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Große Koalition: SPD hat Ministerposten bereits vergeben

Große Koalition

SPD hat Ministerposten bereits vergeben

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    Frank-Walter Steinmeier ist der Mann der Stunde. Er soll wieder Außenminister werden.
    Frank-Walter Steinmeier ist der Mann der Stunde. Er soll wieder Außenminister werden. Foto: Ole Spata/dpa (Archi)

    Der bisherige SPD-Fraktionsvorsitzende Frank-Walter Steinmeier soll nach Informationen der Bild-Zeitung in einer neuen großen Koalition wieder Außenminister werden. Der saarländische Vize-Ministerpräsident Heiko Maas (SPD) soll demnach neuer Bundesjustizminister werden, der Parlamentarische Geschäftsführer Thomas Oppermann neuer Fraktionschef. Partei- und Fraktionskreise bestätigten der dpa diese geplanten Personalien am Freitag in Berlin.

    Das Innenressort bleibt bei der Union

    Damit erscheint klar, dass das Innenressort bei der Union bleiben dürfte. Der 57-jährige Steinmeier war von 2005 bis 2009 Außenminister in der großen Koalition unter Führung von Kanzlerin Angela Merkel (CDU). Voraussetzung für die Besetzungen ist ein Ja der SPD-Mitglieder zur großen Koalition. SPD-Chef Sigmar Gabriel will das Ergebnis der Mitgliederbefragung am Samstagnachmittag in Berlin mitteilen.

    Die SPD-Minister in der neuen großen Koalition

    WIRTSCHAFTS- UND ENERGIEMINISTERIUM, VIZEKANZLER: SIGMAR GABRIEL: 2009 wurde er jüngster Parteichef seit Willy Brandt. Der gelernte Lehrer war zudem mit 40 Jahren in Niedersachsen jüngster deutscher Ministerpräsident (1999-2003). Von 2005 bis 2009 erwarb er sich als Bundesumweltminister Ansehen und Expertise im Bereich erneuerbare Energien. Ein politisches Naturtalent und begabter Redner, der aber auch als launisch gilt. Kommt aus sogenannten schwierigen Verhältnissen, das hat ihn tief geprägt. Der Vater war überzeugter Nazi, Gabriel musste gegen seinen Willen nach der Trennung der Eltern zeitweise beim Vater leben. Lebt mit seiner zweiten Frau, einen Zahnärztin, und seiner kleinen Tochter in Goslar.

    AUSSENMINISTERIUM: FRANK-WALTER STEINMEIER: Kanzleramtschef zu rot-grünen Zeiten, strickte für Gerhard Schröder an der «Agenda 2010» mit. Dann wurde der Jurist geachteter Außenminister (2005 bis 2009). Er ist stets exzellent vorbereitet, bürgernah, humorvoll. Seitdem der Westfale und Schalke-04-Fan in Brandenburg seinen Wahlkreis hat, ist die Region seine zweite Heimat geworden. Bei der Bundestagswahl gewann er das einzige Direktmandat der SPD im Osten. Steinmeier ist verheiratet mit einer Verwaltungsrichterin, der er eine Niere spendete, beide haben eine Tochter.

    JUSTIZMINISTERIUM: HEIKO MAASS: Der ehemalige Zögling des früheren SPD-Chefs Oskar Lafontaine ist die größte Überraschung bei der Neuverteilung der Posten auf SPD-Seite. Bislang war der Marathonläufer und Triathlet in der Landespolitik aktiv - seit anderthalb Jahren auch mit Erfahrung in einer großen Koalition. Seit Mai 2012 ist er Vize-Ministerpräsident und Wirtschaftsminister. Zuvor war er an der Saar schon einmal Umweltminister - damals als jüngster Minister Deutschlands überhaupt. Für sein neues Amt kann Maaß ein abgeschlossenes Jurastudium vorweisen. Er ist verheiratet und hat zwei Kinder.

    UMWELTMINISTERIUM: BARBARA HENDRICKS: Wacht seit 2007 über die Finanzen der Sozialdemokraten, oft unterschätzt. Sie sitzt seit 1994 im Bundestag und war Parlamentarische Staatssekretärin im Finanzministerium von 1998 bis 2007. Mit 20 Jahren in die SPD eingetreten, studierte Hendricks Geschichte und Sozialwissenschaften, mit Staatsexamen für das Lehramt. Sie liebt ihre Heimat, den Niederrhein, promovierte über «Die Entwicklung der Margarine-Industrie am unteren Niederrhein». Hendricks würde die NRW-SPD im Kabinett vertreten.

    ARBEITS- UND SOZIALMINISTERIUM: ANDREA NAHLES: Die Literaturwissenschaftlerin ist seit 2009 Generalsekretärin. Sie hat erst den Wahlkampf organisiert, dann die Koalitionsverhandlungen, schließlich den Mitgliederentscheid über die große Koalition. Zeit für ihre kleine Tochter Ella Maria und ihren Mann daheim auf einem Hof in der Eifel hat sie zurzeit wenig. «Ich war in meinem ganzen Leben noch nie so zufrieden», sagte sie nach ihrer Elternzeit. Die frühere Juso-Chefin zählt längst nicht mehr zu den Parteilinken. Intern ist sie nicht unumstritten, wurde zuletzt mit schlechtem Ergebnis wiedergewählt. Hat vehement für den Mindestlohn von 8,50 Euro pro Stunde gekämpft.

