Startseite
Icon Pfeil nach unten
Politik
Icon Pfeil nach unten

Grünen-Chefin auf Tour: "Roth, Claudia Benedikta"

Grünen-Chefin auf Tour

"Roth, Claudia Benedikta"

    • |
    Die Bundesvorsitzende von Bündnis 90 /Die Grünen, Claudia Roth, spricht  in Vranje mit dem Einwohner Ivica. Die Politikerin setzt ihre Balkanreise zu den Roma-Minderheiten fort.
    Die Bundesvorsitzende von Bündnis 90 /Die Grünen, Claudia Roth, spricht in Vranje mit dem Einwohner Ivica. Die Politikerin setzt ihre Balkanreise zu den Roma-Minderheiten fort. Foto: Britta Pedersen, dpa

    Die Galle kommt Claudia Roth zum ersten Mal im serbischen Niemandsland nahe der bulgarischen Grenze hoch. "Das verdirbt uns das ganze Programm", brummelt sie auf ihrem Platz in einem blauen Mercedes-Bus.

    Die Grünen-Chefin ist extra früh aufgestanden, um pünktlich um fünf Uhr morgens in Belgrad loszukommen. Nächstes Ziel ihrer Reise zur Erkundung der Lage der Minderheiten auf dem Balkan: die bulgarische Hauptstadt Sofia. Doch jetzt fährt sie im Kreis.

    Der Fahrer hat sich nach einem Zwischenstopp in Südserbien vertan und kommt nach etlichen Kilometern über holprige Landstraßen wieder an bereits passierten Häusern vorbei. Roth legt ihr Smartphone weg, wo sie sich die Zeit mit einem Spiel vertrieben hat.

    "Nicht aufregen, Roth, bringt eh nichts."

    Zu allem Unglück wird plötzlich klar: Niemandem ist bisher aufgefallen, dass Bulgarien eine Zeitzonen-Stunde weiter als Serbien ist - der Anschlusstermin in einer Romasiedlung in Sofia ist nie und nimmer zu halten. Jetzt ist die Pünktlichkeitsfanatikerin richtig sauer über die Panne im Plan - doch versucht sie sich zur ermahnen: "Nicht aufregen, Roth, bringt eh nichts."

    Die kleine Delegation schlängelt sich in nicht enden wollenden Kurven die wild bewaldeten Berge zur bulgarischen Grenze hoch. Es ist zugleich die Außengrenze zur EU, in die Serbien unbedingt hinein will und in der Bulgarien schon ist. Der einst rege Grenzverkehr ist völlig weg, der Bus mit Roth der einzige Wagen auf der Strecke.

    Erst als endlich ein hölzerner Schlagbaum einer kleinen Grenzstation zu sehen ist, hellt sich ihre Laune auf. Beim Austeilen der eingesammelten Pässe verliest der Grenzpolizist die vollen Namen: "Roth, Claudia Benedikta." Selbst mitreisende Parteifreunde müssen lachen, weil sie deren Zweitnamen zum ersten Mal hören.

    Claudia Roth: Eigentlich sollen die Schlagbäume fallen

    Für die Besucher aus Deutschland ist der Grenzübertritt eine Sache von wenigen Minuten, für andere ist die Grenze eine Hürde.

    Das ist Claudia Roth

    Claudia Roth erblickte am 15. Mai 1955 im schwäbischen Ulm das Licht der Welt. Sie wuchs in der Nähe von Memmingen als Tochter einer Lehrerin und eines Zahnarztes auf. Die linksliberale Gesinnung der Eltern hatte erheblichen Einfluss auf ihren Werdegang.

    Nach dem Abitur studierte sie für zwei Semester Theaterwissenschaft in München. Das Landestheater Schwaben stellte sie 1975 als Dramaturgin ein. Anschließend arbeitete Claudia Roth für das städtische Theater in Dortmund und für das Kinder- und Jugendtheater in Unna.

    In Dortmund lernte sie die Kult-Band "Ton, Steine, Scherben" um Frontman Rio Reiser kennen. Von 1982 bis 1985 war Claudia Roth die Managerin der Gruppe. Gleichzeitig lebte sie zusammen mit den Musikern in der Scherben-Kommune in Schleswig-Holstein.

    Schon als Jugendliche engagierte sich Claudia Roth bei den Jungdemokraten. 1985 begann ihre Laufbahn bei den Grünen. Über die taz suchte die Bundestagsfraktion eine Pressesprecherin. Claudia Roth bewarb sich erfolgreich und behielt die Position bis 1989. Anschließend wurde sie ins Europaparlament gewählt.

    In Brüssel setzte sie sich vor allem für die Wahrung der Menschenrechte ein. Insbesondere versuchte sie die Lage der kurdischen Minderheit in der Türkei zu verbessern. Aber auch die Gleichstellung Homosexueller war für Claudia Roth ein zentrales Anliegen.

    1998 wurde Claudia Roth in den Bundestag gewählt. Bis 2001 stand sie dem neu gegründeten Ausschuss für humanitäre Hilfe und Menschenrechte vor. Anschließend übernahm sie für knapp zwei Jahre den Parteivorsitz.

    Nachdem 2003 eine Lockerung der strikten Trennung von Amt und Mandat beschlossen wurde, kandidierte Claudia Roth 2004 erneut für den Parteivorsitz. Sie konnte die Wahl für sich entscheiden und wurde seither immer wieder im Amt bestätigt.

    2004 wurde sie für ihr Engagement als Beauftragte für humanitäre Hilfe und Menschenrechte mit dem Ritterorden der französischen Ehrenlegion ausgezeichnet.

    Claudia Roth ist außerdem Sprecherin des DFB-Umweltbeirates. 2010 hat sie sich erfolgreich für eine klimafaire FIFA Frauen-WM eingesetzt.

    2013 gibt Claudia Roth nach der Wahl ihr Amt als Parteivorsitzende ab und ist seither als Bundestags-Vizepräsidentin in der Politik aktiv.

    Der Bus durchfährt die ersten bulgarischen Orte. Für die vielgereiste Roth ist es das erste Mal hier. "Jetzt sind wir im Armenhaus Europas", meint sie, den besorgten Blick durchs Fenster auf Wohnhäuser mit breitflächig abgebröckelten Putz gerichtet. In Sofia fällt der Unterschied zu Belgrad auf - es wirkt auf den ersten Blick ärmer. Teils verfallene Häuser und propere Bauten mit Geschäften oder Banken wechseln sich ab.

    Der Bus soll zu einer bestimmten Tankstelle, wo Wagen und Fahrer gewechselt werden sollen - und rumpelt einer anderen entgegen. Doch irgendwann klappt es doch noch. Die Abenteuerfahrt ist zu Ende, Roth klettert in einem von Roma bewohnten Viertel ins Freie - und wird sofort umringt von lachenden und feixenden Kindern der Minderheit. Alle wollen wissen, was das für eine blonde Frau mit hellgrünem Schal ist. Roth will wissen, wie es den Kindern hier geht. Jetzt ist sie in ihrem Element und strahlt.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden