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Hintergrund: Frank-Jürgen Weise ist de Maizières letzte Chance

Hintergrund

Frank-Jürgen Weise ist de Maizières letzte Chance

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    Frank-Jürgen Weise (rechts) soll als neuer Chef des Bundesamtes für Migration dafür sorgen, dass die Asylverfahren in Zukunft spürbar beschleunigt werden.
    Frank-Jürgen Weise (rechts) soll als neuer Chef des Bundesamtes für Migration dafür sorgen, dass die Asylverfahren in Zukunft spürbar beschleunigt werden. Foto: Klaus-Dieter Gabbert, dpa

    Auch leidenschaftliche Unterstützung kann ein Hinweis darauf sein, dass ein Politiker nicht mehr unumstritten ist: Wer am Montag dem CDU-Innenexperten Armin Schuster im Deutschlandfunk zuhörte, dem kam unwillkürlich der Gedanke, dass es um Innenminister Thomas de Maizière (CDU) nicht allzu gut bestellt ist. Schuster feierte seinen Parteikollegen geradezu überschwänglich: Er sei der einzige Politiker im Lande, der in der Lage sei, das Flüchtlingsproblem zu lösen. Dabei waren zuletzt nicht nur in der SPD, sondern auch in der Union massive Zweifel daran aufgekommen, ob de Maizière die Situation tatsächlich im Griff hat.

    Was bekommen Flüchtlinge?

    Flüchtlinge erhalten gemäß Asylbewerberleistungsgesetz Mittel zur Sicherung ihres Existenzminimums. Wie viel Bargeld ein Flüchtling bekommt, hängt davon ab, wie lange er in Deutschland ist und welche Sachleistungen er in seiner Unterkunft erhält.

    In den Erstaufnahmeeinrichtungen werden vorrangig Sachleistungen gewährt. Dinge des täglichen Bedarfs wie Essen oder Möbel werden dort meist zur Verfügung gestellt. Außerdem gibt es Bargeld für persönliche Bedürfnisse.

    Alleinstehende erhalten 143 Euro im Monat. Erwachsene, die als Partner einen Haushalt teilen, bekommen je 129 Euro. Wer sonst noch im Haushalt lebt, kriegt 113 Euro. Für Kinder stehen Familien je nach Alter 85 bis 92 Euro zu.

    Wenn Asylbewerber nicht mehr in Gemeinschaftsunterkünften des Landes untergebracht sind und damit in der Regel Essen und andere Sachleistungen wegfallen, gibt es mehr Bargeld.

    Erwachsene Alleinstehende erhalten dann 216 Euro, Kinder oder weitere Haushaltsmitglieder 133 bis 194 Euro.

    Hier gibt es allerdings etwas Spielraum: Anstelle der Geldleistungen können auch - "soweit es nach den Umständen erforderlich ist", wie es im Gesetz heißt - Wertgutscheine und Sachleistungen gewährt werden.

    Zudem übernehmen die Behörden anfallende Wohnkosten. Auch bei Krankheit, Schwangerschaft oder Geburt erstattet der Staat die Kosten.

    Ist ein Flüchtling länger als 15 Monate im Land, stehen ihm bei Bedürftigkeit Leistungen auf dem Niveau der Sozialhilfe zu. Damit erhält ein Alleinstehender etwa 392 Euro. Zudem werden seine Wohnkosten erstattet. (dpa)

    Allerdings könnte ihm zugutekommen, dass sich die entscheidenden Akteure der Großen Koalition darüber im Klaren zu sein scheinen, dass ein großer Krach zwischen Union und SPD bei dem brisanten Thema Flüchtlinge gewaltigen Schaden anrichten könnte. Es ist daher kein Zufall, dass SPD-Chef Sigmar Gabriel seinen Stellvertreter Ralf Stegner unmissverständlich in die Schranken wies, nachdem dieser einen Rücktritt des Innenministers ins Spiel gebracht hatte. „Quatsch“ nannte er Stegners Vorstoß.

    Doch klar ist auch: De Maizière muss jetzt beweisen, dass er in der Lage ist, den beispiellosen Flüchtlingsstrom in geordnete Bahnen zu lenken. Demonstrativ versucht er, wieder in die Offensive zu gelangen. Gestern präsentierte er Reformen im Asylrecht, über die sich Union und SPD – nach seinen Angaben – am Sonntag geeinigt haben. Es gebe bereits Entwürfe für zahlreiche Gesetzesänderungen. Diese seien nun an die Länder gegangen, sagte de Maizière am Montag in Berlin.

