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Hannover: Halbnackte Proteste bei Putin-Besuch: Merkel beinahe getroffen

Hannover

Halbnackte Proteste bei Putin-Besuch: Merkel beinahe getroffen

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    Sicherheitskräfte führen in Hannover eine Demonstrantin ab. Mehrere Aktivistinnen von "Femen" stürmten am Messestand von Volkswagen auf Bundeskanzlerin Merkel (CDU) und Russlands Präsident Putin zu.
    Sicherheitskräfte führen in Hannover eine Demonstrantin ab. Mehrere Aktivistinnen von "Femen" stürmten am Messestand von Volkswagen auf Bundeskanzlerin Merkel (CDU) und Russlands Präsident Putin zu. Foto: Jochen Lübke, dpa

    Protest der nackten Frauen - und die schnellste Reaktion hat der Protokollchef: Als eine Gruppe junger Frauen am Montag auf der Hannover Messe barbusig und schreiend auf den russischen Präsidenten Wladimir Putin zustürmt, schirmt er den Gast unverzüglich ab. Da ist die erste Demonstrantin bereits gefährlich nahe. "Fuck dictator", skandiert sie. Während der Geschmähte mit einem Lächeln auf den Lippen die Daumen nach oben reckt, wird Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) im Handgemenge beinahe von einem Ellenbogen getroffen.

    Wladimir Putin war gekommen um über Handel zu reden

    Das plötzliche Chaos am VW-Stand dokumentiert, wie stark die Menschenrechte heute beim Handel zum Thema werden. Nur Augenblicke zuvor hatten Putin und Merkel noch betont, dass der Rubel im bilateralen Handel immer schneller rolle. Dieser sichere 700.000 Arbeitsplätze, sagt Putin, der gekommen war, um über Handel zu reden. Die deutsche Industrie hofft, beim Ausrichter der Olympischen Winterspiele 2014 und der Fußball-WM 2018 ins Geschäft zu kommen.

    Das ist Femen

    Femen ist eine internationale Frauenbewegung.

    Die Organisation tritt für die Selbstbestimmung der Menschen - vor allem der Frauen ein.

    Femen will zudem die größte Frauenrechtsbewegung der Welt werden.

    Bekannt wurde Femen durch ihre Oben-ohne-Proteste: Halbnackte Aktivistinnen demonstrieren bei Großveranstaltungen und lassen sich öffentlichkeitswirksam festnehmen.

    Gegründet wurde Femen im April 2008 in Kiew/Ukraine, unter anderem aus Protest gegen den dortigen Sex-Tourismus.

    Gründerin ist die 1984 geborene Anna Hutsol.

    Femen-Aktivistinnen zeigen sich oft mit einem bunten Blumenkranz im Haar.

    Die Protest-Aktionen von Femen finden regelmäßig ihren Weg in eine breite Öffentlichkeit. Denn wenn die Aktivistinnen sich nackt zeigen, sind die Fotografen der Weltpresse mit dabei.

    Femen-Mitglieder bezeichnen sich selbst als Sextremistinnen.

    Femen-Aktivistinnen protestierten unter anderem gegen Silvio Berlusconi und Wladimir Putin, gegen Gazprom und die Katholische Kirche.

    Mehrfach landeten Aktivistinnen nach Protestaktionen im Gefängnis.

    Ob denn deutsche Qualität auch zu chinesischen Preisen zu haben sei, will er wissen, als ein Manager das Produkt seines Hauses lobt - bei dem auch garantiert "nichts aus China" stamme. Um ein Lächeln bemüht, lauscht Putin den Präsentationen, tauscht Nettigkeiten aus und nimmt eine rote Kuckucks-Uhr als Geschenk entgegen. Das Thema Menschenrechte scheint zunächst fern - bis der barbusige Protest über die sichtlich nervösen Sicherheitsbeamten hereinbricht.

    Am Volkswagenstand stürmen Femen-Aktivistinnen auf die Besucher zu

    Merkel und Putin sind gerade aus Volkswagens Ein-Liter-Flitzer XL 1 geklettert. In Russland wolle Volkswagen demnächst 500.000 Autos bauen, hören die beiden noch - und verabschieden sich. In diesem Moment stürmen die fünf Demonstrantinnen los. Oben ohne, mit Sprüchen wie "Fuck dictator" oder "Partners in crime" (etwa: Gaunerbande) auf Brust und Rücken.

    Auf ihrer Webseite fordern die Aktivisten der Organisation Femen wenig später alle 150 Millionen Einwohner Russlands auf, Putin ihren Protest ins Gesicht zu schreien - "so wie unsere Sextremistinnen heute in Hannover". Auch Merkel ist Zielscheibe nackten Protests: "Merkel blood on your hands" (etwa: Merkel Blut an den Händen), lautet die gepinselte Botschaft auf dem Rücken einer der fünf jungen Frauen aus Deutschland, Russland und der Ukraine.

    Schon im vergangenen Jahr gab es Proteste

    Putin - Der Kämpfer

    Wladimir Putin kam 1952 in Leningrad zur Welt. Die Arbeiterfamilie lebte in einer 20-Quadratmeter-Wohnung.

    Der kleine Wladimir prügelte sich oft mit Gleichaltrigen. Heute beherrscht er Boxen, Sambo und Judo.

    Nach der Schule studierte er Jura.

    Von 1975 bis 1982 war Putin Offizier des weißrussischen Geheimdienstes.

    1999 ernannte Jelzin Putin zum Ministerpräsidenten. Als Jelzin im Dezember überraschend sein Amt niederlegte, übernahm Putin die Geschäfte des Präsidenten.

    2000 wurde er zum russischen Präsident gewählt. Nach zwei Amtszeiten gab er 2008 den Posten an Freund Dmitri Medwedew ab.

    Im März 2012 wurde Putin erneut Präsident.

    Am Vortag der Wahl fand eine Massenkundgebung gegen Putin statt, bei der es zu blutigen Ausschreitungen kam.

    Kritiker bringen Putin mit Korruption, Justizwillkür und Menschenrechtsverletzungen in Verbindung.

    Auch von Gefolgsleuten wird ihm vorgeworfen, er sei beratungsresistent.

    Die Kanzlerin ist Protest am Rande der weltgrößten Industriemesse bereits gewohnt. Im Vorjahr war es bei China ähnlich, als das Reich der Mitte mit seiner problematischen Tibet-Politik Partnerland war. Zwar hatte Merkel am Montag vor ihrem Rundgang kurz angesprochen, dass es Differenzen mit Putin bei der Beurteilung einer lebendigen Zivilgesellschaft gebe - ein Thema, das sie auch am Ende des

    Putin reagiert gelassen auf die Proteste gegen seine Politik. Sie hätten ihm gefallen, sagt er bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit der Kanzlerin. "Ohne eine solche Aktion würde man weniger über eine solche Messe sprechen als mit einer solchen Aktion." Süffisant setzte er nach: "Ein Dankeschön an die ukrainischen Mädchen". Sie seien hübsch gewesen, aber was sie geschrien hätten, habe er nicht gehört. Grundsätzlich sei solch ein Protest bei der Messe zu erwarten gewesen, bei der das Partnerland zeigen wolle, dass es nicht nur Rohstoffe als Exportgut zu bieten habe. Ein nackter Protest sei zwar unnötig gewesen. "Aber hier ist es sowieso nicht kalt, also kann man das machen."dpa

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