Als das irre Schauspiel um den EU-Austritt Großbritanniens nicht mal mehr mit dem eigenwilligen englischen Humor zu erklären war, hatte John Bercow seine größten Auftritte. Der damalige Sprecher des Unterhauses moderierte die epischen Debatten derart schlagfertig, selbstbewusst und unterhaltsam, dass er sogar den exzentrischen Boris Johnson bisweilen sprachlos machte.
Sein langgezogener Ordnungsruf im Unterhaus wurde auf der Insel zum Kult
Bercow wurde zur Kultfigur, sein lang gezogener Ordnungsruf „Oooooorder!“ zum Soundtrack des Brexit. Wie groß seine Abneigung gegen den Premier ist, demonstriert er nun mit einem spektakulären Seitenwechsel. Der 58-Jährige verlässt die konservativen Tories und wirft sich fortan für die sozialdemokratische Labour-Partei in die Auseinandersetzung.
John Bercow hält Boris Johnson für einen "lausigen Regierenden"
Seinen Entschluss verkündete Bercow am Wochenende – und ließ keinen Zweifel aufkommen, wer ihn dazu veranlasst hat. Johnson sei „ein erfolgreicher Wahlkämpfer, aber ein lausiger Regierender“, sagte der frühere Sprecher des Unterhauses. Die Leute hätten zunehmend „die Lügen satt, die leeren Floskeln satt, das Versagen satt“. Die beiden Männer waren heftig aneinandergeraten, als Johnson das Parlament inmitten der Brexit-Streitereien in den Zwangsurlaub schickte.
Sein Rivale sprach von einem „Akt exekutiver Ermächtigung“ – und behielt recht. Das Oberste Gericht kassierte die Entscheidung und bescherte Bercow einen letzten Triumph. Dass der Regierungschef seinen Parteifreund anschließend nicht – wie seit Jahrhunderten für ehemalige „Speaker“ üblich – für das Oberhaus nominierte, gilt als Frustfoul Johnsons.
Nun kehrt Bercow also überraschend auf das Spielfeld zurück – allerdings diesmal auch ganz offiziell im gegnerischen Team. Und sein Ziel formuliert er auch gleich: „Johnsons Regierung muss abgelöst werden.“