     Balkanstaaten gelten nun als „sichere Herkunftsländer“

    Einmal handelt es sich dabei um einige bereits in der letzten Woche angekündigte Maßnahmen. Darunter die Einstufung weiterer Balkanstaaten als „sichere Herkunftsländer“. Enthalten sind aber auch einige neuere Vorschläge, die teils auf heftige Kritik stoßen. Hilfsorganisationen hatten insbesondere kritisiert, dass zehntausende von Flüchtlingen, die über andere EU-Staaten nach Deutschland eingereist seien, nur noch eine Fahrkarte und Proviant für die Rückreise erhalten sollten. De Maizière bemühte sich gestern, die Wogen zu glätten. Diese Regelung solle lediglich für „vollziehbar Ausreisepflichtige“ gelten, nicht für sogenannte „Dublin-Fälle“ – also für Menschen, die über andere EU-Staaten nach

    Was bedeutet "Königsteiner Schlüssel" bei Verteilung der Flüchtlinge?

    Wer als Flüchtling nach Deutschland kommt, muss sich erst mal registrieren lassen. Meist passiert das in der am nächsten gelegenen Erstaufnahmeeinrichtung im jeweiligen Bundesland.

    Die Verteilung auf die Länder geschieht dann nach dem «Königsteiner Schlüssel». Grundlage für dessen Berechnung sind Bevölkerungszahl (ein Drittel) und Steuereinnahmen (zwei Drittel).

    Die Quote wird von der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz jährlich neu ermittelt.

    2015 nimmt Nordrhein-Westfalen die meisten Flüchtlinge auf, gefolgt von Bayern und Baden-Württemberg. Die niedrigsten Quoten haben Bremen, das Saarland und Mecklenburg-Vorpommern.

    Den «Königsteiner Schlüssel» an sich gibt es seit 1949: Die Bundesländer einigten sich damals im hessischen Königstein auf einen Schlüssel zur Finanzierung von Forschungseinrichtungen außerhalb der Universitäten.

    Das Instrument wird inzwischen aber auch für andere Fragen rund um die Lastenverteilung unter den Ländern genutzt. Seit Anfang 2005 dient der Schlüssel als Basis für die Verteilung von Asylbewerbern. dpa

    Beim ebenfalls kontroversen Thema europäisches Kontingentsystem zur Bewältigung der Flüchtlingskrise relativierte de Maizière seine eigenen Vorschläge. Es habe sich dabei lediglich um „persönliche Überlegungen“ gehandelt. In der Sache jedoch blieb der 61-Jährige dabei: „Ich schlage vor, dass wir uns in Europa auf großzügige Kontingente verständigen.“ Ziel sei es, „Flüchtlinge aus Krisenregionen legal nach

    Zahlen für mögliche Kontingente wollte er zunächst nicht nennen. Flüchtlinge, die an den EU-Außengrenzen aufgegriffen würden, sollten zwar „gerettet werden“, aber außerhalb Europas „in sichere Gegenden gebracht“ werden. Allerdings dürfte de Maizière klar sein, dass sich eine solche Lösung derzeit kaum erreichen lässt. Schließlich müsste sie mit einem einheitlichen europäischen Asylrecht einhergehen. Bis dahin sei der „Weg noch weit“, sagte der Minister.

    Weise will in dieser Woche sein Konzept vorlegen

    Nicht zuletzt mit Blick auf die SPD stellte er auch klar, dass der Anspruch auf Asyl in Deutschland für diejenigen, die hierzulande einen Antrag stellen, nicht angetastet werden solle. „Wenn jemand in

    Große Hoffnungen setzt de Maizière in den neuen Chef des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bamf), Frank-Jürgen Weise. Denn nicht nur Weise wird daran gemessen werden, ob es ihm gelingt, die Asylverfahren spürbar zu beschleunigen – auch für die Zukunft von de Maizière als Spitzenpolitiker könnte dieser Punkt entscheidend werden. Weise kündigte an, den Verlauf „von der ersten Begegnung eines Flüchtlings mit der Polizei“ bis zu den verschiedenen Wegen, die von den Ländern organisiert werden, unter die Lupe zu nehmen. Als Chef des Bundesamtes für Arbeit habe er dabei auch die Jobcenter im Blick, denn „wir müssen damit rechnen, dass wir im kommenden Jahr Hunderttausende zur Beratung und Integration bei uns haben“. Konkrete Vorschläge für zügigere Verfahren will Weise noch im Laufe dieser Woche vorlegen.

    Rechtzeitig also zum mit Spannung erwarteten Bund-Länder-Spitzentreffen zur Flüchtlingspolitik am Donnerstag in Berlin. Dabei wird es erneut um Geld gehen. Die SPD fordert deutlich mehr finanzielle Unterstützung für Länder und Kommunen. Die vom Bund vorgeschlagene Summe von drei Milliarden Euro zur Entlastung für 2016 „wird angesichts der aktuellen Flüchtlingszahlen sicher nicht ausreichen“, heißt es in einem von der SPD-Parteispitze abgesegneten Zehn-Punkte-Plan. (mit dpa, afp)

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