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Hintergrund: Sieben Tage Frieden für Afghanistan: Hält die Ruhe noch länger?

Hintergrund

Sieben Tage Frieden für Afghanistan: Hält die Ruhe noch länger?

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    Ein US-Soldat patrouilliert in der afghanischen Provinz Wardak. Die Amerikaner wollen ihre Truppenstärke im Land deutlich reduzieren und verhandeln deshalb aktuell mit den Taliban.
    Ein US-Soldat patrouilliert in der afghanischen Provinz Wardak. Die Amerikaner wollen ihre Truppenstärke im Land deutlich reduzieren und verhandeln deshalb aktuell mit den Taliban. Foto: Getty Images

    Für Jens Stoltenberg ist die Sache klar: „Irgendwann müssen die Afghanen selbst für ihre Zukunft verantwortlich sein“, sagt der Generalsekretär der Nato. Seit fast 19 Jahren ist das Militärbündnis am Hindukusch, es ist der längste Krieg in der Geschichte der

    Noch Ende Februar soll ein Abkommen unterzeichnet werden. Der Vertrag beinhaltet auch, dass langfristig alle internationalen Truppen Afghanistan verlassen – ein Wunsch, der den Westen schon lange umtreibt. Denn die Hoffnung, im Land noch einen wirklichen politischen Wandel erzielen zu können, ist praktisch erloschen. Die Taliban würden ihrerseits sicherstellen, dass von Afghanistan aus kein anderes Land angegriffen werde. Zudem sollen nach der Unterzeichnung eines USA-Taliban-Abkommens 5000 Kämpfer aus der Gefangenschaft entlassen werden. Insider sprechen davon, dass es wohl auch um finanzielle Unterstützung für die

    Für eine Woche soll die Gewalt reduziert werden

    In den vergangenen Tagen bestätigte die US-Regierung, dass mit den Taliban ein „Vorschlag“ für eine siebentägige Reduzierung der Gewalt ausgehandelt worden sei. Eine spürbare Verringerung der Gewalt war zuletzt eine der Bedingungen Washingtons für die Unterzeichnung des Abkommens. Die Reduzierung wird als Test angesehen, ob die Taliban ihre Reihen kontrollieren können. Gelingt dieser Test, soll das Abkommen unterzeichnet werden. Angaben dazu, wann die Phase der Reduzierung der Gewalt beginnen soll, machten die Taliban nicht. Seit Juli 2018 sprechen die USA mit den Aufständischen über eine politische Lösung des Konflikts. Nach einem Abbruch der Gespräche im September war Washington im Dezember mit der Forderung einer einmonatigen Waffenruhe in die jüngste Verhandlungsrunde gegangen. Wenig später wurde diese auf eine „Reduzierung der Gewalt“ heruntergeschraubt.

    Doch viele Afghanen sind skeptisch. Und seit Montag gibt es dafür einen weiteren Grund. Denn nachdem die Wahlkommission vier Monate nach der Präsidentschaftswahl den amtierenden Präsidenten Aschraf Ghani zum Sieger erklärt hat, droht ein neuer Machtkampf: Ghanis wichtigster Herausforderer, Abdullah Abdullah, spricht von Wahlmanipulation und hat die Aufstellung einer Gegenregierung angekündigt. So könnte es zu einer ernsten Konfrontation zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt kommen.

    Amtsinhaber Aschraf Ghani hat die Präsidentschaftswahlen gewonnen, doch sein Gegenspieler Abdullah Abdullah fühlt sich betrogen.   
    Amtsinhaber Aschraf Ghani hat die Präsidentschaftswahlen gewonnen, doch sein Gegenspieler Abdullah Abdullah fühlt sich betrogen.    Foto: Rahmat Gul, dpa

    Afghanen bemängeln, dass nur mit den Taliban verhandelt wurde

    „Wir alle wollen Frieden“, schrieb Tamim Asei von der Kabuler Denkfabrik Institute of War and Peace Studies auf Twitter. Man solle aber nicht ein Abkommen begrüßen, das ausschließlich mit den Taliban ausgehandelt worden sei. Der frühere Parlamentarier Amanullah Paiman aus der nordöstlichen Provinz Badachschan fragte, ob Gewaltreduzierung bedeute, dass keine Menschen in Kabul getötet würden, aber Menschen in Badachschan weiterhin. In der Tat ist es mehr als unklar, welche Folgen der Deal – Kritiker sprechen von einem „Basar-Handel“ – zwischen den Taliban und den USA hat. Andere Bevölkerungsgruppen und politische Kräfte sind von den Gesprächen ebenso ausgeschlossen wie die afghanische Regierung in

    Ein wirklicher politischer Prozess in Richtung Frieden aber setzt genau das Voraus. Experten bezweifeln deshalb, ob der amerikanische Lösungsansatz wirklich nachhaltig und tragfähig ist. Im Nachhinein, so die Befürchtung, sei es deutlich schwieriger, die Akteure an einen Tisch zu bringen und ihnen eine vorgefertigte Lösung zu präsentieren. Und auch die Nachbarländer gelten als Unsicherheitsfaktor. In Afghanistan reden längst auch Pakistan, der Iran, aber auch Russland mit, wenn es um die Zukunft des Landes geht.

