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Hintergrund: Hoffnung für traumatisierte Soldaten

Hintergrund

Hoffnung für traumatisierte Soldaten

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    „Traumatisierten Soldaten droht jede Zukunftschance genommen zu werden", sagt Andreas Timmermann-Levanas, Vorsitzender des Bundes Deutscher Veteranen.
    „Traumatisierten Soldaten droht jede Zukunftschance genommen zu werden", sagt Andreas Timmermann-Levanas, Vorsitzender des Bundes Deutscher Veteranen.

    Augsburg Karl-Theodor zu Guttenberg wird als der Verteidigungsminister in die Geschichte eingehen, der der Wehrpflicht den Todesstoß versetzt hat. Doch der CSU-Politiker, der vom Oktober 2009 bis zum März 2011 auf der Hardthöhe das Sagen hatte, setzte sich auch dafür ein, die Situation von Soldaten, die an Leib oder Seele verletzt von Auslandseinsätzen der Bundeswehr zurückkehren, zu verbessern.

    Ein Umdenken, das noch in diesem Jahr in Gesetzesform gegossen werden soll: Einsatzversorgungs-Verbesserungsgesetz – so lautet der sperrige Name der Vorlage, die derzeit diskutiert wird. Immerhin: Grundsätzlich sind sich Politiker, aber auch Vertreter der Soldaten oder Veteranenverbände darüber einig, dass der Gesetzesentwurf deutliche Verbesserungen vorsieht. Allen voran spricht der Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) davon, dass durch das Reformwerk der „besonderen Fürsorgeverpflichtung für unsere Soldatinnen und Soldaten (...) im Auslandseinsatz noch stärker Rechnung“ getragen wird. Doch gleichzeitig fällt auf, dass nicht nur die Wehrexperten der Opposition, wie beispielsweise Rainer Arnold (SPD), sondern auch die FDP-Verteidigungsexpertin Elke Hoff sinngemäß sagen: „Gut, aber nicht gut genug.“ Auch der verteidigungspolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag, Ernst-Reinhard Beck (CDU), erklärte im Gespräch mit unserer Zeitung, dass er bis zur Verabschiedung des Gesetzes Veränderungen im Sinne der Soldaten für möglich halte.

    Doch worin liegen die wichtigsten vorgesehenen Verbesserungen?Die einmalige Entschädigung bei schweren Verwundungen soll von 80000 auf 150000 Euro angehoben werden. Generell sollen nun neben Berufssoldaten auch Nicht-Berufssoldaten höhere Ausgleichszahlungen erhalten. Vorgesehener Stichtag für diese Verbesserung ist der 1. Januar 2011. Für Andreas Timmermann-Levanas, dem Vorsitzenden des Bundes Deutscher Veteranen (BDV), entsteht durch die Wahl des Stichtages eine neue Ungerechtigkeit. Er fordert gegenüber unserer Zeitung, dass die Neuregelung rückwirkend vom 1. Juli 1992, dem Beginn des ersten Auslandseinsatzes der Bundeswehr, an gilt.

    Streit um dauerhafte Weiterbeschäftigung für Betroffene

    Einhellig begrüßt wird, dass die sogenannte „Kriegsklausel“ in Versicherungen den Schrecken für Hinterbliebene von getöteten Soldaten vollends verlieren soll. In Zukunft sollen Versicherungen, wie Lebensversicherungen, die als Sicherheiten etwa für einen Immobilienkredit eingesetzt sind und die gemeinhin im Falle des „Kriegstodes“ verfallen, vom Bund erstattet werden.

    Ein Streit hat sich um die dauerhafte Weiterbeschäftigung für Betroffene entzündet: Der Bundestag hatte eine Herabsetzung des Grads der Beschädigung von 50 auf 30 Prozent als Voraussetzung für die Weiterbeschäftigung gefordert. Doch im Entwurf ist unverändert von 50 Prozent die Rede. „Das ist nicht akzeptabel, 30 Prozent sind absolut ausreichend“, kritisierte der Vorsitzende des Bundeswehrverbandes, Oberst Ulrich Kirsch. Seine Sorge: Gerade viele Soldaten, die nach dem Einsatz im Ausland an Posttraumatischen Belastungsstörungen (PTBS), leiden, würden an dieser Hürde hängen bleiben.

    "Viele junge Betroffene haben kaum Chance, jemals wieder Arbeit zu finden"

    Timmermann-Levanas, auch er leidet seit seinem Einsatz in Afghanistan unter PTBS, bestätigt das Problem. Viele junge Betroffene hätten wegen PTBS kaum eine Chance, jemals wieder außerhalb der Bundeswehr Arbeit zu finden. „Da ihnen jedoch häufig eine Schädigung zwischen 30 und 40 Prozent attestiert wird, droht ihnen jede Zukunftschance genommen zu werden, wenn es tatsächlich bei einer Grenze von 50 Prozent bleibt.“ Ob das so bleibt, ist jedoch keinesfalls sicher. Denn nicht nur die FDP-Politikerin Elke Hoff ist für die Festlegung von 30 Prozent, auch Beck will in der Union für eine Absenkung werben. Ein Sprecher des Verteidigungsministeriums lehnte dies allerdings aus „verfassungsrechtlichen“ Gründen ab. Dahinter stehen Befürchtungen in der Regierung, dass auch andere Berufsgruppen eine Absenkung fordern könnten. „Der Staat fordert von den Soldaten, die schließlich ihr Leben riskieren, eine besondere Treuepflicht, er sollte dann auch besondere Fürsorge walten lassen“, hält Timmermann-Levanas dem entgegen.

    Keine Chance gibt Beck Forderungen nach einer Umkehr der Beweislast bei der Geltendmachung von Traumatisierungen: „Damit würde ein wichtiger Rechtsgrundsatz angetastet werden.“ Bis heute beklagen an PTBS Erkrankte, dass sie über Jahre darum kämpfen müssen, dass ihr Leiden anerkannt wird. Eine Situation, die, wie Timmermann-Levanas am eigenen Körper erfahren hat, viele Traumatisierte völlig überfordert. Kirsch sieht das genauso. Im Prinzip, so der Verbandschef, habe die Bundeswehr einer Beweislastumkehr zugestimmt. Danach hätte „eine Glaubhaftmachung, dass man eine traumatische Belastungsstörung hat, ausgereicht“. Doch davon ist im Gesetzentwurf keine Rede mehr. Kirsch gibt sich jedoch kämpferisch: „Der frühere SPD-Verteidigungsminister Peter Struck pflegte zu sagen: Es gibt kein Gesetz, das aus dem Bundestag so wieder herausgeht, wie es mal hineingekommen ist.“

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