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Großbritannien: "Tantchen" BBC: Der angeschlagene britische Sender hat einen neuen Chef

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"Tantchen" BBC: Der angeschlagene britische Sender hat einen neuen Chef

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    Richard Sharp leitet die BBC ab Februar 2021.
    Richard Sharp leitet die BBC ab Februar 2021. Foto: Bank of England/PA Wire

    Richard Sharp erfüllt, zumindest in konservativer Hinsicht, die beiden wichtigsten Kriterien für den Job. Er ist ein äußerst vermögender Mann und kennt mit Premierminister Boris Johnson und Schatzkanzler Rishi Sunak die zwei mächtigsten Politiker im Vereinigten Königreich gut.

    Die Beziehungen haben geholfen: Im Februar übernimmt Sharp den Vorsitz bei der BBC und leitet damit den 14-köpfigen Rundfunkrat, der die Unabhängigkeit der BBC wahren soll. Damit hat die seit Monaten andauernde Suche nach einem Chairman bei der öffentlich-rechtlichen Anstalt endlich ein Ende. Dem 64-Jährigen eile laut Telegraph der Ruf „eines scharfen unabhängigen Denkers“ voraus. Gleichwohl gilt er als zuverlässiger Kandidat, sowohl für die BBC als auch die Regierung.

    Ein seltener Auftritt: Boris Johnson, Premierminister von Großbritannien, spricht während der "Andrew Marr-Show" des Senders BBC, dem er eher skeptisch gegenübersteht.
    Ein seltener Auftritt: Boris Johnson, Premierminister von Großbritannien, spricht während der "Andrew Marr-Show" des Senders BBC, dem er eher skeptisch gegenübersteht. Foto: Jeff Overs, dpa

    Von allen Seiten attackiert: Die BBC ist von Ungewissheit geprägt

    Spötter verwiesen sofort darauf, dass Sharp zufälligerweise auch ein gönnerhafter Großspender der konservativen Partei ist. Er agierte zudem als Berater von Johnson zu dessen Zeit als Londoner Bürgermeister, war in seinem früheren Leben als Goldman-Sachs-Banker der Chef von Rishi Sunak und beriet den Finanzminister im vergangenen Jahr während der Coronavirus-Krise. Die Tätigkeit wurde nicht entlohnt – und macht sich nun doch mehr als bezahlt. Man darf ohne Zweifel sagen, dass Sharp, der künftig mit einem Jahresgehalt von 160.000 Pfund die Aufsicht über den Intendanten führt, ein Glücksgriff für die Tories ist. Zum einen gehört der Finanzmann, so wird in Medien kolportiert, zu den Anhängern des EU-Austritts. Zum anderen gilt er als Verbündeter ausgerechnet jener Politiker, die seit Jahren die BBC attackieren.

    An vorderster Front steht Boris Johnson, der aus seiner Feindseligkeit gegenüber der renommiertesten Rundfunkanstalt der Welt nicht einmal ein Geheimnis macht. Auf Anweisung der Downing Street boykottierten Minister nach der Parlamentswahl im Dezember 2019 sogar zahlreiche Sendungen, Interviews gab es auch vom Regierungschef keine. Das änderte sich erst wieder mit dem Start der Pandemie. Doch Frieden herrscht keineswegs.

    Richard Sharp kommt zu einer Zeit zur BBC, die für die Anstalt von einer beispiellosen politischen wie finanziellen Ungewissheit geprägt ist. Bei der „Auntie“, dem Tantchen, wie die BBC im Volksmund genannt wird, darf man beinahe von einer Krise sprechen. Denn nicht erst seit dem EU-Referendum im Jahr 2016 wird die auf politische Unparteilichkeit bedachte Rundfunkanstalt von allen Seiten für ihre angebliche Voreingenommenheit attackiert. Zuschauer, Kommentatoren sowie zahlreiche Politiker, insbesondere aus den Tory-Reihen, werfen dem ihrer Ansicht nach linkslastigen, „abgehobenen“ Sender unter anderem eine zu Brexit-kritische sowie eine zu sehr auf London zentrierte Berichterstattung vor. Es erübrigt sich fast zu erwähnen, dass sich auch eher am linken politischen Spektrum stehende Briten regelmäßig über „das Sprachrohr der Tories“ beschweren.

    Neuer Chef Richard Sharp soll "beschleunigte Reformen" bei der BBC voranbringen

    Gemeinsam mit Tim Davie, der im vergangenen Jahr zum neuen Generaldirektor ernannt wurde, soll Multimillionär Sharp „beschleunigte Reformen“ voranbringen, wie Kultusminister Oliver Dowden forderte. Der traf die endgültige Personalentscheidung mit dem Segen des Premierministers. Gemeint ist damit vor allem ein neues Finanzierungsmodell. Die BBC kommt ohne Werbung aus, speist sich vielmehr zu 75 Prozent aus Rundfunkgebühren. Jeder Haushalt auf der Insel bezahlt jährlich 157,50 Pfund, umgerechnet rund 176 Euro. Der Rest der Einnahmen stammt aus dem gewinnträchtigen Verkauf von Fernsehproduktionen ins Ausland. Konservative Politiker bringen jedoch regelmäßig die Möglichkeit eines Abomodells ins Spiel und verweisen als Vorbild auf kommerzielle Rivalen wie Netflix.

    Die alte Tante steht mehr denn je unter Druck, es geht um ihre Zukunft. Doch Sharp wird von Insidern als Mensch beschrieben, der schwierige Aufgaben nicht scheut. Vielmehr freue er sich auf die Aufgabe, wie er sagte. „Die BBC steht im Zentrum des britischen kulturellen Lebens und ich fühle mich geehrt, dass mir die Chance geboten wurde zu helfen, sie durch das nächste Kapitel in ihrer Geschichte zu führen.“

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