    Die Gräueltaten der Fundamentalisten sind nicht vergessen

    Und auch die Gräueltaten der Taliban sind nicht vergessen und machen sie zu einem überaus schwierig zu akzeptierenden politischen Akteur. Der globale Terrorismus-Index verzeichnet für Afghanistan einen traurigen Rekord. Dort starben im vergangenen Jahr 7379 Menschen durch

    Und doch waren es eben auch die Aufständischen, die den Afghanen etwas geboten haben, was sie zu schätzen wissen: Es gelang den Taliban vor dem Einmarsch der Amerikaner und der Nato-Staaten, eine gewisse Sicherheit für das Land zu gewährleisten. Die Verhandlungen mit dieser Gruppe ist zudem eine Anerkennung von Realitäten. Das fundamentalistische Regime der Taliban lässt den Westen fürchten, dass alle Fortschritte, die in den vergangenen Jahrzehnten erzielt wurde, hinfällig werden. Verhandlungsführer Mullah Baradar hat bereits klar gemacht, dass es kein Umdenken bei der Rolle von Frauen gibt, für die wohl wieder islamisches Recht gelten wird.

    US-Präsident Trump will sein Wahlversprechen erfüllen

    Für die USA sind die Verhandlungen mit den Taliban auch deshalb besonders wichtig, weil US-Präsident Donald Trump ein Zeichen setzen will: Noch vor den Wahlen im Herbst braucht er öffentlichkeitswirksame Bilder, die die Heimkehr der Soldaten feiern – es war eines der zentralen Versprechen seines letzten Wahlkampfes. Schon Barack Obama hatte ein Ende des Afghanistan-Einsatzes angestrebt, war aber gescheitert. Für Trump wäre ein Abkommen also so etwas wie der Beweis, es besser gemacht zu haben. Zurzeit sind schätzungsweise zwischen 13.000 und 14.000 US-Soldaten in Afghanistan stationiert. Bis zu 8475 davon waren zuletzt an dem Nato-Ausbildungseinsatz beteiligt. Trump hat angekündigt, die Zahl der US-Truppen im Fall eines Deals in einem ersten Schritt auf 8600 zu verringern.

    Nach Angaben des US-Sondergesandten für Afghanistan, Zalmay Khalilzad, könnten die US-Streitkräfte innerhalb von 135 Tagen rund 5000 Soldaten von fünf Stützpunkten abziehen. Dass Amerika sein Militär komplett aus Afghanistan abzieht, ist allerdings nicht zu erwarten. Viel zu wichtig ist der Standort geworden, um Präsenz in der Region zu zeigen. Afghanistan hat zwei Nachbarn, die zum Hauptfeindbild des Weißen Hauses aufgestiegen sind. Im Osten grenzt China an, im Westen der Iran.

    Das Bundeskabinett stimmt für eine Verlängerung des Einsatzes

    „Wir werden Afghanistan nicht sofort verlassen“, stellte auch Nato-Chef Stoltenberg bei der Münchner Sicherheitskonferenz klar. Aber die Präsenz werde Schritt für Schritt „angepasst“, also: reduziert. Neben dem Anti-Terroreinsatz der USA ist die Nato mit der Mission „Resolute Support“ in Afghanistan anwesend. Mit 16.000 Soldaten ist die Nato derzeit in dem Land vertreten, aus dem Kampfeinsatz ist offiziell eine Ausbildungsmission geworden. Die Bundeswehr ist mit rund 1250 Soldaten vor Ort.

    Am Mittwoch hat das Bundeskabinett eine Verlängerung des Einsatzes um ein weiteres Jahr gestimmt. Die Obergrenze von bis zu 1300 Soldaten soll erhalten bleiben. Vom Beginn des Einsatzes im Jahr 2001 bis zum Jahr 2018 hatte die Bundesrepublik rund 90.000 Männer und Frauen an den Hindukusch geschickt. Beim Einsatz in Afghanistan sind bisher 58 deutsche Soldaten gestorben, die US-Streitkräfte zählen rund 2400 Opfer.

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