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Hintergrund: Das späte Comeback der Klimakanzlerin

Hintergrund

Das späte Comeback der Klimakanzlerin

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    Angela Merkel im Jahr 2007. Aus diesem Foto in Grönland speiste sich ihr – inzwischen ramponierter – Ruf als Klimakanzlerin.
    Angela Merkel im Jahr 2007. Aus diesem Foto in Grönland speiste sich ihr – inzwischen ramponierter – Ruf als Klimakanzlerin.

    Im knallroten Jackett kommt Kanzlerin Angela Merkel zum Petersberger Klimadialog in Berlin. Ihr Anliegen: vor den Folgen einer ungebremsten Erderwärmung warnen. Klima, Merkel, rote Jacke – das weckt Erinnerungen. Zwölf Jahre ist es nunmehr her, dass sich die Kanzlerin in Grönland vor eisiger Kulisse den Klimawandel erklären ließ. Die Bilder der „Klimakanzlerin“ in knallroter Jacke machten Eindruck. Von diesem Ruf ist heute allerdings nicht mehr allzu viel übrig. Will und kann die 64-Jährige ihn am Ende ihrer Amtszeit noch retten?

    Es klingt so, als die CDU-Politikerin am Dienstag vor Ministern und Unterhändlern aus rund 35 Staaten spricht. Sie warnt vor Dürren, Hitze, Hochwasser, Stürmen, Hunger, politischer Instabilität, Terrorismus, Flucht. Sie lobt die weltweiten Schülerdemos für den Klimaschutz. Und sie gibt ihrem Klimakabinett einen Auftrag: einen Weg zu finden, wie Deutschland 2050 unterm Strich keine Treibhausgase mehr ausstoßen kann, also klimaneutral wird. Da gehe es nicht um das Ob, sondern das Wie, stellt Merkel klar. Dann könne man sich auch Frankreichs Präsident Emmanuel Macron anschließen, der für die ganze EU das Ziel der Netto-Null-Emissionen bis 2050 hat.

    Einige Umweltpolitiker und Klimaschützer hoffen, dass die Kanzlerin den Kampf gegen die Erderwärmung sozusagen auf den letzten Metern ihrer Amtszeit doch noch zu ihrem Vermächtnis machen will. Besonders gut sieht es derzeit nicht aus: Das Ziel für 2020, 40 Prozent weniger Treibhausgase auszustoßen als 1990, verfehlt Deutschland deutlich. Der Ökostrom-Ausbau geht längst nicht so schnell voran, wie es für das 65-Prozent-Ziel bis 2030 nötig wäre. Strafzahlungen in der EU für verpasste Vorgaben sind im Bundeshaushalt schon eingeplant. Merkels Einsatz in Brüssel gegen aus ihrer Sicht allzu ehrgeizige Klimaschutz-Vorgaben für Autobauer hat ebenfalls am Image gekratzt.

    Wenn die Kanzlerin das Ruder rumreißen will, muss sie noch Überzeugungsarbeit leisten – auch in den eigenen Reihen. In CDU und CSU gibt es teils erbitterten Widerstand gegen so gut wie alles, was Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) plant. Ein Gesetz etwa, das mühsam vereinbarte CO2-Einsparziele für Bereiche wie Verkehr, Wohnen und Landwirtschaft verbindlich macht. Oder eine CO2-Steuer auf Heizöl und Sprit, um sparsame Technologie zu fördern. Die Alternative einer – zunächst nationalen – Ausweitung des bestehenden Handels mit Zertifikaten für den CO2-Ausstoß, die das Umweltministerium rechtlich für kaum umsetzbar hält, stößt ebenfalls auf Kritik.

    Am Morgen vor Merkels Rede erst betont Unions-Fraktionsvize Carsten Linnemann, Deutschlands Anteil beim weltweiten CO2-Ausstoß liege nur bei gut zwei Prozent. Als antworte sie ihm direkt, sagt Merkel: „Wir haben einen unglaublichen Ressourcenverbrauch bereits hinter uns, indem wir die Weichen dafür gestellt haben, dass die Welt heute in einer so schwierigen Lage ist.“ Der Wohlstand bedeute Verantwortung.

    Trotz der klaren Worte überschlagen sich die Umweltverbände nicht vor Begeisterung. „Ein Vertrösten auf einen späteren Zeitpunkt mit dem Verweis auf kommende interne Debatten wird dem Ausmaß der Krise nicht gerecht“, kritisiert Oxfam, „belastbare und schnell wirksame Maßnahmen“ will Greenpeace sehen, Merkel hätte selbst Verantwortung übernehmen sollen, statt auf ihr Klimakabinett zu verweisen, findet der BUND, der WWF vermisst konkrete Schritte.

    Die Klimaschützer haben schon zu viele Reden gehört und aus ihrer Sicht zu wenig Handeln in Deutschland und weltweit gesehen, um gewichtige Worte auf internationalem Parkett zu feiern. Teresa Dapp, dpa

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