    FAMILIENMINISTERIUM: MANUELA SCHWESIG: Sie ist das «Gesicht» der ostdeutschen SPD mit einer Blitzkarriere seit ihrem Parteieintritt 2003. Die gebürtige Brandenburgerin studierte Steuerrecht und folgte ihrem Mann, mit dem sie einen Sohn hat, nach Schwerin. 2002 bis 2008 arbeitete sie dort im Finanzministerium. 2008 übertrug Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsident Erwin Sellering (SPD) der damals 34-Jährigen Diplom-Finanzwirtin das Sozialressort. Seit 2009 ist sie auch SPD-Vize. Als Ministerin könnte Schwesig auch für das von der SPD heftig bekämpfte Betreuungsgeld zuständig sein.

    Bild.de berichtete, die engere Parteiführung um Gabriel, die nordrhein-westfälische Ministerpräsidentin Hannelore Kraft und den Hamburger Bürgermeister Olaf Scholz hätten um Oppermann geworben. In einer großen Koalition müsse "eine starke und erfahrene Person" an der Spitze der Fraktion stehen, zitiert Bild.de ungenannte Quellen.

    Premiere in der bundesdeutschen Politik

    Vor allem die Personalie Steinmeier erregt Aufsehen. Es handelt sich um eine Premiere in der bundesdeutschen Politik: Mit dem SPD-

    Altbekannt dürfte für ihn das Ministerbüro im ersten Stock des Auswärtigen Amts sein: In den vier Jahren seiner Abwesenheit hat sich dort nur wenig verändert. Die Möbel und die schweren Ledersessel ließ Guido Westerwelle ("obwohl sie mir nicht gefallen") alle drin. Neu sind ein handgeknüpfter Teppich aus den Vereinigten Arabischen Emiraten und die Kunst an den Wänden.

    Die großen Themen sind alle noch da

    Auch sonst kehrt der zwischenzeitliche SPD-Fraktionschef, wenn der SPD-Mitgliederentscheid so ausgeht wie erwartet, auf bekanntes Gebiet zurück. Die großen Themen der Jahre 2005 bis 2009 sind alle noch da: Euro, Nahost, Atomstreit mit dem Iran, Afghanistan und jetzt sogar wieder die Ukraine. Neu dabei: die Aufstände in der arabischen Welt von Ägypten bis Syrien (wo er zusehen musste, wie seine Entspannungspolitik gegenüber Baschir al-Assad scheiterte) und die NSA-Affäre.

    Der 57-Jährige ist aber auch damit vertraut. Abgesehen davon, dass die internationalen Dinge auch nach dem Abschied aus dem AA Steinmeiers Leidenschaft blieben: Die Außenpolitik gehört zu den Aufgabenfeldern, in denen man sich als Oppositionsführer auskennen muss.

    Kritik an der Kanzlerin

    Dabei waren die Unterschiede zur Regierung die letzten vier Jahre nicht allzu groß. Beim Blick auf den Rest der Welt stimmen SPD und Union in vielem überein. Trotzdem ging Steinmeier in einem 17-Seiten-Papier (Titel: "Realismus und Prinzipientreue") mit Angela Merkels Außenpolitik ins Gericht.

    Im Kern lautet seine Kritik, dass die Kanzlerin im Umgang mit schwierigen Partnern wie Russland oder China zum Moralisieren neigt - und dann auch noch hinter den eigenen Ansprüchen zurückbleibt. Steinmeier selbst versteht sich als Realist, der deutsche Geopolitik nicht danach betreibt, was ihm zu Hause am meisten hilft.

    Hier könnten sich - gerade, was das Verhältnis zu Wladimir Putin angeht - Konflikte entwickeln. Hinzu kommt, dass der SPD-Mann nicht nur als Außenminister ins Kabinett zurückkehren würde, sondern auch als gescheiterter Kanzlerkandidat von 2009. Die Niederlage gegen Merkel hat er verkraftet. Vergessen ist sie nicht.

    Eine große Überraschung

    Zur Ehrlichkeit gehört, dass die Sozialdemokratie ansonsten keinen Top-Kandidaten fürs Außenministerium hatte. Bei Steinmeiers Vorgeschichte keine Selbstverständlichkeit: Der Jurist - geboren in Nordrhein-Westfalen, aber politisch sozialisiert in Niedersachsen - war bis 2005 als Diplomat nicht in Erscheinung getreten.

    Karriere machte er mit Gerhard Schröder, für den er erst die Staatskanzlei in Hannover und dann das Kanzleramt leitete. Vor acht Jahren war sein Wechsel ins AA eine große Überraschung. Heute ist das anders.

    Veränderungen stehen bevor

    Bei der Wahl im September holte Steinmeier das einzige SPD-Direktmandat im Osten. Gleich darauf wurde er als Fraktionschef bestätigt. Dass die Rückkehr ins alte Amt lange Zeit offen war, lag daran, dass er sich mit Parteichef Sigmar Gabriel über die Aufgabenverteilung einig werden musste. Eine Rolle spielte auch, dass seine Frau Elke Büdenbender - eine Verwaltungsrichterin - an einer Nierenerkrankung leidet. Steinmeier selbst hat nach einer Spende für sie nur noch eine Niere. Die gemeinsame Tochter ist inzwischen 17.

    Bei allen Konstanten muss sich Steinmeier aber auch auf Veränderungen einstellen. Nicht nur wegen der neuen Konflikte oder weil Staaten wie China, Indien oder Brasilien noch wichtiger geworden sind. Von den alten Kollegen ist - bis auf die großen Ausnahmen Sergej Lawrow in Russland und Radoslaw Sikorski in Polen - kaum noch jemand da. (dpa, AZ)

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