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Großer Zapfenstreich: Alt-Bundespräsidenten boykottieren Wulffs Verabschiedung

Großer Zapfenstreich

Alt-Bundespräsidenten boykottieren Wulffs Verabschiedung

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    Ex-Bundespräsident Christian Wulff muss immer mehr Absagen für den am Donnerstag  geplanten Großen Zapfenstreich zu seiner Verabschiedung hinnehmen.
    Ex-Bundespräsident Christian Wulff muss immer mehr Absagen für den am Donnerstag  geplanten Großen Zapfenstreich zu seiner Verabschiedung hinnehmen. Foto: dpa

    Ex-Bundespräsident Christian Wulff muss immer mehr Absagen für den am Donnerstag geplanten Großen Zapfenstreich zu seiner Verabschiedung hinnehmen. Alle vier noch lebenden Altbundespräsidenten werden nach einem Bericht der Welt der militärischen Zeremonie im Park von Schloss Bellevue fernbleiben. Richard von Weizsäcker, Roman Herzog, Horst Köhler und Walter Scheel hätten sich gegen eine Teilnahme entschieden, berichtet die Zeitung unter Berufung auf die Büros der Ex-Präsidenten.

    Auch SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier wird nicht kommen

    Chronologie der Affäre Wulff

    25. Oktober 2008: Christian Wulff, damals Ministerpräsident von Niedersachsen, bekommt von der Unternehmergattin Edith Geerkens einen Privatkredit über 500.000 Euro zum Kauf eines Hauses.

    18. Februar 2010: Wulff antwortet auf eine mündliche Anfrage im niedersächsischen Landtag, dass es zwischen ihm und dem Unternehmer Egon Geerkens in den vergangenen zehn Jahren keine geschäftlichen Beziehungen gegeben habe.

    12. Dezember 2011: Wulff versucht, Bild-Chefredakteur Kai Diekmann zu erreichen, um einen Bericht zur Finanzierung seines Privathauses zu verhindern oder zu verschieben. Auf der Mailbox droht er "Krieg" mit Springer an, falls die Geschichte erscheint.

    13. Dezember: Die "Bild"-Zeitung berichtet erstmals über Wulffs Hauskauf-Finanzierung.

    14. Dezember 2011: Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) spricht Wulff ihr Vertrauen aus.

    15. Dezember 2011: Der Bundespräsident bricht sein Schweigen: "Ich erkenne an, dass hier ein falscher Eindruck entstehen konnte. Ich bedauere das", heißt es in einer Mitteilung. In der Sache habe er nichts zu verbergen.

    19. Dezember 2011: Wulffs Anwalt legt Unterlagen zum Kredit und eine Liste mit Urlauben vor, die sein Mandant als Regierungschef bei befreundeten Unternehmern verbracht hat. Zudem wird bekannt, dass der Unternehmer Carsten Maschmeyer 2007 im niedersächsischen Landtagswahlkampf eine Anzeigenkampagne für ein Interview-Buch mit Wulff bezahlt hat.

    20. Dezember 2011: Wulffs Anwalt betont, sein Mandant habe von den Zahlungen nichts gewusst.

    22. Dezember: Der Bundespräsident entschuldigt sich öffentlich für die entstandenen Irritationen. Zugleich entlässt er seinen Sprecher Olaf Glaeseker.

    2. Januar 2012: Bei der Staatsanwaltschaft in Hannover gehen elf weitere Strafanzeigen gegen Wulff ein. Die Zahl der Strafanzeigen gegen Wulff liegt nun bei insgesamt 20.

    4. Januar 2012: Wulff gibt ARD und ZDF ein Interview, in dem er den Anruf bei Diekmann als «schweren Fehler» bezeichnet und volle Transparenz bei allen Fragen ankündigt. Am Folgetag veröffentlicht sein Anwalt aber nur eine zusammenfassende Stellungnahme.

    19. Januar 2012: Wegen Korruptionsverdachts lässt die Staatsanwaltschaft Haus und Büros von Wulffs entlassenem Sprecher Olaf Glaeseker durchsuchen. Die Fahnder verschaffen sich auch Zugang zu Räumlichkeiten des Eventmanagers Manfred Schmidt, der zu Wulffs Zeit in Niedersachsen enge Kontakte zur Staatskanzlei in Hannover gehabt haben soll.

    16. Februar 2012: Die Staatsanwaltschaft beantragt, die Immunität des Bundespräsidenten aufzuheben, um gegen ihn ermitteln zu können.

    17. Februar 2012: Christian Wulff tritt zurück.

    18. Februar 2012: Die Staatsanwaltschaft nimmt die Ermittlungen gegen Wulff wegen des Verdachts der Vorteilsnahme, bzw. Vorteilsgewährung auf.

    29. Februar 2012: Das Bundespräsidialamt teilt mit, dass Christian Wulff den Ehrensold bekomme - jährlich rund 200.000 Euro bis an sein Lebensende.

    9. März 2012: Wulff wird mit dem Großen Zapfenstreich der Bundeswehr in Berlin verabschiedet. Die Feier wird von Protest begleitet.

