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Großbritannien: Fünf Jahre nach dem Referendum ist die Brexit-Euphorie längst verflogen

Großbritannien

Fünf Jahre nach dem Referendum ist die Brexit-Euphorie längst verflogen

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    "Wählt heute den Austritt", appellierte eine Zeitung am 23. Juni 2016, am Tag des Referendums. Eine Mehrheit hielt sich letztlich an die Empfehlung.
    "Wählt heute den Austritt", appellierte eine Zeitung am 23. Juni 2016, am Tag des Referendums. Eine Mehrheit hielt sich letztlich an die Empfehlung. Foto: Michael Kappeler, dpa (Archivbild)

    Gerade erst schrieb die britische Regierung eine Stelle für einen externen Berater aus, dessen Aufgabe darin bestehen soll, jene neuen Chancen ausfindig zu machen, die der Brexit geschaffen hat. Kritiker spotteten sofort, dass es sich dabei angesichts mangelnder Vorzüge um einen äußerst undankbaren, wenn nicht unmöglichen Job handele.

    "Wir haben große Hoffnungen, einen Beitrag von außen für diesen Prozess zu bekommen", sagte dagegen David Frost, seines Zeichens Brexit-Minister und Boris Johnsons Mann fürs Grobe. Details zum EU-Austritt werden auf der Insel auch exakt fünf Jahre nach dem Referendum, das eine knapp Mehrheit für den Brexit brachte, gerne ignoriert – wie dieser Tage im Grunde das gesamte Thema. Der Brexit sei "ausgelutscht wie eine Zitrone", monierte vor einigen Tagen Premierminister Boris Johnson. Das mögen die Unabhängigkeitsbefürworter in Schottland oder die rebellierenden Unionisten in Nordirland anders sehen, genauso wie die beunruhigten Bauern auf der Insel, die Fischer sowie Importeure und Exorteure.

    Für eine Erfolgsgeschichte hält eine große Mehrheit der Briten den Brexit nicht

    Eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov ergab zudem, dass nur ein Viertel der Bevölkerung denkt, dass der Brexit eine Erfolgsgeschichte ist. Tatsächlich funktioniert die Transformation von einem EU-Mitgliedstaat zu "Global Britain" nicht nach Wunsch? Es laufe "nicht gut, da wir die Kontrolle zurückgewinnen sollten, und das haben wir nicht wirklich", sagt der Handelsexperte und ehemalige Regierungsberater David Henig.

    Wieder gibt es Streit um den Umgang mit Nordirland

    Stattdessen dauern die Streitereien zwischen London und Brüssel etwa um Regulierungen und das Nordirland-Protokoll an. Mit dem im Brexit-Abkommen vereinbarten Zusatz hatte man eine Lösung gefunden, um sichtbare Kontrollen an der Grenze zwischen der Republik Irland und der zum Königreich gehörenden Provinz Nordirland zu verhindern. Die Zollgrenze wurde in die Irische See verlegt. Plötzlich aber protestiert die britische Regierung und verlangt Änderungen.

    Der britische Premierminister Boris Johnson schien vor fünf Jahren selber überrascht, dass die Brexit-Befürworter das Referendum gewinnen konnten.
    Der britische Premierminister Boris Johnson schien vor fünf Jahren selber überrascht, dass die Brexit-Befürworter das Referendum gewinnen konnten. Foto: Alberto Pezzali, AP Pool, dpa

    Erst jetzt scheint in London anzukommen, dass bei der Lieferung von Fleischprodukten wie Würstchen, Hackfleisch oder Hühnerschlegeln von Großbritannien in die Provinz ab Juli, wenn die Übergangsphase ausläuft, Kontrollen drohen. Aber Nordirland sei laut Henig nur ein Teil des Problems. "Das größte ist, dass 50 Prozent unseres Handels mit Europa abwickelt wird und das wird wahrscheinlich immer so bleiben. Wir sind zu nah, als dass wir wegrennen könnten oder völlig frei wären."

    Investoren halten sich zurück, Arbeiter aus Osteuropa bleiben weg

    Eine spürbare Folge des Brexit ist der Rückgang an Investitionen und der Mangel an Arbeitern, die in den vergangenen Jahren oft aus Osteuropa einwanderten und seit dem Ende der Personenfreizügigkeit nach Polen, Rumänien oder Bulgarien zurückgekehrt sind. Es fehlen Arbeitskräfte im Bauwesen, Lkw-Fahrer, Schwestern und Pfleger sowie Servicekräfte in der Gastronomie.

    Dennoch würden 82 Prozent der Briten nach einer aktuellen Studie wieder so wählen wie am 23. Juni 2016: 52 Prozent befürworten den Zustand außerhalb der Staatengemeinschaft. 48 Prozent würden lieber wieder zur EU zu gehören.

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