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Hintergrund: Regionaler Austausch gegen Brexit-Folgen: Baden-Württemberg hat jetzt ein Büro in London

Hintergrund

Regionaler Austausch gegen Brexit-Folgen: Baden-Württemberg hat jetzt ein Büro in London

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    Der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann und der britische Handelsminister Greg Hands mit der Büroleiterin Nicola Pieper in London.
    Der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann und der britische Handelsminister Greg Hands mit der Büroleiterin Nicola Pieper in London. Foto: S. Ireland, dpa

    Symbolträchtiger kann man ein Foto kaum gestalten: Rechts steht der britische Staatsminister für internationale Handelspolitik Greg Hands. In den Händen hält er die gelben Buchstaben „ENG“, links steht Ministerpräsident Winfried Kretschmann mit einem „LÄND“. Und dazwischen die neue Leiterin des baden-württembergischen Büros in London, Nicola Piper, mit einem Kreuz. „ENG x LÄND“. Der Slogan „The Länd“ ist an diesem Abend überall zu sehen: auf Atemschutzmasken, Kugelschreibern, Aufklebern.

    „The Länd“, so will sich das süddeutsche Bundesland nun auch im Ausland vermarkten, weil Baden-Württemberg nun einmal keiner aussprechen könne. Kretschmann hielt seine Rede in einem Veranstaltungszentrum im Zentrum Londons an diesem Abend auf Deutsch. Vieles müsse sich noch „zurechtruckeln“, sagt er, ganz schwäbisch, und bezog sich dabei auf die künftige Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Großbritannien nach dem Brexit.

    Um diesen Prozess zu beschleunigen, eröffnete das Bundesland diese Woche eine Auslandsrepräsentanz in London, das „BW-UK Office“. Es ist das erste und einzige deutsche Büro dieser Art auf der Insel, bislang.

    "Brexit funktioniert nicht" steht auf dem Schild dieses Demonstranten in London. Noch immer protestieren Brexit-Gegner in London.
    "Brexit funktioniert nicht" steht auf dem Schild dieses Demonstranten in London. Noch immer protestieren Brexit-Gegner in London. Foto: Pietro Recchia, SOPA Images via Zuma, dpa

    Die Herausforderungen für die wirtschaftliche und wissenschaftliche Zusammenarbeit zwischen der Bundesrepublik und dem Königreich, sie sind, so stellt man an diesem Abend immer wieder fest, bedingt durch den EU-Austritt der Briten weiterhin groß – und das trotz des gemeinsamen Handelsabkommens mit der EU, welches seit Januar 2021 gilt.

    Dies bestätigt auch Ulrich Hoppe von der deutsch-britischen Industrie- und Handelskammer (AHK) im Gespräch mit unserer Redaktion. Probleme bereiten Unternehmen auf beiden Seiten vor allem zwei Dinge, wie er sagt. Zum einen die Zollbeschränkungen. „Das wird aber schrittweise besser.“ Und zum anderen die strengen Migrationsvorschriften – sowohl in der Bundesrepublik als auch im Vereinigten Königreich.

    Die Visa-Regeln erschweren die Zusammenarbeit

    So sei es beispielsweise äußerst schwierig, einen deutschen Ingenieur für drei Monate auf der Insel anzustellen. Denn ein Visum zu beantragen, sei aufwendig und teuer, erklärt Hoppe.

    Der Grund: „Das Migrationssystem, das man jetzt eingeführt hat, stammt in den Ansätzen aus den 50er und 60er Jahren.“ Einer Zeit also, als man nicht so eng und flexibel zusammengearbeitet habe. Die Probleme wurden zunächst durch die Freizügigkeit innerhalb der EU und zuletzt durch die Pandemie überdeckt, sagt Hoppe. Nun jedoch müsse man sich auf die neue Situation einstellen. Das hat man auch im Freistaat Bayern erkannt. Hier plant man schon seit geraumer Zeit, ein Büro in London zu eröffnen. Die Pläne wurden jedoch pandemiebedingt auf das erste Quartal 2022 verschoben.

    Deutsche Expertise bleibt in vielen Bereichen gefragt

    Auch York-Alexander von Massenbach, Vorsitzender der „British Chamber of Commerce in Germany“ (BCCG) in London, erkennt in dieser und vergleichbaren Initiativen ein erhebliches Potenzial. Es gebe viele Bereiche in Großbritannien, in denen deutsche Expertise gefragt sei. Dazu gehöre zum Beispiel die Umsetzung der Energiewende. Natürlich haben es kleine Unternehmen da schwerer, aber „wenn diese bereit sind, sich einzuarbeiten und zu lernen, mit den neuen Hürden umzugehen, dann bietet das Vereinigte Königreich wirklich Chancen“. Auch für Start-ups, die auf der Suche nach Finanzierungsmöglichkeiten sind, sei London nach wie vor der richtige Ort. „Der Zugang zu Kapital ist für junge Unternehmen in Deutschland immer noch schwierig.“ Das sei hier anders, betont von Massenbach. Großbritannien ist für Baden-Württemberg ein wichtiger Handelspartner. Sowohl in der Export- als auch in der Importstatistik belegt das Vereinigte Königreich seit Jahren einen vorderen Platz.

    Bedarf für Zusammenarbeit besteht nach wie vor auch zwischen den Hochschulen und Forschungseinrichtungen. „Das war insbesondere durch Corona jedoch lange nicht möglich“, sagt Ulrich Hoppe. Das Interesse sei jedoch auf beiden Seiten da. Probleme bereiten aber auch hier komplizierte Visavorschriften für die Forschenden, sowohl in Deutschland als auch in Großbritannien. Offen sei, wie es mit dem Austausch zwischen Studenten weitergeht. Da das Vereinigte Königreich an dem Erasmus-Programm nicht mehr teilnimmt, „geht mittelfristig sicherlich etwas verloren“, so Hoppe. Denn es könnten unter Umständen nur noch diejenigen auf der Insel studieren, die es sich leisten können.

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