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Gülle-Streit: Bayern reicht es: "Unnötige Verschärfung der Grenzwerte"

Gülle-Streit

Bayern reicht es: "Unnötige Verschärfung der Grenzwerte"

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    Zu viel Gülle auf Äckern und Wiesen belastet nach Meinung der EU zu stark das Grundwasser in Deutschland. Der zuständige Kommissar droht der Bundesregierung mit saftigen Geldstrafen.
    Zu viel Gülle auf Äckern und Wiesen belastet nach Meinung der EU zu stark das Grundwasser in Deutschland. Der zuständige Kommissar droht der Bundesregierung mit saftigen Geldstrafen. Foto: Karl-Josef Hildenbrand, dpa

    Dass die EU-Kommission die Daumenschrauben im Kampf gegen zu viel Gülle auf den Äckern noch einmal anzieht, stößt in Bayern und Baden-Württemberg auf Unverständnis. Brüssel sind die hierzulande verabredeten Schritte zu wenig, um die Nitratbelastung in Böden und Gewässern wirksam zu senken.

    Das bayerische Landwirtschaftsministerium bewertet das Vorgehen der EU dennoch als „unnötige Verschärfung“, wie das Haus von Michaela Kaniber (CSU) auf Anfrage erklärte. Im Nachbarland wird diese Einschätzung geteilt. „Die Maßnahmen befinden sich in der Umsetzung. Die Kommission sollte den Ländern Zeit geben, um zu schauen, wie sie wirken“, sagte der baden-württembergische Landwirtschaftsminister Peter Hauk (CDU) unserer Redaktion.

    Gerade im Südwesten werde der Gewässerschutz seit Jahrzehnten erfolgreich betrieben, weshalb das Problem für die Bauern seines Landes nicht so gravierend sei wie für die Landwirte anderer Länder. Laut Hauk sind nur neun Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche rote Gebiete, in denen die Nitratkonzentration zu hoch ist.

    Die Salze stammen zum großen Teil aus der Gülle, mit der die Bauern ihre Felder düngen. Landet davon zu viel auf den Äckern, sammeln sich Rückstände in Flüssen, Seen und dem Meer. Das Umweltbundesamt warnt davor, dass in Zukunft das Trinkwasser deutlich teurer werden könnte, weil es aufwendiger von Nitraten gereinigt werden muss, sollte die Überdüngung anhalten.

    Gülle-Streit: EU droht mit 850.000 Euro Strafe pro Tag

    Deutschland und die EU-Kommission streiten seit Jahren über das Problem. Der zuständige Umweltkommissar Karmenu Vella ist verärgert, weil die Bundesrepublik nach seinem Dafürhalten viel zu zaghaft reagiert hat. Deshalb setzte er nun eine letzte Frist, drohte offen mit einer Klage vor dem Europäischen Gerichtshof. Im schlimmsten Fall könnte Deutschland zu einer Geldstrafe von 850.000 Euro verurteilt werden – pro Tag. In spätestens acht Wochen will Vella ein neues Konzept sehen, wie künftig die Grenzwerte für Nitrat im Grundwasser eingehalten werden. Dessen Qualität „gehört zu den schlechtesten in der Europäischen Union“, beklagte der Kommissar.

    Für Bund und Länder ist das eine harte Nuss. Denn erst im Juni hatte man sich auf strengere Vorschriften für die Landwirte geeinigt. Sperrfristen, in denen keine Gülle auf die Felder und Wiesen gesprüht werden darf, sollen verlängert und der Abstand zu Gewässern vergrößert werden. Das alles reicht Vella nicht. Er dringt auf ein Verbot der Düngung an Hanglagen und besteht vor allem darauf, dass streng kontrolliert wird, wie viel Gülle auf die Äcker kommt. Das ist in der Praxis gar nicht so einfach, denn bislang haben sieben Bundesländer nicht einmal die stark belasteten roten Gebiete ausgewiesen. Dazu zählt Niedersachsen als Mast-Hochburg, aber auch Bayern, Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen.

    Drohung der EU: Kritiker sprechen von falschem Herumdoktern

    Für die Grünen und die Umweltverbände sind die Vorgaben der EU-Kommission keine Lösung, sondern ein Herumdoktern an den Folgen einer falschen Landwirtschaft mit industrieller Massentierhaltung. „Wir schauen jetzt auf kurzfristige technische Lösungen. Tatsächlich helfen würde, den Tierbestand in den roten Gebieten zu senken“, forderte der Chef des Bunds für Umwelt- und Naturschutz (BUND), Hubert Weiger, im Gespräch mit unserer Redaktion. Konkret dürften pro Hektar zum Beispiel nur zwei Kühe oder rund 20 Schweine gehalten werden, die der Bauer mit Nahrung vom eigenen Hof versorgt. „Das wäre der beste Schutz für die bäuerliche Landwirtschaft, gerade für die kleineren Betriebe in Süddeutschland“, sagte Weiger.

    Auch Grünen-Chef Robert Habeck verlangte eine Agrarwende, um Tiere und Natur zu schützen. „Und zwar so, dass mit den vielen Steuermilliarden die Bauern mehr Geld bekommen, die klima-, umwelt- und tierfreundlich wirtschaften“, sagte Habeck.

    Für seine Kritik an der konventionellen Landwirtschaft fing sich Habeck einen Rüffel aus Baden-Württemberg ein. „Habeck hat es als Landwirtschaftsminister in Schleswig-Holstein selbst nicht geschafft, die Nitrat-Belastung zu reduzieren“, kritisierte Landwirtschaftsminister Hauk den Star der Grünen.

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