Aus Gründen der Gleichbehandlung lehnt Volker Beck, der Parlamentarische Geschäftsführer der Grünen-Fraktion, den Auftritt von Papst Benedikt XVI. vor dem Deutschen Bundestag am kommenden Donnerstag ab. Allerdings will er den Auftritt nicht boykottieren.
Herr Beck, was haben Sie persönlich gegen den Papst?
Beck: Ich habe manches am Papst zu kritisieren, zum Beispiel seine Öffnung der Kirche hin zu den Pius-Brüdern, aber das ist nicht der Punkt, warum ich es unverändert für merkwürdig halte, dass der Papst vor dem Bundestag spricht.
Was ist falsch daran?
Beck: Wir haben bislang nur Repräsentanten von Israel und unserer wichtigster Bündnispartner sowie ehemaliger Kriegsgegner eingeladen, vor dem Deutschen Bundestag zu sprechen. Das war immer als eine besondere Geste der Versöhnung gedacht. Dagegen waren wir uns immer einig, dass wir es vermeiden, dass Vertreter kleinerer Staaten, die ihren Besuch protokollarisch aufwerten wollen, vor dem Bundestag auftreten dürfen. Das würde sonst inflationär werden. Religionsführer haben wir in der Vergangenheit bewusst nicht eingeladen, daran scheiterte zum Beispiel auch die Idee, den Dalai Lama vor dem Bundestag sprechen zu lassen, obwohl ihm das in seinem Kampf für Menschenrechte und gegen die Unterdrückung der Tibeter in China sehr geholfen hätte.
Nun haben wir aber die besondere Situation, dass wir es mit einem deutschen Papst zu tun haben und dieser als Oberhaupt des Vatikanstaates zu einem offiziellen Staatsbesuch nach Deutschland kommt. Kann man da keine Ausnahme machen?
Beck: Wir müssen dann im Rahmen der Gleichbehandlung in Zukunft noch ganz andere Repräsentanten einladen, bei denen wir uns in der Vergangenheit dagegen entschieden haben.
Werden Sie der Rede des Papstes am Donnerstag beiwohnen?
Beck: Der Papst ist nun von der Mehrheit des Bundestages, von Linke bis Union, eingeladen, damit ist er Gast unseres Hauses. Entsprechend werden wir ihn in unserem Parlament empfangen und ihm den gebührenden Respekt entgegenbringen. Im Gegenzug erwarte ich vom Papst, dass er sich auch seiner Rolle als Gast bewusst ist und sich nicht in Fragen der deutschen Innenpolitik bei Familienpolitik oder der Aids-Prävention einmischt.
Rund 100 Abgeordnete von SPD, Grünen und Linkspartei wollen der Rede fernbleiben. Was soll dieses Fernbleiben zum Ausdruck bringen?
Beck: Es ist das freie Recht eines jeden Abgeordneten, an einer Plenarsitzung oder einer Festveranstaltung teilzunehmen oder ihr fernzubleiben. Die Abgeordneten, die das tun, wollen ihren Protest gegen bestimmte Positionen des Papstes, gegen seine Politik in der Dritten Welt, bei Fragen der Sexualität oder der Frauenrechte zum Ausdruck bringen, aber das müssten Sie die einzelnen Kollegen schon selber fragen.
Das heißt, Sie nehmen teil?
Beck: Ich nehme teil.
Kritiker sagen, durch den Auftritt des Pontifex würde die weltanschauliche Neutralität des Staates infrage gestellt. Doch die Trennung von Kirche und Staat ist doch unbestritten, auch der Papst will daran nicht rütteln.
Beck: Wenn der Papst als Religionsführer spricht, ist die weltanschauliche Neutralität des Staates insofern verletzt, als wir dann auch Vertretern anderer Religionsgemeinschaften oder Repräsentanten der Atheisten das gleiche Recht geben müssten, sich vor dem Bundestag artikulieren zu dürfen. Ansonsten wäre es eine einseitige Parteinahme für eine Religionsgemeinschaft.
Könnte es nicht sein, dass der Papst angesichts der unübersehbaren Krise des Kapitalismus eine wichtige politische Rede hält, die Ihnen sogar aus dem Herzen spricht?
Beck: Das mag sein, aber das ändert nichts an der Tatsache, dass man als Staat nicht Partei für eine bestimmte Religionsgemeinschaft ergreifen soll. Ich bin auch nicht dagegen, dass der Papst in Berlin redet. Ich hätte nur einen anderen Ort für angemessener gehalten.
Der Bundestag debattiert ausgerechnet einen Tag vor dem Papst-Besuch den von den Grünen eingebrachten Gesetzentwurf über die Gleichstellung von gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften mit der Ehe. Welches Signal soll davon ausgehen?
Beck: Wir zeigen, dass wir uns das Debattieren in der deutschen Innenpolitik nicht verbieten lassen. Auch wenn der Papst in der Vergangenheit gegen die rechtliche Anerkennung homosexueller Partnerschaften Sturm gelaufen ist, treten wir nach wie vor dafür ein, dass die Ehe für homosexuelle Paare geöffnet wird, weil die Ehe ist für uns ein weltlich Ding und da gilt die Verfassung. Die verlangt, dass jeder vor dem Gesetz gleich zu behandeln ist. Interview: Martin Ferber