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Hintergrund: Christian Wulff hat Vertrauen verspielt

Hintergrund

Christian Wulff hat Vertrauen verspielt

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    So sieht es aus, wenn Niedersachsen und Schwaben in Dialog treten. Der Unternehmer Carsten Maschmeyer und der damalige niedersächsische Ministerpräsident Christian Wulff lieferten sich 2007 ein Tischfußball-Duell mit Daimler-Chef Dieter Zetsche und Baden-Württembergs Ministerpräsident Günther Oettinger (von links). Bei der Finanzierung der länderübergreifenden Treffen kam es offenbar zu Unregelmäßigkeiten.
    So sieht es aus, wenn Niedersachsen und Schwaben in Dialog treten. Der Unternehmer Carsten Maschmeyer und der damalige niedersächsische Ministerpräsident Christian Wulff lieferten sich 2007 ein Tischfußball-Duell mit Daimler-Chef Dieter Zetsche und Baden-Württembergs Ministerpräsident Günther Oettinger (von links). Bei der Finanzierung der länderübergreifenden Treffen kam es offenbar zu Unregelmäßigkeiten. Foto: Foto: dpa

    Berlin „Typisch deutsch?“ Bundespräsident Christian Wulff sitzt auf der Bühne des „

    Bert Brecht, dem Schöpfer des dialektischen Theaters, hätte der Auftritt gefallen. Der Mächtige steht alleine auf der Bühne, ohne die Insignien der Macht, und muss sich wegen allzu menschlicher Verfehlungen rechtfertigen. So räumt der erste Mann im Staate ebenso zerknirscht wie reumütig ein, dass er Vertrauen verloren habe, das er nun zurückgewinnen müsse. Dennoch wolle er Bundespräsident bleiben.

    Ausdrücklich nimmt Wulff seinen früheren Sprecher und langjährigen engsten Vertrauten, seinen Freund und Berater Olaf Glaeseker in Schutz, den er zwei Tage vor Weihnachten ohne Angabe von Gründen entlassen hat und gegen den die Staatsanwaltschaft in Hannover wegen des Verdachts der Bestechlichkeit ermittelt. „Auch für Glaeseker gilt die Unschuldsvermutung. Das ist eine zivilisatorische Errungenschaft“, sagt der Präsident. Gleichwohl räumt er mit besorgter Miene ein, der Vorwurf, das Land Niedersachsen habe die ausdrücklich als privat finanzierte Veranstaltungsreihe "Nord-Süd-Dialog" finanziell gefördert, müsse aufgeklärt werden. „Das ist ein ernster Vorgang, der zu Recht jetzt vermutlich vom Staatsgerichtshof geklärt werden wird.“

    Christian Wulffs Kredit-Affäre und der legendäre Anruf: Bundespräsident Wulff gerät wegen eines verheimlichten Privatkredits Ende 2011 in die Schlagzeilen. Anfang 2012 wird bekannt, dass Wulff mehrere Reportern mit "Krieg" gedroht habe, sollten sie über die Affäre berichten. Sein wütender Anruf bei Bild-Chaf Kai Diekmann wurde nicht nur zum Politikum, sondern auch zum Ziel von Häme und Spott.
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    Immer neue Vorwürfe kommen ans Licht, die nicht nur Wulffs früheren Sprecher Glaeseker, sondern auch den damaligen Chef der niedersächsischen Staatskanzlei und heutigen Chef des Bundespräsidialamtes, Staatssekretär Lothar Hagebölling, belasten. Ihm wird vorgeworfen, den Landtag belogen zu haben. Hagebölling erklärte in einer schriftlichen Antwort auf eine Anfrage der SPD vom 14. April 2010, dass die Staatskanzlei nicht an der Organisation oder Finanzierung des „Nord-Süd-Dialogs“ beteiligt gewesen sei. Tatsächlich wurden jedoch 800 Kochbücher verteilt, für die das Landwirtschaftsministerium 3411,16 Euro bezahlte. Pikant: Mitautorin des Buches war Glaesekers Ehefrau Vera.

