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Hintergrund: Ist die Terrormiliz "Islamischer Staat" gefährlicher als Al-Kaida?

Hintergrund

Ist die Terrormiliz "Islamischer Staat" gefährlicher als Al-Kaida?

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    Der Terrormiliz bringt Kindern in eigenen Ausbildungslagern den Umgang mit Waffen bei.
    Der Terrormiliz bringt Kindern in eigenen Ausbildungslagern den Umgang mit Waffen bei. Foto: Ghulamullah Habibi (dpa)

    Über 500 Tote binnen nur fünf Wochen – der Anschlag in Paris ist nur ein Höhepunkt einer verheerenden Anschlagsserie, mit der die schlimmsten Befürchtungen von Terrorexperten wahr werden. Der sogenannte Islamische Staat ändert seine Strategie, um das Erbe von Al-Kaida als internationales Terrornetzwerk anzutreten.

    Der Auftakt ist der Angriff auf eine Friedensdemonstration am 10. Oktober in der türkischen Hauptstadt Ankara. Zwei dem IS zugeordnete Attentäter reißen mit Sprengstoffgürteln 102 Menschen in den Tod. Drei Wochen später sterben alle 224 Insassen eines russischen Urlauber-Airbus in Ägypten. Als wahrscheinlichste Absturzursache gilt inzwischen eine eingeschmuggelte Bombe des

    IS-Anschläge sollen die Menschen einschüchtern

    Alle Anschläge folgen offensichtlich dem gleichen Motiv: Sie sollen die Menschen in den Ländern militärischer Gegner des IS einschüchtern. Der Anschlag in der Türkei folgte wenige Wochen, nachdem Präsident Recep Erdogan seinen Kurs geändert hatte und Stellungen des IS bombardieren ließ. Und richtete sich gegen Kurden, deren Volksangehörige in Syrien und im Nordirak den Gelände-Eroberungsfeldzug des IS stoppen konnten.

    Die meisten Opfer in Beirut waren nicht nur schiitische Muslime, die von den sunnitischen IS-Terroristen seit jeher zu „ungläubigen“ Todfeinden erklärt wurden. Der Anschlag richtete sich auch gegen die libanesische Hisbollah-Miliz, die in Syrien gegen den IS kämpft. Russland und Frankreich bombardieren seit Monaten IS-Stellungen.

    Mag man in der Zielwahl des IS vielleicht noch eine zynische kriegerische Logik erkennen, folgt die willkürliche Auswahl der zivilen Opfer und das brutale Morden klar dem Irrsinn des islamistischen Terrors. Die Pariser Anschläge gleichen der erbarmungslosen Taktik von Mumbai Ende 2008, als zehn schwerbewaffnete Islamisten in kleinen Killerkommandos willkürlich über 170 Menschen in Restaurants, am Bahnhof und selbst in einer Kinderklinik niedermetzelten.

    Der Islamische Staat ist eine Abspaltung von Al-Kaida. Der Jordanier Abu Musab al-Sarkawi ging als Auslandskämpfer in den Irak, als die USA 2003 Saddam Hussein stürzten. Seine Al-Kaida-Gruppe machte fortan als brutalste Miliz von sich reden. Die sunnitische Gruppe wollte mit über 200 Selbstmord-Attentaten, Bombenanschlägen und Geisel-Enthauptungen einen Bürgerkrieg entfachen und terrorisierte vor allem die – mächtigere – schiitische Bevölkerungsmehrheit.

    Als Sarkawi – auf den die Amerikaner 25 Millionen Dollar Kopfgeld ausgesetzt hatten – bei einer gezielten US-Militäraktion im Juni 2006 getötet wurde, formte sein Nachfolger Abu Bakr al-Bagdadi aus der irakischen Al-Kaida-Zelle den IS. Nach dem Abzug der Amerikaner eroberte die Terrormiliz große Teile des Nordiraks und rief am 29. Juni 2014 das sogenannte „Kalifat“ aus – wie im achten Jahrhundert das übernationale muslimische Reich genannt wurde.

    Konkurrenzkampf zwischen "jungen" IS und "alten" Al-Kaida

    Seitdem leiden nicht nur zigtausende Muslime in Syrien und im Irak unter dem mittelalterlichen gewalttätigen Ur-Islam des IS. Es hat sich auch eine Art Konkurrenzkampf des Terrors entwickelt. Schon als sich die Attentäter auf die Zeitschrift Charlie Hebdo zu Al-Kaida bekannten, warnten Experten, dass der IS bald mit einem internationalen Schlag nachziehen werde.

    Doch auch so ist der „junge“ IS schon lange für gewaltbereite Islamisten attraktiver als die „alte“ Al-Kaida. Auffallend viele als Arbeitslose und Kleinkriminelle im Westen gescheiterte junge muslimische Männer sehen in dem IS einen Weg, Anerkennung zu finden. Dass ihnen der IS Frauen verspricht – entweder angelockt durch Internetpropaganda oder als Kriegsgeiseln entführte „Sklavinnen“ – gilt ebenso als wichtiger Rekrutierungsfaktor.

    Dass viele der westlichen Kämpfer in ihre europäischen Heimatländer zurückkehren, macht den IS mindestens so gefährlich wie Al-Kaida. Allein durch die Rückkehrer ist längst ein gefährliches internationales Terrornetzwerk entstanden.

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