    9. Oktober 2012: Die Flitterwochen des damaligen Ministerpräsidenten Christian Wulff und dessen Frau Bettina im italienischen Haus eines Versicherungsmanagers rechtfertigen keine Ermittlungen wegen Vorteilsnahme im Amt. Das teilt die Staatsanwaltschaft Hannover mit.

    9. April 2013: Wulff lehnt ein Angebot der Staatsanwaltschaft ab, die Korruptionsermittlungen gegen Zahlung von 20 000 Euro einzustellen.

    12. April 2013: Die Staatsanwaltschaft Hannover erhebt gegen Wulff Anklage. Auch der Filmmanager David Groenewold wird angeklagt.

    14. November 2013: Der Prozess gegen Wulff wegen Vorteilsnahme beginnt. Es geht um rund 700 Euro, die Groenewold für Wulff gezahlt haben soll - angeblich, damit dieser sich im Gegenzug für ein Filmprojekt Groenewolds engagiert.

    9. Dezember: Der Prozess gegen Wulffs ehemaligen Pressesprecher, Olaf Glaeseker, beginnt ebenfalls in Hannover. Glaeseker geht auf Distanz zu seinem ehemaligen Chef.

    19. Dezember: Der Richter Frank Rosenow regt an, den Wulff-Prozess im Januar einzustellen. Der Grund: Mangelnde strafrechtliche Relevanz der Vorwürfe. Wulff selbst ist aber gegen die Einstellung des Verfahrens.

    27. Februar 2014: Christian Wulff wird in seinem Korruptionsprozess freigesprochen und damit vom Vorwurf der Vorteilsannahme entlastet. (dpa)

    Auch SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier werde sich vertreten lassen, schreibt die Welt. SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles sagte, ihr sei "niemand bekannt, der aus der SPD-Führung daran teilnimmt". Allerdings sprach sie sich gegen eine Absage der Zeremonie aus: "Sollte es da grundsätzliche Bedenken geben, dann hätte man die rechtzeitig anmelden müssen. Jetzt ist das alles geplant und sollte aus meiner Sicht auch durchgeführt werden."

    Wulff war am 17. Februar zurückgetreten, nachdem die Staatsanwaltschaft Ermittlungen wegen des Verdachts der Vorteilsnahme angekündigt hatte. Die Regierung verteidigte derweil den Großen Zapfenstreich der Bundeswehr für Wulff. "Ein Zapfenstreich für einen scheidenden Bundespräsidenten steht ganz und gar in der Tradition der Bundeswehr", sagte Regierungssprecher Steffen Seibert. Wulff habe gerade in der schwierigen Zeit des Umbaus der Armee das Verhältnis zur Bundeswehr ganz besonders am Herzen gelegen. "Dass sich das in einem Zapfenstreich ausdrückt, erscheint angemessen."

    Debatte über Wulffs Pensionsansprüche geht weiter

    Unterdessen geht auch die Debatte über Wulffs Pensionsansprüche und andere Privilegien weiter. Die Grünen fordern den Ex- Bundespräsidenten auf, auf Leistungen wie ein eigenes Büro, ein Auto und einen Fahrer zu verzichten. Die Parteivorsitzende Claudia Roth sagte am Montag in Berlin: "Wulffs Sensibilität ist nicht besonders ausgeprägt." Die Frage des Ehrensolds, also der Pensionsansprüche, sei "nach Recht und Gesetz" zu klären. Allerdings sei es bedenklich, dass diese Entscheidung vom Bundespräsidialamt und von Wulffs ehemaligem Staatssekretär Lothar Hagebölling getroffen wurde.

    Auch in der Bevölkerung sorgt es für Unmut, dass der 52-jährige Wulff nach seiner Amtszeit von weniger als zwei Jahren einen Ehrensold von jährlich 199 000 Euro erhalten soll. Die Regelung hatte eine heftige Debatte über eine Reform der Ruhestandsbezüge für Ex-Präsidenten ausgelöst. Die Kosten für Büro und Mitarbeiter sollen sich auf weitere 280 000 Euro pro Jahr belaufen.

    Auch aus der CDU wird der Ruf nach Konsequenzen für Wulff laut

    Erstmals wurde auch aus der CDU der Ruf nach Konsequenzen für Wulff laut. "Wulff war kein Bundespräsident wie alle anderen, er hat mit seinem Handeln die Rechtsnormen unseres Landes verletzt", sagte die CDU-Politikerin und ehemalige DDR-Bürgerrechtlerin Vera Lengsfeld Handelsblatt Online. "Da er nachweislich gegen die Antikorruptionsrichtlinien des Landes Niedersachsen verstoßen hat, stehen ihm weder ein Ehrensold noch eine Amtsausstattung zu."

    Der FDP-Haushaltspolitiker Jürgen Koppelin warf die Frage auf, ob Deutschland überhaupt einen Bundespräsidenten benötigt. Koppelin sagte derPassauer Neuen Presse. "Wir haben den Bundesratspräsidenten und die Bundeskanzlerin. Der Bundespräsident prüft Gesetze. Wenn man Bedenken gegen ein Gesetz hat, kann man das allerdings vom Bundesverfassungsgericht klären lassen. Den Bundespräsidenten benötigt man da nicht." dpa

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