Vor knapp drei Jahren erst ist das Innenministerium vom Spreebogen in einen Neubau gleich hinter dem Kanzleramt umgezogen. Das Haus platzte aus allen Nähten, der Raum reichte hinten und vorne nicht, zudem genügten die angemieteten Räumlichkeiten nicht mehr den deutlich gestiegenen Sicherheitsanforderungen. Der Neubau erfüllte alle Wünsche und bot auf 40.000 Quadratmetern Nutzfläche den etwa 1360 Beschäftigten des Ministeriums in rund 1120 Büros genügend Platz. Doch längst ist das Haus schon wieder zu klein. Bereits unter dem früheren Bundesinnenminister Thomas de Maizière wurden die ersten Schritte für einen Erweiterungsbau eingeleitet, um weitere 350 Arbeitsplätze zu schaffen. Aber auch das dürfte nicht ausreichen.
Denn der neue Hausherr im Innenministerium, CSU-Chef Horst Seehofer, der zusätzlich für die Bereiche Bauen und Heimat zuständig ist, hat im Koalitionsvertrag nicht nur die Schaffung von weiteren 98 Stellen für die „heimatbezogene Innenpolitik“, sondern auch einen fünften beamteten Staatssekretär mit sechs zusätzlichen Stellen („persönlicher Mitarbeiter, Büroorganisation, Kraftfahrer“) durchgesetzt. Drei solcher Staatssekretäre gab es schon bisher im Innenministerium, nun sollen je einer für die Bereiche Bau und Heimat dazukommen.
Kopfschütteln über Seehofers zusätzliche Stellen
Gleichzeitig meldete auch das Kanzleramt 39 neue Stellen an, das Finanzministerium 41, das Arbeits- und Sozialressort 19 sowie drei weitere Häuser insgesamt sechs Stellen. Die Kosten belaufen sich auf insgesamt rund zehn Millionen Euro pro Jahr. Für diese zusätzlichen Mitarbeiter „besteht ein unabweisbarer, auf andere Weise nicht zu befriedigender Bedarf“, heißt es in der Vorlage des Finanzministeriums Nr. 36/18 an den Haushaltsausschuss des Bundestags, der sich in der letzten Sitzungswoche mit den Wünschen der neuen Ministerinnen und Minister beschäftigte. Mit dem Koalitionsvertrag seien „sowohl veränderte Arbeitsstrukturen als auch zusätzliche inhaltliche Schwerpunkte vereinbart worden, die mit dem bisherigen Stellenbestand nicht zu bewältigen sind“. Der Bedarf sei daher „zwingend erforderlich“ und solle vorübergehend durch den Wegfall von derzeit nicht besetzten Stellen beim Zoll und in der inneren Sicherheit gegenfinanziert werden. Allerdings sollen diese Posten bereits mit dem regulären Haushaltsentwurf für 2018 wieder ausgewiesen werden.
Dass allein Horst Seehofer die Hälfte der zusätzlichen Stellen für die Heimat benötigt, stößt nicht nur bei der Opposition auf Widerstand, sondern löst auch beim Koalitionspartner Kopfschütteln aus. „Mir erschließt sich die zwingende Notwendigkeit für diese 100 Stellen nicht“, sagt der SPD-Haushaltsexperte Andreas Schwarz unserer Redaktion. Bislang gebe es vom Innenminister weder eine Stellenbeschreibung noch eine klare Zuweisung der Kompetenzen. „Die Gefahr ist groß, dass auf diese Weise Doppelstrukturen geschaffen werden, die ein Kompetenzgerangel zwischen den verschiedenen Ministerien zur Folge haben.“ So seien bereits jetzt zahlreiche Abteilungen in anderen Ministerien für die Raumordnung oder die Förderung der ländlichen Räume zuständig. Nach Ansicht von Schwarz wolle Seehofer sein Haus nach dem Vorbild der Münchner Staatskanzlei ausrichten und eine Art „Nebenkanzleramt“ schaffen.
Auch die Opposition kritisiert den Super-Minister Seehofer
Noch deutlicher fällt die Kritik der Opposition aus. „Schlanker Staat sieht anders aus“, bemängelt die Haushaltsexpertin der Grünen, Ekin Deligöz, im Gespräch mit unserer Redaktion. „Offensichtlich sollen die Stellen Seehofer die Bundespolitik versüßen.“ Dass die Personalplanung auf Kosten des Zolls und der Polizei gehe, sei „verantwortungslos“, so Deligöz. Auch der Bundesrechnungshof äußerte Kritik, ebenso der Bund der Steuerzahler.
Bislang ist nur bekannt, dass im Innenministerium drei neue Unterabteilungen für die Bereiche Raumordnung, gesellschaftlicher Zusammenhalt und Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse entstehen sollen. „Unter anderem soll ein neues Fördersystem für strukturschwache Regionen, Städte, Gemeinden und Kreise entwickelt werden, das sich gegen wachsende Ungleichheiten richtet“, heißt es in der Beschlussvorlage für den Haushaltsausschuss, zudem würden auch „koordinierende und gesamtkonzeptionelle Aufgaben für die Bundesregierung“ wahrgenommen. An der Spitze steht ein beamteter Staatssekretär – der frühere Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), Markus Kerber, derzeit Aufsichtsratsmitglied der Commerzbank.
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