Annegret Kramp-Karrenbauer hat schon früh Fakten geschaffen. Entweder Parteivorsitzende – oder Schluss mit der Politik als Beruf. Im Fall einer Niederlage wolle sie nur noch ehrenamtlich für die CDU tätig sein, hat die bisherige Generalsekretärin bereits lange vor dem Parteitag betont. Dies sei auch keine Erpressung, sondern ein Gebot der Fairness demjenigen gegenüber, der gewählt werde und anschließend die Freiheit haben müsse, sein eigenes Team aufzustellen.
Nun allerdings, da sie selbst Parteivorsitzende geworden ist, muss sie noch in Hamburg die erste Personalentscheidung treffen – nämlich die Auswahl eines neuen Generalsekretärs. Unter anderem wird dafür Paul Ziemiak gehandelt, der Vorsitzende der Jungen Union.
Angela Merkels "Girls Camp" hat wohl keine Zukunft
Wie wichtig ein gut funktionierendes Team in der Politik ist, weiß niemand besser als Angela Merkel selbst. Von Helmut Kohl, ihrem frühen Förderer, hat sie gelernt, die Macht nicht zu sehr zu teilen, nur einem eingeschworenen Kreis zu vertrauen und die wichtigsten Fragen im Zweifel mit sich alleine auszumachen. Seit sie erst CDU-Vorsitzende und dann auch Kanzlerin wurde hat sie ein feines Netz aus Loyalitäten und Abhängigkeiten gesponnen, in dessen Zentrum ihre Büroleiterin Beate Baumann und ihre Medienberaterin Eva Christiansen sitzen - zwei Frauen, so unauffällig wie die junge Angela Merkel, aber einflussreicher als mancher Minister.
In dem Moment, in dem die Kanzlerschaft ihrer Mentorin vorbei ist, wird sich allerdings auch das „Girls Camp“ auflösen, eine vor allem in ihren Anfangsjahren geradezu mystisch ähnlich verklärte politische Schicksalsgemeinschaft, vergleichbar allenfalls mit der von Helmut Kohl und seiner legendären Büroleiterin Juliane Weber.
Oder lässt das Ende der Ära Merkel jetzt noch länger auf sich warten als es zeitweise aussah? Mit der Wahl von Annegret Kramp-Karrenbauer ist aus Sicht der Kanzlerin ja zumindest eine Gefahr fürs erste gebannt: ein plötzlicher Kanzlerwechsel, forciert von einem ungeduldigen Friedrich Merz, der noch eine Rechnung mit ihr offen hat. Die neue Parteivorsitzende ist eine der engsten Vertrauten der Regierungschefin, ihre Wunschnachfolgerin an der Parteispitze wie im Kanzleramt. Abgesehen vom neuen Generalsekretär wird das neue Team, das die tief gefallene CDU nun durch schwere See steuert, daher in weiten Teilen das alte sein. Oder muss man sagen: das, was von Angela Merkels alten Team noch übrig ist?
Früh schon war zu ihrem „Girls Camp“ eine „Boy Group“ aus jungen, ambitionierten Abgeordneten dazu gekommen, von denen allerdings nur einer bis heute geblieben ist – Peter Altmaier, anfangs Justitiar der Bundestagsfraktion, später Umweltminister und Kanzleramtschef, heute Wirtschaftsminister. Die übrigen von Merkels Männern haben sich selbst aus dem Rennen genommen wie der frühere Umweltminister Norbert Röttgen mit einem verkorksten Landtagswahlkampf in Nordrhein-Westfalen, andere sind wie ihr einstiger Amtschef Ronald Pofalla oder der ehemalige Staatsminister Eckart von Klaeden in die Wirtschaft abgewandert.
Der nicht mehr ganz so junge Volker Kauder, einer ihrer treuesten Diener, wurde als Fraktionschef abgewählt, der frühere Generalsekretär Peter Hintze ist vor zwei Jahren gestorben. Auch die ehemalige Bildungsministerin Annette Schavan ist aus dem innersten Zirkel herausrotiert. Knapp zwei Jahrzehnte war sie eine der engsten Verbündeten von Angela Merkel, ehe sie über ihren aberkannten Doktortitel stolperte. Nach vier Jahren als Botschafterin im Vatikan ist sie inzwischen in ihre Wahlheimat Ulm zurück gekehrt.
