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Große Koalition: Spitzen der Union warnen SPD vor "Selbstbeschäftigung"

Große Koalition

Spitzen der Union warnen SPD vor "Selbstbeschäftigung"

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    Die neue Spitze der SPD: Norbert Walter-Borjans und Saskia Esken.
    Die neue Spitze der SPD: Norbert Walter-Borjans und Saskia Esken. Foto: Bernd von Jutrczenka, dpa

    Die Spitzen von CDU und CSU warnen die SPD nach deren Linksschwenk davor, mit neuen Forderungen die Zusammenarbeit in der Großen Koalition zu belasten. Der Koalitionsvertrag werde nicht nachverhandelt, "für Selbstbeschäftigungsmaßnahmen steht die Union nicht zur Verfügung", sagte CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak nach einer Telefonkonferenz der engsten Unionsspitze am Sonntagabend in Berlin. Daran hatten neben Kanzlerin Angela Merkel auch die Parteichefs Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) und Markus Söder (CSU) teilgenommen.

    Söder: Hoffe, dass die Zusammenarbeit wie bisher gut und konstruktiv bleibt

    Ähnlich wie Ziemiak äußerte sich am Montag CSU-Chef Söder. Die inhaltliche Kluft zwischen der Arbeit der SPD-Bundesminister und der neuen Parteispitze könnte laut Söder noch weitere personelle Konsequenzen mit sich bringen. "Sollte erkennbar sein, dass die Parteiführung auseinanderklafft mit den Mitgliedern der Bundesregierung, wird sich die Frage nach personellen Konsequenzen bei der SPD auch stellen", sagte er am Montag nach einer Sitzung des CSU-Vorstandes in München.

    Er hoffe sehr, dass die Zusammenarbeit in der großen Koalition wie bisher gut und konstruktiv bleibe. "Was schwermöglich ist, dass wir ein ständiges Hin und Her haben und nicht wissen, wer verlässlicher Partner ist. Dann muss die SPD möglicherweise überlegen, ob sie ihre personellen Veränderungen sogar noch in anderer Aufstellung fortsetzen will", sagte Söder.

    CDU-Generalsekretär zur SPD: Grundlage ist der Koalitionsvertrag

    Der neue SPD-Vorsitzende Norbert Walter-Borjans will Spielraum für politische Kompromisse mit der Union erkannt haben, die dem neuen Linkskurs seiner Partei entgegenkommen. Die Kanzlerin habe in ihrer Haushaltsrede mehrere Punkte genannt, die ihn mit Blick auf die zu führenden Gespräche optimistisch stimmten, sagte Walter-Borjans derRheinischen Post. Bei den Themen Klimaschutz, Vermögensteuer, schwarze Null und E-Mobilität sehe er durchaus Möglichkeiten, den Koalitionspartner zu Zugeständnissen zu bewegen.

    Ziemiak hingegen betonte am Sonntagabend, Grundlage für die Zusammenarbeit mit der SPD sei der Koalitionsvertrag - an dieser Grundlage habe sich nichts verändert. "Es muss jetzt um Deutschland gehen und nicht um die SPD", ergänzte Ziemiak. "Wir haben viel zu tun, und diese Aufgaben wollen wir angehen."

    Einen Termin für die nächste Sitzung des Koalitionsausschusses gibt es nach Angaben von Ziemiak noch nicht. Er gehe aber davon aus, "dass wir noch vor Weihnachten einen Koalitionsausschuss haben werden". Bei dem Treffen werde es auch darum gehen, sich kennenzulernen, sagte er mit Blick auf die neuen SPD-Chefs Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans.

    Dobrindt spricht nach SPD-Parteitag von "Linksträumereien"

    CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt wies zentrale Forderungen des SPD-Parteitags als "Linksträumereien" zurück. Er habe verstanden, dass es einen Gesprächswunsch gebe, "und in einer Koalition gehören natürlich Gespräche zum Alltäglichen", sagte er in der ARD-Sendung "Bericht aus Berlin". "Aber das, was da formuliert worden ist - Schuldenbremse abschaffen, damit das Grundgesetz verändern, Vermögensteuer einführen -, das sind Linksträumereien, und das ist nicht das, über das wir reden können." Er könne der SPD "nur raten, nicht zu versuchen, jetzt bewusste Konflikte zu schüren und dann Belastungen für diese Koalition zu schaffen".

    Der Vorsitzende der Mittelstands- und Wirtschaftsunion, der CDU-Politiker Carsten Linnemann, kritisierte die Forderung nach einer Vermögensteuer. "Das letzte, was Deutschland jetzt braucht, sind Diskussionen um neue Steuern", sagte er der Welt. Die SPD wisse, "dass das mit uns nicht zu machen ist". Wenn die Sozialdemokraten diese Inhalte "trotzdem fordern und mit dem Kopf durch die Wand wollen, dann müssen sie halt offen sagen: Das war's, wir machen nicht mehr mit".

