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Hintergrund: Bittere Lektion für Theresa May

Hintergrund

Bittere Lektion für Theresa May

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    Die britische Premierministerin Theresa May trifft auf dem EU-Gipfel ein: Der Empfang für sie hinter verschlossenen Türen war laut Augenzeugen „gelinde gesagt unfreundlich“.
    Die britische Premierministerin Theresa May trifft auf dem EU-Gipfel ein: Der Empfang für sie hinter verschlossenen Türen war laut Augenzeugen „gelinde gesagt unfreundlich“. Foto: Aris Oikonomo, afp

    „Was wäre, wenn …“ – fast jede Frage, die die wartenden Journalisten den vorbeieilenden EU-Staats- und Regierungschefs stellten, begann mit den gleichen Worten. „Was wäre, wenn die Briten dem Austrittsvertrag nicht mehr zustimmen?“, lautete die meistgestellte Frage vor dem Beginn des zweitägigen EU-Gipfeltreffens. „Ich will mich damit jetzt nicht beschäftigen“, antwortete Kanzlerin Angela Merkel. „Fragen Sie mich nicht, was passieren könnte. Wir müssen von Tag zu Tag entscheiden.“

    Tatsächlich blieb die 27er-Union nach diesem ersten Tag des Spitzentreffens genauso klug wie zuvor zurück. Die britische Premierministerin Theresa May habe hinter verschlossenen Türen ihre Zwickmühle zwischen dem eigenen Parlament und der EU deutlich gemacht und gebeten, den Brexit um drei Monate zu verschieben. Die Reaktionen, das berichteten Augenzeugen, seien „gelinde gesagt unfreundlich“ gewesen. „Was soll das denn bringen?“, wurde May entgegengehalten. „Wofür denn?“, habe ein Regierungschef in die Runde gerufen. Es fiel den 27 Staatenlenkern immer schwerer, ihren aufgestauten Ärger über die britische Amtskollegin zurückzuhalten.

    „Ich komme mir vor wie beim ,Warten auf Godot‘“, zitierte der luxemburgische Premierminister Xavier Bettel den Titel des Theaterstücks von Samuel Beckett. „Wir warten und warten, aber es passiert nichts“. Diplomaten der Regierungsdelegationen wurden da schon deutlicher. „Die Briten erpressen uns doch“, sagte einer. Und selbst Kommissionschef Jean-Claude Juncker räumte ein, er habe „bisher nicht gewusst, wie lang sein Geduldsfaden“ sei.

    Die EU will aber nicht mehr länger warten – und stellte May am Donnerstagabend ein Ultimatum: Wenn das Unterhaus Anfang nächster Woche den Austrittsvertrag billigt, kann der Brexit verschoben werden. Voraussichtlich soll Großbritannien Zeit bis zum 22. Mai bekommen, wie es nach Angaben von Diplomaten heißt. Sollte der Austrittsvertrag aber auch zum dritten Mal vom britischen Unterhaus abgelehnt werden, müsste

    Andernfalls fliegt das Vereinigte Königreich aus der EU – ohne Deal. Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron gab sich in diesem Punkt unerbittlich. Auf die Frage, ob ein weiteres Nein des britischen Parlaments einen ungeregelten Austritt bedeuten werde, sagte er kurz und knapp: „Ganz bestimmt.“ Zuvor würde es am Mittwoch oder Donnerstag noch einen EU-Krisengipfel in Brüssel geben.

    Wenn es so etwas wie ein Warnsignal in Richtung Vereinigtes Königreich aus Brüssel gegeben hat, dann bestand es in der längst abhandengekommenen Furcht vor einem solchen Desaster. „Wir sind auf alles vorbereitet“, betonte der niederländische Premier Mark Rutte gleichlautend mit vielen Amtskollegen. Der „No Deal“ hat seinen Schrecken verloren, die EU der 27 Staaten fühlt sich stabil und stark genug, ein solches Beben zu überstehen. Sowohl die Brüsseler Kommission wie auch die Mitgliedstaaten hätten „ihre Hausaufgaben gemacht“, sagte ein deutscher Diplomat. Ein anderer fügte hinzu: „Wir sind sicher besser auf das, was dann kommen würde, vorbereitet als die Briten.“

    Angela Merkel betonte dennoch, „bis zur letzten Stunde“ für ein Abkommen zu arbeiten. Zwar seien die „Spielräume sehr begrenzt“. Aber man werde tun, was nötig ist – bis auf eines: Das ausgehandelte Austrittsabkommen wird auf keinen Fall noch einmal aufgeschnürt.

    Was die EU-Chefs vor allem ärgert: Dies ist der elfte Gipfel der Staatenlenker, der sich mit dem Brexit beschäftigen musste. Dabei gab es dieses Mal auch andere wichtige Themen, die bisher liegen blieben – beispielsweise die Beziehungen zu Peking, kurz vor dem EU-China-Gipfel.

    Aber der Brexit überlagerte wieder einmal alles – und noch immer weiß niemand, was wann passiert.

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