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Hintergrund: Immer neue Fristen: Brexit in zwölf Wochen oder in zwölf Monaten?

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Immer neue Fristen: Brexit in zwölf Wochen oder in zwölf Monaten?

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    Alles nur noch eine Terminfrage? Die britische Premierministerin Theresa May und EU-Ratspräsident Donald Tusk. Wann Großbritannien aus der EU austritt, bleibt ungewiss.
    Alles nur noch eine Terminfrage? Die britische Premierministerin Theresa May und EU-Ratspräsident Donald Tusk. Wann Großbritannien aus der EU austritt, bleibt ungewiss. Foto: Francisco Seco, dpa

    Der Brief aus London an die EU fiel ungewöhnlich aus. Schließlich ließ Premierministerin Theresa May erstmals so etwas wie Emotionen durchblicken. Es sei „frustrierend“, dass der Prozess noch nicht zu „einem erfolgreichen und geordneten Abschluss“ gekommen sei, schrieb die britische Regierungschefin. Und dann bat sie die 27 Staats- und Regierungschefs der Union um eine Verlängerung der Brexit-Frist bis spätestens 30. Juni, also in rund zwölf Wochen.

    Allerdings wolle sie sich bemühen, deutlich vorher auszutreten – und zwar möglichst noch vor dem Auftakt zu den Europawahlen am 23. Mai. Ungeachtet dessen bereite ihre Regierung aber alles vor, um an den Abstimmungen zum EU-Parlament teilzunehmen, sollte es bis dahin nicht zu einer Einigung gekommen sein.

    So fasste EU-Ratspräsident Donald Tusk am Freitag das Schreiben aus der britischen Hauptstadt zusammen. Dabei hatte er selbst vorher angeregt, dem Vereinigten Königreich sogar bis zu einem Jahr mehr Zeit zu geben, um sich auf einen Königsweg zu verständigen. Denn nach wie vor ist alles offen. Wenige Tage vor dem Sondergipfel der Staats- und Regierungschefs am kommenden Mittwoch in Brüssel bietet sich die Lage so da: Briten und Europäer wollen einen ungeregelten Brexit vermeiden. Bereits am Freitag kamen deshalb die EU-Botschafter der 27 Mitgliedstaaten zusammen, um auszuloten, unter welchen Umständen die Gemeinschaft bereit sein könnte, Großbritannien mehr Zeit zu geben.

    Brexit: Brüssel hofft noch auf eine Zollunion

    Denn der vorliegende Austrittvertrag war drei Mal im britischen Unterhaus krachend durchgefallen. Die Stimmung ist allerdings angespannt, weil nicht wenige Regierungen sich von London „vorgeführt fühlen“, wie es ein hoher EU-Diplomat sagte. Wenn die Staats- und Regierungschefs am Mittwoch zusammenkommen, wollen sie deshalb von May vor allem hören, warum ein weiteres Verschieben des Brexit die Chancen auf eine Einigung verbessern würde. Die Premierministerin steht dabei unter Druck: Wenn sie nicht alle Regierungschefs (Einstimmigkeit ist nötig) überzeugen kann, droht am Freitag kommender Woche (12. April) ein Brexit ohne Deal. May will aber offenbar in den Wochen bis Ende Juni alles versuchen, um doch noch eine Einigung in den Gesprächen mit Labour-Chef und Oppositionsführer Jeremy Corbyn hinzukriegen. In Brüssel versprechen sich davon viele eine weichere Brexit-Variante – beispielsweise den Verbleib der Insel in einer Zollunion mit der Gemeinschaft. Der Weg hätte vor allem einen Vorteil: Das Problem der Grenze zwischen Nordirland und Irland hätte man gelöst.

    Der von den Brexiteers leidenschaftlich gehasste Backstop (das zeitweise Verbleiben in einer Zollunion bis zu einer Lösung) wäre vom Tisch. Diese Variante klingt für die EU-Staatenlenker verlockend, zumal May sie mit der Ankündigung würzen möchte, dass London bereits die Europawahlen vorbereitet, aber gerne früher eine Brexit-Einigung erreichen will.

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    Damit, so hieß es am Freitag in Brüssel, wäre „dann allen gedient“. Einziges, aber gewichtiges Hindernis: May braucht auch in diesem Fall irgendwann eine Mehrheit im Unterhaus – für welche Form von Brexit auch immer. „Ich halte eine bessere Lösung als einen Exit ohne Deal für vergleichbar wahrscheinlich wie die schlechteste Lösung: einen Exit ohne Deal“, erklärte am Freitag EU-Haushaltskommissar Günther Oettinger. Und dabei malte er schon mal aus, was ein Ausstieg des Vereinigten Königreiches ohne Vertrag die Union und Deutschland kosten würde.

    Denn bereits in diesem Jahr müsste die Europäische Union dann mit Mindereinnahmen zwischen vier und fünf Milliarden Euro rechnen, sodass sich der Beitrag für den deutschen Steuerzahler um „weniger als eine halbe Milliarde Euro“ erhöhen würde.

    Lesen Sie auch den Kommentar: Brexit: Theresa May scheint endlich verstanden zu haben

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