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Grünen-Parteitag: Grüne streben an die Macht: Die Revolution muss warten

Grünen-Parteitag

Grüne streben an die Macht: Die Revolution muss warten

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    Robert Habeck und Annalena Baerbock unterhalten sich beim digitalen Bundesparteitag der Grünen nach der Rede des Vorsitzenden im sogenannten Wohnzimmer.
    Robert Habeck und Annalena Baerbock unterhalten sich beim digitalen Bundesparteitag der Grünen nach der Rede des Vorsitzenden im sogenannten Wohnzimmer. Foto: Kay Nietfeld, dpa

    Weiß ist die Farbe des Neubeginns. Weiß war die Farbe des Kleides von Annalena Baerbock, Chefin der Grünen. Sie trug es am Tag 1 des dreitägigen Parteitages, der am Freitag in Berlin begann und am Sonntag zu Ende ging. In den USA trug die kommende Vize-Präsidentin Kamala Harris vor kurzem einen weißen Hosenanzug. Wollte Baerbock direkt daran anknüpfen? Diese Frage wurde im Internet intensiver diskutiert als politische Grundsatzfragen.

    Annalena Baerbock beim digitalen Parteitag der Grünen.
    Annalena Baerbock beim digitalen Parteitag der Grünen. Foto: Kay Nietfeld, dpa

    Die Vorsitzende und ihr in schwarz gewandeter Co-Chef Robert Habeck ließen keinen Zweifel daran, dass sie genau das vorhaben. Nach den Wahlen im Herbst nächsten Jahres wollen sie rein in die Regierung und die weißen Blätter beschreiben. „Jede Zeit hat ihre Farbe. Und diese Zeit ist grün“, sagte Baerbock in ihrer Rede an die 800 Delegierten. Sie waren von zu Hause per Computer zugeschaltet, während die Ansprachen der Parteispitze aus einer Art Fernsehstudio aus dem Berliner Tempodrom übertragen wurden. Über eine Applaus-Funktion konnten die Delegierten Sonnenblumen und Herzchen über die Monitore fliegen lassen.

    Kompromiss mit den Vertretern von Fridays for Future

    Baerbock war es zuvor gelungen, einen für die Grünen-Spitze heiklen Streit mit Teilen der Basis und den Klimaaktivisten von Fridays for Future zu entschärfen. Letztere warfen den Vorsitzenden vor, den Kampf gegen die Erderwärmung nicht energisch zu führen. In einem Antrag verlangten sie, dass die Begrenzung der Erderwärmung auf 1,5 Grad zur „Maßgabe grüner Politik“ werden müsse. Das hätte bedeutet, Wirtschaft und Gesellschaft noch viel radikaler umzubauen, als es ohnehin angedacht ist. Der Partei gelang es aber, Streit auf offener Bühne zu vermeiden, was als Niederlage für Baerbock und Habeck gewertet worden wäre. Im Kompromiss heißt es nun, es sei „notwendig, auf den 1,5 Grad-Pfad zu kommen“.

    Die Grünen bleiben damit anschlussfähig an alle Koalitionspartner. Mit Linken und SPD könnte die Wirtschaft rascher von Staats wegen umgebaut werden, mit CDU, CSU und eventuell FDP langsamer. „Wir Grünen können eine sozial-ökologische Marktwirtschaft nicht alleine bauen – nicht mit 20 Prozent, auch nicht mit 30“, sagte Baerbock.

    Nach diesem Wochenende mit der digitalen Parteitagspremiere präsentieren sich die Grünen den Wählern weiter als geeinte Partei, während bei der CDU offen und hart um die Macht gefochten wird. Der Pakt des Führungsduos hat Bestand. Habeck und Baerbock ließen ein gutes Dreivierteljahr vor der Wahl die Kanzler-Frage offen, keiner der beiden drängte nach vorn. Ihnen kam dabei zugute, dass coronabedingt keine richtige Atmosphäre aufkommen konnte. Der Saal konnte sich nicht erregen und von einer Stimmung wegtragen lassen. Die Reden der zwei Spitzengrünen sorgten zusätzlich für Langeweile. Beide lasen sie ihren Text vom Teleprompter ab, was wirkte, als hätten sie ihn auswendig gelernt.

    "Optimistisch arbeiten wir an Lösungen. Und für diese Lösungen kämpfen wir um die Macht": Robert Habeck.
    "Optimistisch arbeiten wir an Lösungen. Und für diese Lösungen kämpfen wir um die Macht": Robert Habeck. Foto: Kay Nietfeld, dpa

    Habeck zeigt Demut vor denen, die Angst vor Veränderung haben

    Habeck orderte ebenso die Macht für seine Partei, baute aber mit großer Demutsgeste vor. Der zum Schwurbeln neigende Philosoph will nicht machtversessen wirken. „Macht – das ist in unserem Kosmos oft ein Igitt-Begriff gewesen“, erklärte er. Deshalb fügte der 51-Jährige eine kleine Geschichte ein.

    Neulich habe sein Stammsupermarkt die Regale umgestellt, weshalb er völlig verloren gewesen sei. Hinter der Anekdote verbirgt sich die Botschaft, dass auch Super-Grüne zum Supermarkt gehen wie du und ich und manchmal verwirrt sind in diesen verrückten Zeiten. Der Umbau unserer Lebensweise, sei aber wegen des Klimawandels ohne Alternative, sagte Habeck weiter. „Es ist ein verdammt großes Rad, das wir drehen wollen, das wir drehen müssen, weil die Zeit so drängt.“ Notfalls, so die Botschaft des Parteitages, kann sich das Rad aber auch ein wenig langsamer drehen.

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