Seit zehn Tagen ist Robert Habeck in Bayern auf Wahlkampftour, fühlt sich schon als „Wahl-Bayer“. Am Dienstagabend ist er Gast beim "Augsburger Allgemeine Forum Live" im Augsburger Rathaus. Für den Bundesvorsitzenden der Grünen ist es ein Heimspiel im Goldenen Saal. Das Publikum – mehr als 400 Leser der Augsburger Allgemeinen und ihrer Heimatzeitungen – begrüßt ihn mit frenetischem Applaus, als er mit zwei Minuten Verspätung fast im Laufschritt den Saal betritt.
Zehn Tage lang hat der Politiker aus dem Hohen Norden erlebt, was sich in Bayern gerade ändert. Führenden CSU-Politikern ist er in dieser Zeit nicht begegnet. Und seine Hauptbotschaft an die Partei und seine Zuhörer: „Ich erwarte von uns, dass wir ein Teil dieser Neuaufstellung sind.“ Womöglich auch gemeinsam mit der CSU. Auf die Fragen von Chefredakteur Gregor-Peter Schmitz und Politikredakteurin Margit Hufnagel nennt Habeck die Bedingungen, auch aus einer Position der Stärke heraus.
Grünen-Chef Habeck verlangt, dass die CSU ihre Fehler einsieht
Die Grünen befinden sich im Umfrage-Hoch, die CSU taumelt einem historischen Tief entgegen, auch wenn sie stärkste Partei bleiben wird. „Bei der CSU muss sich überall was bewegen“, verlangt Habeck. Sie müsse ihre politischen Fehler der Vergangenheit im Zusammenhang mit der Flüchtlingsfrage oder dem Umgang mit den Rechtspopulisten einsehen und auch Entschuldigung sagen, „dann kann man miteinander reden“. Habeck schließt eine Koalition mit der CSU nach dem 14. Oktober also nicht kategorisch aus. Söder und den Seinen wirft der Grünen-Chef vor, mit ihrer Politik die Mitte für rechte Populisten geöffnet zu haben. Man habe eben auch sprachliche Verrohung und Verwilderung erlebt.
Habeck verlangt in Augsburg den respektvollen demokratischen Umgang der Parteien untereinander. Ob er denn schon mit Söder gesprochen habe, wird Habeck gefragt. Sie hätten sich einmal am Rande einer "Anne Will"-Sendung getroffen, sagt er. „Das war nicht so super miteinander.“
Vor der Landtagswahl 2018: Warum sind die Grünen im Augenblick so stark?
Der Frage, warum die Grünen im Augenblick so stark sind – sie stellen einen Ministerpräsidenten, sind in zehn Bundesländern mit in der Regierung, in Umfragen liegen sie seit einiger Zeit vor der SPD – geht Habeck aus dem Weg. Und gibt allenfalls eine indirekte Antwort. Im jüngst von der Bertelsmann-Stiftung veröffentlichten Populismusbarometer gingen die Werte aller Parteien nach oben, nur der der Grünen, die schon ganz unten lagen, sei weiter gesunken. Scharfen Tönen und billigen Parolen erteilt der Grünen-Chef eine klare Absage.
Vielleicht ist auch Habecks Art, Politik zu erklären, ein Erfolgsgeheimnis der Grünen. Der 49 Jahre alte Germanist und Schriftsteller, der bis Ende August sechs Jahre lang Landwirtschaftsminister in Schleswig-Holstein war, sagt, man werde nicht für das gewählt, was man in der Vergangenheit getan hat, sondern dafür, wie man mit dem Problem der Menschen umgegangen ist. Und, ob es gelingt Vertrauen aufzubauen. Vorher hat er schon gesagt, viele Politiker würden an den Sorgen und Nöten der Menschen vorbei reden. Das zeige sich dann daran, dass es den einen Parteien aktuell schlechter geht und den anderen besser.
Umfragewerte bei 18 Prozent: Werden die Grünen nun zur Volkspartei?
Werden die Grünen mit bundesweiten Umfragewerten zwischen 16 und 18 Prozent jetzt gar zur Volkspartei, also das, was Union und SPD einmal für sich in Anspruch nehmen durften? Habeck würde diesen Begriff für seine Arbeit nicht verwenden, sagt er: „Ich strebe eine breite Bündnisfähigkeit mit der Bevölkerung an.“ Die Werte der Grünen dürften dabei nicht verraten werden. Er wendet sich ausdrücklich nicht gegen die etablierten Form der Politik. Er will „die Parteiendemokratie erneuern, nicht abschaffen“, möchte nicht am Ast der institutionellen Demokratie sägen.
Und zum Abschluss die Frage, ob er einen Roman schreiben wolle, angesichts der Erfahrungen in der Kieler Landesregierung, nach den gescheiterten Jamaika-Verhandlungen mit Angela Merkel (CDU, Horst Seehofer (CSU) und Christian Lindner (FDP). Nein sagt er. Er könne sich gerade nichts anderes vorstellen als das, was er gerade tue. Also Politik. Und wenn der Vater von vier Kindern doch irgendwann später wieder ein Buch schreiben wolle, „dann in der Form, die Politik zu erklären“. Er habe jetzt die Möglichkeit Einblicke zu gewähren, auch hinter die Kulissen. Beim "Augsburger Allgemeine Forum Live" am Mittwochabend hat er es auch schon getan.
Das nächste "Augsburger Allgemeine Forum Live" im Goldenen Saal ist in gut zwei Monaten: Am 19. Dezember wird sich Siemens-Chef Joe Kaeser den Fragen von Gregor-Peter Schmitz und natürlich von Ihnen stellen.
In der aktuellen Folge unseres Podcasts "Bayern-Versteher" widmen wir uns der Landtagswahl am Sonntag. Hier können Sie reinhören: