Es ist etwa drei Jahrzehnte her, da verkündete der damalige EU-Korrespondent des Telegraph namens Boris Johnson der britischen Öffentlichkeit, dass das mit Asbest verseuchte Berlaymont-Gebäude in Brüssel in die Luft gesprengt werden soll. Nicht nur, dass das mittlerweile renovierte Hauptquartier der Europäischen Kommission noch immer steht. Am Mittwochabend trafen hier auch der mittlerweile zum britischen Premierminister aufgestiegene Boris Johnson und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen zum Abendessen zusammen.
Es sollte der Schauplatz des nächsten Kapitels im Brexit-Drama werden, das wie gewohnt endete: mit abgenutzten Phrasen und ergebnislos. Von der Leyen nannte die Diskussion während des Dinners in Diplomatensprache „lebendig und interessant“. Übersetzt heißt das, dass es düster aussieht. Die Stimmung schlecht, der Optimismus gedämpft, die Fronten verhärtet. Die nächste Deadline ist für Sonntag gesetzt. Doch Beobachter mutmaßen, dass die Hängepartie noch bis zum Ende des Jahres andauert. Dann läuft die Übergangsphase aus.
Botschaft im Brexit-Streit: Die EU meint es ernst
Von der Leyen veröffentlichte Notfallmaßnahmen für den Fall, dass kein Deal zustande kommt. Die Regelungen betreffen etwa den Flug- und Straßenverkehr sowie die Fischerei und sollen Verwerfungen abmildern. Es handelt sich nicht nur um eine Versicherung für Unternehmen und Bürger auf dem Kontinent, sondern auch um eine Botschaft an die britische Regierung: Die EU meint es ernst.
Der größte Streit dreht sich aber um die Garantie für einen fairen Wettbewerb. Die EU will den Briten nur einen zollfreien Zugang zum europäischen Markt gewähren, wenn sie bei Staatsbeihilfen und Standards im Arbeits-, Umwelt-, Sozial- und Wettbewerbsrecht gewisse EU-Standards weiter anerkennen. Johnson lehnt dies als Einschränkung der britischen Souveränität ab. Es seien „Bedingungen, die kein Premierminister dieses Landes akzeptieren sollte“.
Sollten die Brexit-Verhandlungen scheitern: Welche Folgen ein "No-Deal" haben könnte
Sollte es zum „No-Deal“ kommen, würden in Großbritannien ab 2021 die Regeln der Welthandelsorganisation greifen. Seit Wochen melden sich Vertreter verschiedener Branchen zu Wort und warnen vor massiven Beeinträchtigungen. Zölle, kilometerlange Staus an den Grenzen und womöglich auch Knappheit bei frischen Lebensmitteln und Medikamenten drohen. Diese Woche meldete sich der Chef der britischen Supermarktkette Tesco, John Allan, zu Wort und berichtete, wie derzeit die Lager aufgestockt würden, um leere Regale im neuen Jahr zu verhindern.
Gleichzeitig prognostizierte er, dass der durchschnittliche Lebensmitteleinkauf um rund fünf Prozent teurer werden könnte, da etliche Produkte vom Kontinent importiert werden. So könnte der Preis von französischem Brie um bis zu 40 Prozent steigen. Der heimische Cheddar könnte zu einem der wenigen „No-Deal“-Gewinner werden.
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