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Großbritannien: Johnson-Berater Dominic Cummings strapaziert die Geduld der Briten

Großbritannien

Johnson-Berater Dominic Cummings strapaziert die Geduld der Briten

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    Boris Johnsons Sonderberater Dominic Cummings empört mit seinem massiven Verstoß gegen Corona-Auflagen die Briten.
    Boris Johnsons Sonderberater Dominic Cummings empört mit seinem massiven Verstoß gegen Corona-Auflagen die Briten. Foto: Aaron Chown, dpa

    Eigentlich wollte der britische Premier Boris Johnson den Fall schnell abschließen, der das ganze Wochenende über für Aufruhr gesorgt hatte. Doch mit seiner Pressekonferenz am Sonntagabend erreichte er das Gegenteil: Die Regierung steht mehr denn je unter Beschuss, nachdem sich Johnson demonstrativ hinter seinen wichtigsten Berater Dominic Cummings gestellt hat. Dieser war mit Frau und Kind – entgegen der Bestimmungen und obwohl das Paar Symptome einer Coronavirus-Infektion zeigte – Ende März von London ins rund 430 Kilometer entfernte Durham im Nordosten Englands zu seinen Eltern gereist. Damals schon herrschte ein strenger Lockdown. Trips waren verboten, auch zu Zweitwohnsitzen und Großeltern. Wer Symptome hatte, musste sieben Tage in Selbstisolation verbringen.

    Fall Dominic Cummings: Gelten für die Mächtigen andere Regeln?

    So stellen sich nun viele Fragen: Gelten für den Kreis der Mächtigen andere Regeln als für alle anderen Briten? Zeugt Johnsons Unterstützung für Cummings nicht von heuchlerischer Doppelmoral? Nach wochenlangen Einschränkungen liegen die Nerven in der Bevölkerung blank, selbst innerhalb der konservativen Partei fordern Abgeordnete den Rauswurf von Cummings, der mit seiner Reise andere Menschen potenziell in Gefahr gebracht habe.

    Der Premier verteidigte seinen Wahlkampfstrategen, der sowohl am Brexit-Votum als auch Johnsons Wahlerfolg im Dezember großen Anteil hat, und verwies darauf, dass Cummings mit der Reise die Betreuung des Nachwuchses sicherstellte. Er habe „verantwortungsvoll, legal und mit Integrität“ gehandelt und sei seinen „väterlichen Instinkten“ gefolgt. Noch während Johnson sprach, entlud sich ein Sturm der Entrüstung in den sozialen Medien.

    Seine Worte wurden als Affront betrachtet gegenüber all jenen Müttern und Vätern, die sich an die Regeln gehalten und trotz Erkrankung oder schwierigen Verhältnissen die Kinderbetreuung übernommen haben und zu Hause blieben. Vergleiche wurden gezogen zur Situation von Millionen von Betroffenen, die sterbende Angehörige nicht sehen konnten, die weder zu Beerdigungen gehen noch ihre Verwandten besuchen konnten. „Es ist eine Beleidigung gegenüber den Opfern, die das britische Volk gebracht hat, dass sich Boris Johnson entschlossen hat, nichts gegen Dominic Cummings zu unternehmen“, schrieb Labour-Oppositionschef, Keir Starmer, auf Twitter. Außenminister Dominic Raab warf Kritikern vor, den Vorfall für politische Grabenkämpfe ausschlachten zu wollen.

    Die Affäre könnte für Boris Johnson gefährlich werden

    Doch für Johnson stellt sich das Problem, dass sich die Wut durchs gesamte politische Spektrum zieht. Die Angelegenheit entwickelt sich zu einem Skandal, der ihm gefährlich werden könnte: Nach mehr als zwei Monaten Lockdown ohne klarer Exit-Strategie, fast 37.000 mit dem Coronavirus infizierten Toten, einer strauchelnden Wirtschaft und Versäumnissen im Umgang mit der Pandemie, scheint die Geduld der Briten aufgebraucht. Selbst Abgeordnete der Tories meutern vor und hinter den Kulissen: „Es widert mich ehrlich gesagt an, wie ein konservativer Premierminister anständige Menschen, die so viel geopfert haben, mit solcher Verachtung behandeln kann“, ließ sich ein konservativer Parlamentarier anonym zitieren. Während der linksliberale Daily Mirror Cummings als „Betrüger“ und den Premier als „Feigling“ bezeichnete, attackierte selbst die konservative Presse die Regierung. „Auf welchem Planeten leben die?“, fragte die Daily Mail.

    Premier Johnson bügelt Fragen in Trump-Manier ab

    Medienberichten zufolge war der umstrittene Berater sogar ein zweites Mal gen Norden aufgebrochen und soll von einem Passanten beim Besuch eines Schlosses gesehen worden sein. Fragen von Journalisten bügelte Johnson während der Pressekonferenz ab – beinahe in Donald-Trump-Manier. Auf dem offiziellen Twitter-Account der britischen Regierungsbeamten hieß es kurz nach dem als desaströs gewerteten Auftritt Johnsons: „Arrogant und beleidigend. Können Sie sich vorstellen, wie es ist, mit diesen Wahrheitsverdrehern zusammenzuarbeiten?“ Gut zehn Minuten war die Nachricht online – genug Zeit, um die sozialen Medien aufzumischen.

    Erst Anfang Mai hatte der Wissenschaftler Neil Ferguson vom Imperial College seinen Posten als Regierungsberater aufgeben müssen, weil er während der Ausgangssperre Besuch von seiner Freundin erhielt. Damals präsentierte sich die Kabinettsriege entrüstet. Es sind dieselben Politiker, die nun Cummings zur Seite springen.

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