Tony Blair hat sich innenpolitisch rar gemacht. Aus aktuellen politischen Debatten hielt sich der frühere Premierminister heraus – immerhin ist sein Image in großen Teilen Großbritanniens verheerend, die Entscheidung zur Invasion im Irak haben ihm viele bis heute nicht verziehen. Doch seit der Europawahl ist alles anders, manche sprechen bereits vom Comeback des
Tony Blair wendet sich nun häufig an Öffentlichkeit
Angestachelt vom Triumph der Unabhängigkeitspartei Ukip und den Reaktionen aus Westminster auf den Erfolg der Rechtspopulisten, wendet sich Blair seit zehn Tagen bei jeder Gelegenheit an die Öffentlichkeit. Am Montag sprach er vor dem führenden Arbeitgeberverband. Das Resultat der Europawahl sei ein Weckruf für
Der Europafreund ruft die Politik zum schnellen Handeln auf. Angesichts der Erfolge von Ukip und dem Front National in Frankreich verlangte der Ex-Premier vom Europäischen Rat zügig Reformen.
Keine einheitliche Reaktion auf EU-Wahlergebnis
Westminster dagegen handhabt die Europaverdrossenheit auf der Insel äußerst unterschiedlich. Die oppositionelle Labour-Partei ignoriert das Thema so gut sie kann. Die Liberaldemokraten, die die EU stets verteidigt haben, verdauen noch die desaströsen Wahlergebnisse. Und die Konservativen eifern in mancherlei Hinsicht Ukip nach.
Premierminister David Cameron lässt derzeit in Brüssel seine Muskeln spielen und will unter allen Umständen Jean-Claude Juncker als nächsten EU-Kommissionspräsidenten verhindern. Der gilt in London als Föderalist. Juncker verlange noch mehr Macht für
Auf der Insel klopfen ihm die Parteikollegen nach solchen Auftritten auf die Schulter, doch seine EU-Partner verstört der Premier. Kanzlerin Angela Merkel hat sich deutlich für Juncker ausgesprochen, was die Beziehungen zwischen Berlin und London belasten dürfte. Wenn nicht Juncker, wer soll dann den Posten übernehmen? Eine einflussreiche Persönlichkeit wird gesucht, dazu jemand, der für Europa spricht, aber Großbritannien versteht. Und plötzlich ist Tony Blair zur Stelle.
Blair wünscht sich Funktion in Brüssel
Erst in der vergangenen Woche hat er Merkel getroffen, um mit ihr über die Zukunft der EU zu sprechen. Medien berichteten, Blair habe ihr gesagt, er wünsche sich eine Funktion in Brüssel. Und er wäre bereit, die „EU gegen ihre zunehmend lautstarken Kritiker zu verteidigen“. So wird er zitiert. Sein Büro wies das zwar zurück.
Doch schon spekulieren britische Medien, was Blair mit seiner Pro-Europa-Offensive beabsichtigt. Will der Sozialdemokrat tatsächlich anstelle von Juncker den Kommissionsvorsitz übernehmen? Sollte ihm das nicht gelingen, hat er es auf den Posten des EU-Ratspräsidenten abgesehen? Auf der Insel glaubt jedenfalls kaum jemand an einen Zufall, dass er ausgerechnet jetzt aus der Versenkung auftaucht.