    Linke freut sich über neuen Hartz-IV-Kurs der SPD

    Positiv äußerte sich die Linken-Spitze. Nach den SPD-Beschlüssen zum Thema Sozialstaat und Hartz IV sieht die Partei eine verbesserte Basis für Gespräche mit den Sozialdemokraten. Sie freue sich, dass bei der SPD etwas in Bewegung gekommen sei, sagte Parteichefin Katja Kipping am Montag in Berlin nach einer Telefonkonferenz des Parteivorstands. Die SPD habe auf ihrem Parteitag das theoretische Anliegen deutlich gemacht, Hartz IV hinter sich zu lassen. "Deswegen glaube ich, wir sollten ins Gespräch kommen darüber, wie ein Sozialstaat der Zukunft aussehen kann", sagte Kipping weiter.

    Es soll Kennenlern-Treffen mit Esken und Walter-Borjans geben

    Die neuen SPD-Chefs Esken und Walter-Borjans sehen im Parteitag ein Signal für innerparteiliche Solidarität. Geschlossen solle es nun weitergehen, betonten die Vorsitzenden am Sonntag und forderten den im Rennen um den Parteivorsitz unterlegenen Vizekanzler Olaf Scholz auf, sich weiter für die SPD zu engagieren.

    Doch hinter den Kulissen rumort es weiter: Die SPD-Linke Hilde Mattheis glaubt nicht, dass ihre Partei auf längere Sicht geeint bleibt. "Der Parteitag bereinigt die Konflikte nicht, sondern nimmt sie in die neue Zeit mit", sagte sie den Zeitungen der Neuen Berliner Redaktionsgesellschaft. "Es gab eine neue linke Idee, die hätte gestärkt werden müssen." Stattdessen sei die neue Parteiführung zu sehr auf die Gegenseite eingegangen.

    Mattheis äußerte auch die Befürchtung, Juso-Chef Kevin Kühnert werde als stellvertretender Parteivorsitzender zu kompromissbereit sein. "Man kann nicht im Establishment sitzen und gleichzeitig linker Impulsgeber sein", meinte sie. Kühnert sagte am Sonntagabend in der ARD-Sendung "Anne Will" mit Blick auf die Parteitags-Themen: "Manches davon wird man vielleicht mit der Union hinkriegen können, anderes ist Futter für den nächsten Wahlkampf." Kühnert lieferte sich in der Sendung einen Schlagabtausch mit CDU-Generalsekretär Ziemiak etwa zur SPD-Forderung, den Mindestlohn perspektivisch auf 12 Euro anzuheben.

    Esken sieht Parteichefs als Ansprechpartner für Union

    In den nächsten Tagen wollen Esken und Walter-Borjans den Koalitionspartner zum Kennenlernen treffen. Auch Verhandlungen über Nachbesserungen am Kurs von Schwarz-Rot sollen aus ihrer Sicht rasch beginnen. Notfalls wollen die neuen SPD-Chefs die Koalition mittelfristig verlassen.

    Esken beansprucht die Verhandlungsführerschaft der SPD-Seite in den Gesprächen mit der Union für sich und Co-Parteichef Norbert Walter-Borjans. Mit Blick auf Informationen über eine gewisse Unsicherheit auf Unionsseite über den richtigen Ansprechpartner bei der SPD - Partei- oder Fraktionsspitze - schrieb Esken in der Nacht zum Montag auf Twitter "Tipp: Der Koa-Vertrag wurde zwischen den Parteien geschlossen." Für die SPD-Bundestagsfraktion, in der viele Verteidiger der großen Koalition sitzen, sowie ihren Fraktionschef Rolf Mützenich ist das ein Affront. 

    Esken wurde auf Twitter danach darauf hingewiesen, dass der Koalitionsvertrag auch von den Fraktionsspitzen und Generalsekretären unterzeichnet wurde. 

    Unionsvorsitzende wollen SPD-Chefs bald persönlich treffen

    Die Unsicherheit auf der Unionsseite war demnach am Sonntagnachmittag in einer Telefonkonferenz der Parteichefs Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) und Markus Söder (CSU) mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und weiteren Vertretern der Unionsspitze deutlich geworden. Dort hieß es weiter, die Union erachte einen Koalitionsausschuss vor Weihnachten für wichtig. Es habe bereits am Freitag ein Telefonat von Kramp-Karrenbauer mit dem neu gewählten SPD-Vorsitzenden gegeben. Die Vorsitzenden von CDU und CSU wollten die SPD-Chefs bald persönlich treffen.

    SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil sagte der Passauer Neuen Presse, die Partei wolle, dass Handschrift und Programmatik der SPD in der Regierung deutlicher werden. "Es geht nicht um rote Linien und einen Showdown, es geht um Lösungen für Alltagsprobleme." Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) vertrat die Ansicht, dass die Große Koalition nach dem Parteitag sicherer dastehe als vor zwei Wochen. "Die Diskussionen auf diesem Parteitag waren von einem spürbaren Realismus geprägt", sagte er der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung. "Ich bin guten Mutes, dass die Große Koalition bis zum Ende dieser Legislaturperiode ihre Arbeit fortsetzen kann." (dpa/AZ)

    Lesen Sie dazu auch: Eindrücke vom Parteitag: Was von der großen SPD-Revolution übrig bleibt

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