Mit der neuen Spitze sollten bei der SPD Erfolg, Zuversicht und Geschlossenheit zurückkehren. Doch für die Genossen hat sich bisher keine dieser Hoffnungen erfüllt. Sieben Wochen ist das in einem so langwierigen wie aufwendigen Prozess gewählte Führungsduo Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans im Amt. Doch die Zustimmungswerte konnten sie nicht heben. Im Gegenteil: Sie sind auf den niedrigsten Wert seit einem halben Jahr gesunken. Bei nur noch 12,5 Prozent etwa sieht die jüngste Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Insa die SPD. Und zwischen den einzelnen Kraftzentren der Partei knirscht es mächtig.
In der Bundestagsfraktion um den besonnen bis zurückhaltend auftretenden Kölner Rolf Mützenich etwa wächst die Skepsis über die neuen Chefs im Willy-Brandt-Haus täglich. Für Kopfschütteln sorgte etwa, dass Esken nach den Silvester-Ausschreitungen im linksalternativen Leipziger Stadtteil Connewitz erst einmal die Polizeitaktik infrage stellte. Dies habe viele SPD-Anhänger verprellt, so der Vorwurf an die Vorsitzende.
Esken galt vor ihrer Wahl als besserwisserische Hinterbänklerin
Überhaupt gibt es vor allem gegen Esken in der Fraktion erhebliche Vorbehalte. Im Kreis der Abgeordnetenkollegen galt die jetzige Parteichefin vor ihrer Wahl als besserwisserische, unnahbare Hinterbänklerin. Über ein tragfähiges Netzwerk verfügt sie nicht. Kaum einer der zahlreichen Vorstöße, die Esken, aber auch Walter-Borjans in großer Zahl und oft über soziale Medien unternehmen, stößt in der Fraktion auf breite Zustimmung.
Einen Linksruck hatte das Gespann versprochen und fordert nun am laufenden Band entsprechende Gesetze. Für Gutverdiener sollen steigende Spitzensteuersätze und höhere Rentenbeiträge gelten. Eine Vermögensteuer für Millionäre soll eingeführt, Ausnahmen bei der Erbschaftsteuer abgeschafft werden. Grundstücksbesitzern wollen Esken und Walter-Borjans über eine Besteuerung steigender Bodenwerte an den Geldbeutel. Doch nichts davon hat im Moment irgendwelche Umsetzungschancen in der Großen Koalition.
Es handle sich rein um „Ideen fürs Schaufenster“, unken genervte Fraktionsmitglieder. Davon, das ungeliebte Bündnis mit CDU und CSU zu verlassen, ist nun aber plötzlich kaum mehr die Rede – zum Leidwesen linker Parteikreise. Dabei hatte gerade Saskia Esken im monatelangen Wahlkampf um den SPD-Vorsitz ein GroKo-Ende vehement gefordert.
Olaf Scholz regiert weiter, als wäre nichts gewesen
Olaf Scholz, der aus diesem Rennen als knapper Verlierer hervorgegangen war, regiert unterdessen weiter, als wäre nichts gewesen. Dreinreden lässt sich der Vizekanzler und Bundesfinanzminister am allerwenigsten von Walter-Borjans und Esken. Von deren Forderung, die schwarze Null zugunsten von Investitionen zu opfern, will Scholz nichts wissen. Das geht aus einem Rundschreiben des Finanzministeriums hervor, über das der Spiegel berichtete. Nicht wenige Genossen glauben, dass Scholz am Ende sogar doch noch Kanzlerkandidat der SPD werden könnte. Grundsätzlich seien zwar zunächst einmal die Vorsitzenden in der Pflicht. Doch derzeit traut fast niemand Esken oder Walter-Borjans einen Erfolg bei der nächsten Bundestagswahl zu.
So bleiben bei der SPD die wichtigen Fragen ungeklärt. Sie ist gleichzeitig linke Kraft und Partei der Mitte, Regierung und Opposition. Wer das Sagen hat, ist offen. Und bald wird es richtig ernst für die beiden Vorsitzenden. In Hamburg könnte der SPD-Oberbürgermeister abgewählt werden. In Bayern, wo im März Kommunalwahlen sind, erreicht die SPD in der Sonntagsfrage sogar nur noch sieben Prozent. Sollte es zu den befürchteten Schlappen kommen, wird die neue SPD-Spitze schon wieder ganz alt aussehen.
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