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Haderthauer Rücktritt: Hintergrund: Christine Haderthauer, die Allzweckwaffe der CSU

Haderthauer Rücktritt

Hintergrund: Christine Haderthauer, die Allzweckwaffe der CSU

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    Christine Haderthauer (CSU) verlässt ihr Amt. Unter dem Druck der Modellauto-Affäre hielt sie es nicht mehr aus.
    Christine Haderthauer (CSU) verlässt ihr Amt. Unter dem Druck der Modellauto-Affäre hielt sie es nicht mehr aus. Foto: Sven Hoppe (dpa)

    Christiane Haderthauer zitierte vor einigen Wochen auf ihrer Facebook-Seite die Kabarettgruppe Geschister Well: "Manche Frauen haben Haare auf den Zähnen, bei der Haderthauer hat jeder Zahn 'ne eigene Frisur", lästerten die bayernweit bekannten Satiriker demnach bei einem Auftritt in Unterfranken. Die CSU-Politikerin fand das "cool".

    Christine Haderthauer überlebte ihr politisches Aus

    In den vergangenen Jahren hat es der bayerischen Staatskanzleichefin an Selbstbewusstsein nicht gemangelt. Ansonsten hätte es die 51-Jährige in der Partei möglicherweise auch nicht so weit gebracht. In den Landtag zog die Juristin erstmals 2003 ein und 2007 machte sie, der damalige Parteichef Erwin Huber, zur Generalsekretärin. Ein Jahr später, nach dem verheerenden CSU-Absturz bei der Landtagswahl und dem Verlust der absoluten Mehrheit, stand sie zum ersten Mal vor dem politischen Aus. Für das CSU-Desaster war sie als Generalsekretärin automatisch in der Mitverantwortung.

    Haderthauer überlebte. Für viele überraschend, machte sie Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) zur Sozialministerin. Am Kurswechsel der CSU hin zu einer weniger harten Asylpolitik war sie maßgeblich am Kurswechsel beteiligt. Die Opposition warf ihr jedoch soziale Kälte vor. Seit ihrem Wechsel in die Staatskanzlei durfte sie sich zu allen Themen äußern.

    Chronologie: Der Fall Haderthauer

    Als junge Rechtsanwältin steigt die spätere Staatskanzleichefin Christine Haderthauer 1990 in das Modellauto-Geschäft ein. Ein knappes Vierteljahrhundert später steht sie unter Betrugsverdacht.

    16. Mai 1988 - Der dreifache Sexualmörder Roland S. wird vom Landgericht Nürnberg zu lebenslanger Haft und Unterbringung verurteilt. Im Maßregelvollzug lernt S. Assistenzarzt Hubert Haderthauer kennen.

    1990 - Der Dreifachmörder baut Modellautos. Haderthauers Frau Christine wird Teilhaberin der Firma Sapor Modelltechnik, die die Autos verkauft. Ein Mitgesellschafter ist der Franzose Roger Ponton. Das Geschäft läuft schlecht, Ponton soll Geld nachschießen. Laut Haderthauer antwortet er nicht auf entsprechende Kontaktversuche und ist seit 1996 nicht mehr erreichbar.

    2004 - Haderthauer überträgt nach ihrem Einzug in den Landtag ihren Firmenanteil an Ehemann Hubert.

    2008 - Christine Haderthauer wird Ministerin, Hubert Haderthauer - inzwischen Landgerichtsarzt in Ingolstadt - verkauft die Firma.

    6. April 2011 - Der nach Darstellung der Haderthauers jahrelang nicht erreichbare Ponton meldet sich und verlangt eine Abfindung für seinen Anteil. Die Parteien einigen sich auf 20 000 Euro.

    2013 - Der «Spiegel» berichtet über die Modellauto-Geschäfte. Die bayerische Landesanwaltschaft führt unter anderem wegen der früheren Modellauto-Geschäfte ein Disziplinarverfahren gegen Dr. Haderthauer.

    Mai 2014 - Ponton erstattet Betrugsanzeige. Er vermutet, dass die Haderthauers ihn bei der Abfindung um rund 30 000 Euro prellten.

    1. August 2014 - Die Staatsanwaltschaft München II leitet förmliche Ermittlungen wegen Betrugsverdachts gegen die Staatskanzleichefin ein. Gegen ihren Mann wurde bereits vorher ermittelt.

    5. August 2014 - Seehofer macht den Verbleib Haderthauers im Amt von zwei Faktoren abhängig: dem Ausgang des Ermittlungsverfahrens und eventuellen neuen Enthüllungen.

    10. August 2014 - Seehofer fordert von Haderthauer schnelle Aufklärung der Vorwürfe.

    1. September 2014: Haderthauer erklärt ihren Rücktritt wegen der «Modellbau-Affäre».

    Haderthauer war ohnehin eine sehr vielseitige Frau: bundesweit ist sie bekannt, nicht nur wegen ihres auffälligen schwarzen Lockenkopfes, sondern auch wegen ihres losen Mundwerks. Gefragt wurde sie zu allen politischen Themen und zu Talkshows in Berlin eingeladen. Sie suchte und genoss die große Bühne. Ihr fehlte es nicht an Sendungsbewusstsein, genauso wenig an Fleiß und Machtbewusstsein.

    Druck auf Seehofer in der "Modellauto-Affäre" wuchs

    In der Reihe von Seehofers Kronprinzen und -prinzessinnen zog Wirtschaftsministerin Ilse Aigner an Haderthauer vorbei. Zuletzt war sie wegen einer gefährlichen Verengung der Halsschlagader für etwa einen Monat außer Gefecht gesetzt. Danach sagte sie in einem Interview: "Jeder ist in seiner Funktion irgendwie ersetzbar."

    Genau das mag sich auch Seehofer gedacht haben. In der Affäre um die einst von Haderthauer und ihrem Mann geführte Modellauto-Firma Sapor wuchs der Druck immer weiter. Vielleicht aber hat sie ihren Sturz auch ihrem Charakter zu verdanken. Dem Vorwurf, es habe sich um ein zwielichtiges und möglicherweise betrügerisches Geschäft unter anderem mit einem inhaftierten Dreifachmörder gehandelt, habe sie forsch entgegen gesteuert. Sie wies strikt alle Anschuldigungen zurück und bemängelte die Sapor Modelltechnik als eine Art soziales Projekt. Selbst in der CSU stieß sie mit ihrer Reaktion auf Kritik: "Das glaubt doch kein Mensch", hieß es dort schon vor ihrem Sturz. (dpa/AZ)

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