona-Gefahr macht er Schulden in Rekordhöhe. Das gefällt sogar Juso-Chef Kevin Kühnert, einst ein erbitterter Scholz-Gegner. Inzwischen Mitglied des Bundesvorstands, darf er auch formell mitreden. Dass Esken oder Walter-Borjans selbst ihren Hut in den Ring werfen und nach der Kanzlerschaft greifen könnten, gilt als nahezu ausgeschlossen angesichts der unterirdischen Umfragewerte der beiden. Dem Vernehmen nach haben sie verzweifelt nach einer Scholz-Alternative gesucht, doch ohne Erfolg.
Keiner will SPD-Kanzlerkandidat werden - bis auf Scholz
Als der eher brave Fraktionschef Rolf Mützenich vor einigen Wochen kurz als möglicher Kandidat gehandelt wurde, blieben die Reaktionen äußerst verhalten. Andere prominente Genossen wie Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil stehen für das Abenteuer Kanzlerkandidatur nicht zur Verfügung. Sogar bei DGB-Chef Reiner Hoffman soll die SPD-Spitze angeklopft haben, vergeblich. Hochrangige Genossen sind sich deshalb sicher: Es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis Esken und Walter-Borjans ihren Widerwillen überwinden und Olaf Scholz auf den Schild heben.
Der Wahlforscher Matthias Jung glaubt indes, dass es sich die SPD sparen kann, überhaupt einen eigenen Kanzlerkandidaten aufzustellen. Die Leistungen der Bundesregierung würden vor allem mit der Kanzlerin in Verbindung gebracht, Scholz habe zwar gute Imagewerte, doch das reiche kaum für „eine kraftvolle Mobilisierung“ der eigenen Anhänger, sagte der Chef der Mannheimer Forschungsgruppe Wahlen. Die Parteibasis habe den Minister bei der Mitgliederentscheidung ja „fast demütigend“ abgestraft. „Wie sollen dann Leistungen von Scholz der SPD zugutekommen, wenn die ihn für ungeeignet hält, die SPD zu vertreten?“, fragt sich Jung.
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