Für Peter Altmaier könnte es nach Merkel eng werden
Heute sitzen in Merkels Maschinenraum der Macht neben der Allzweckwaffe Altmaier, der auch die Flüchtlingspolitik der Kanzlerin koordiniert und das Wahlprogramm der CDU vor der letzten Wahl in weiten Teilen mit geschrieben hat, unter anderem der neue Kanzleramtschef Helge Braun, Kulturstaatsministerin Monika Grütters gehört inzwischen ebenfalls zum Inner Circle, Annegret Kramp-Karrenbauer sowieso - und Regierungssprecher Steffen Seibert schon von Berufs wegen. Doch selbst wenn die 64-jährige jetzt noch auf absehbare Zeit Kanzlerin bleibt, werden einige Mitglieder dieser Runde sich längst ihre Gedanken über den Tag danach machen oder sich schon gemacht haben – den Tag, an dem Annegret Kramp-Karrenbauer übernimmt.
Eine neue Kanzlerin wird in jedem Fall einen neuen Kanzleramtschef und einen neuen Regierungssprecher bestellen, und nicht jeder aus dem System Merkel hat einen Plan B wie Monika Grütters. Als Berliner Landesvorsitzende der CDU kann sie bei der nächsten Wahl den Regierenden Bürgermeister Michael Müller herausfordern. Seibert hat dem Vernehmen nach ein Rückkehrrecht zum ZDF. Für Peter Altmaier dagegen könnte es eng werden, wenn Angela Merkel sich in den politischen Ruhestand verabschiedet. In der sehr auf den regionalen Proporz achtenden CDU kann schlecht eine Frau aus dem winzigen Saarland Kanzlerin sein und ein weiterer Saarländer Minister.
Die CDU steht vor einem personellen Umbruch
So oder so wird sich in den nächsten Jahren einiges verändern im personellen Geflecht der CDU. Zwar werden bei der Wahl des Präsidiums in Hamburg vom hessischen Ministerpräsidenten Volker Bouffier über den baden-württembergischen Innenminister Thomas Strobl bis zu Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen und Gesundheitsminister Jens Spahn alle bisherigen Parteigranden ihre Posten verteidigen. Im Hintergrund allerdings laufen sich längst neue, jüngere Aspiranten für künftige Aufgaben warm. Der umtriebige Ziemiak zum Beispiel, der Wortführer des Wirtschaftsflügels, Carsten Linnemann, der schleswig-holsteinische Ministerpräsident Daniel Günther, einer der flammendsten Merkelianer - und Julia Klöckner natürlich auch.
Die Agrarministerin, lange Zeit von Angela Merkel gezielt gefördert, ist bereits stellvertretende Vorsitzende der Partei und wurde von den Delegierten bisher stets mit besonders guten Wahlergebnissen bedacht. In Hamburg allerdings sind sich viele Delegierte sicher: Mit seiner Kandidatur und dem unerwartet guten Ergebnis von knapp 16 Prozent hat Spahn sich im Schaulaufen der nächsten CDU-Generation einen deutlichen Vorsprung verschafft. Ist er schon der Mann für die Zeit nach Kramp-Karrenbauer? Nicht von ungefähr hat er in seiner Bewerbungsrede schon das Bild einer CDU im Jahr 2040 gemalt.
Zu den großen Unbekannten im neuen Machtgefüge der CDU gehört Fraktionschef Ralph Brinkhaus. Kraft Amtes ist der Nachfolger von Volker Kauder einer der mächtigsten Männer in der Union. Aber hat er den Ehrgeiz, die Rückendeckung und die Konfliktbereitschaft, dieses einflussreiche Amt auch über die nächste Bundestagswahl hinaus zu verteidigen? Friedrich Merz weiß, wie es sich anfühlt, den Fraktionsvorsitz nach wenigen Jahren schon wieder zu verlieren.
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