    Und, anders als die Anwälte von Christian Wulff dargestellt haben, hat Olaf Glaeseker in seiner Eigenschaft als Staatssekretär offensichtlich doch persönlich Sponsorengelder für den „Nord-Süd-Dialog“ des Eventmanagers Manfred Schmidt eingesammelt. Das sollen E-Mails belegen. Im Gegenzug durfte er mehrfach kostenlos Urlaub in Schmidts Luxus-Ferienhäusern in Südfrankreich und Spanien machen, zudem soll er in den vergangenen Jahren mehrfach auf Vermittlung von Schmidt kostenlos mit Air Berlin geflogen sein, unter anderem in die Türkei und nach Mallorca. Schmidt besaß die exklusive „Counter Card Premium Plus“ der Fluggesellschaft, mit der er weltweit kostenlos Flüge buchen konnte, auch für Familie und Freunde.

    Zitate: Kanzlerin Merkel über Bundespräsident Wulff

    Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat sich immer wieder lobend über die politische Arbeit von Bundespräsident Christian Wulff geäußert - auch nach Beginn der Affäre um dessen umstrittenen Kredit.

    «Christian Wulff ist jemand, der auf die Menschen zugehen wird, der auch schwierige Situationen für unser Land erklären wird, der aus meiner Sicht genau der Richtige ist, um in dieser Zeit Bundespräsident zu sein. Und deshalb freue ich mich von ganzem Herzen.» (Merkel am 30.06.2010 nach der Wahl Christian Wulffs zum Bundespräsidenten)

    «Die Bundeskanzlerin hat volles Vertrauen in die Person und die Amtsführung von Christian Wulff.» (Regierungssprecher Steffen Seibert am 14.12.2011, einen Tag nachdem die «Bild»-Zeitung erstmals über den Hauskredit berichtet hatte)

    «Ich glaube, dass das eine wichtige Erklärung war.» (Merkel am 15.12.2011 nach einer schriftlichen Stellungnahme Wulffs)

    «Es hat sich nichts daran geändert, dass die Bundeskanzlerin volles Vertrauen in die Person Christian Wulff und in die Amtsführung des Bundespräsidenten hat. Er ist ein guter und anerkannter Bundespräsident.» (Vize-Regierungssprecher Georg Streiter am 19.12.2011)

    «Der Bundespräsident macht eine hervorragende Arbeit, und das, was im Raume steht, wird von ihm persönlich aufgeklärt.» (Merkel am 19.12.2011 bei einem Besuch der Bundeswehrsoldaten im Kosovo)

    Wulff genieße weiter Merkels «vollstes Vertrauen». Die Kanzlerin und Wulff stünden «in sehr regelmäßigem und intensivem Kontakt zu einer Vielzahl von Fragen». (Regierungssprecher Seibert am 20.12.2011)

    «Die Worte des Bundespräsidenten stehen für sich. Ihnen ist nichts hinzuzufügen.» (Regierungssprecher Seibert am 22.12.2011 nach der ersten persönlichen Erklärung von Wulff)

    «Deshalb hat die Bundeskanzlerin jetzt auch nicht jeden Tag zu kommentieren, was der Bundespräsident tut oder nicht tut oder tun sollte.» (Vize-Regierungssprecher Streiter am 4.1.2012 unter Hinweis, dass der Präsident ein Verfassungsorgan ist)

    Die niedersächsische SPD zieht aus all dem die Konsequenz und will Christian Wulff vor dem Verfassungsgericht des Landes verklagen, da er das Parlament in seiner Amtszeit falsch über die Finanzierung des „Nord-Süd-Dialogs“ informiert habe. SPD-Fraktionschef Stefan Schostok will dabei nicht ausschließen, die Klage auch auf die aktuelle Regierung auszuweiten, da Finanzminister Hartmut Möllring (CDU) noch am Donnerstag im Landtag eine finanzielle Beteiligung des Landes abgestritten hat.

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